Integration Zungenbrecher knusper, knusper, knäuschen
In der Konversationsstunde in der Stadt- und Kreisbibliothek lernen Migranten zusammen Deutsch.
Haldensleben l Ein Stapel mit Karten liegt mit der Rückseite nach oben auf dem Tisch. Von der Rückseite lugt die bekannte Fernseh-Maus. Ein Spiel für Kinder? In der Stadt- und Kreisbibliothek hilft dieses Spiel auch Migranten beim Deutschlernen. Karim Haidara aus Mali hat eine Karte mit einem blauen Verkehrsschild und einem Fahrrad darauf in der Hand. Die vier Männer am Tisch denken nach, kommen dann überein, das ist das Zeichen für einen Fahrradweg. Bibliotheksleiterin Angelika Ermel zeigt dazu auf dem Tablet ähnliche Schilder.
„Kennst Du dieses Instru- ment?“, so steht es auf der nächsten Karte. Zu sehen ist eine Flöte. Beim Aussprechen des Wortes hat Zerabruk Gebregzabher Probleme mit dem Umlaut. Es klingt einfach nicht nach einem „ö“. Maia Voigt wiederholt das Wort mit ihm mehrmals, auch die anderen Männer üben die Aussprache. Als nächstes werden Wörter mit dem Anfangsbuchstaben „A“ gesucht. Das klappt ganz gut. Dann kommen schon wieder Wörter mit Umlauten, die mehrmals wiederholt werden müssen. Bei so komplizierten zusammengesetzten Wörtern wie Fußgängerüberweg müssen sie ein paarmal Anlauf nehmen, bis es einigermaßen verständlich klingt. Maia Voigt erklärt bei fast jedem Satz die Grammatik.
Geduldig lässt sie die Männer die Sätze oder Wörter wiederholen. Maia Voigt spricht mit fast nicht hörbarem Akzent. Sie stammt aus Estland, hat da bereits sieben Jahre Deutsch gelernt, bevor sie 1997 nach Deutschland kam. Maia Voigt lebt mit ihrer Familie in Brumby. Ihre Kinder gehen in Haldensleben ins Gymnasium und sind am Nachmittag gern noch in der Bibliothek, erzählt sie. Als sie mit ihren Kindern hier war, hat sie die Werbung für die Konversationsstunde gelesen und spontan beschlossen, sich daran zu beteiligen.
„Ich habe in meinem Leben nicht so viel mit Ausländern zu tun gehabt. Dann bin ich nach Deutschland gekommen, wo ich selbst Ausländer war“, erzählt sie. Und sie kennt das „Gefühl, wenn man einer Fremdsprache gegenüber steht“, nur zu gut. Sie kann nachvollziehen, wie es den Männern geht, mit denen sie hier am Tisch sitzt. „Viele kommen aus einem Land, wo es ganz andere Sprachen gibt“, sagt sie, oft müssten sie auch die Schrift neu lernen, das sei besonders schwer. Und dann die Grammatik. „Ich habe Tabellen mit Grammatik auswendig gelernt“, erinnert sie sich.
Karim Haidara und Zerabruk Gebregzabher sprechen schon ganz gut Deutsch. Zakaria Nianone und Mohamed Yasin sind da noch weitaus zaghafter, wenn sie sprechen sollen, aber sie hören aufmerksam zu, schreiben mit.
Karim Haidara ist seit zwei Jahren in Haldensleben. „Er ist eigentlich der Initiator der Konversationsstunde“, sagt Angelika Ermel. Karim Haidara wollte unbedingt Deutsch lernen. Doch einen Deutschkurs gab es für ihn nicht so schnell. So kam er in die Bibliothek und suchte hier nach Hilfe. Das hat sich auch nach einem Deutschkurs nicht geändert. „Damals waren noch nicht viele Afrikaner in Haldensleben“, sagt er und lächelt dabei. Zu jeder Konversationsstunde kommt er jetzt allerdings nicht mehr. Er freut sich, dass er an drei Tagen in der Woche ein paar Stunden in einem Seniorenheim arbeiten kann. Wege fegen und ähnliche Arbeiten, beschreibt er seine Tätigkeit und ergänzt, er habe dort sehr gute Kollegen. Es macht ihm Spaß. Vorher hat er in dem Heim ein Praktikum gemacht, erzählt er.
„In welchem Märchen wird dieser Vers gesagt“ heißt es auf der nächsten Karte. Maia Voigt fragt nach dem Fall – in welchem Märchen. Dativ erklärt sie und lässt die Männer das „M“ deutlich aussprechen. Bei „Hänsel und Gretel“ gibt es wieder Probleme mit der Aussprache. Zuvor aber üben alle „Knusper, knusper, knäuschen“, brechen sich dabei fast die Zunge und lachen herzhaft darüber.