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Hochwasserschutz Deichbruchstelle war vorher nie auffällig

Flussbereichsleiter Reinhard Kürschner vom LHW geht in den Ruhestand und zieht eine Bilanz seiner Arbeit im Elb-Havel-Winkel.

Von Ingo Freihorst 09.02.2017, 00:01

Schönhausen l Die Informationsveranstaltung zu den Deichbaustellen in Schönhausen, welche vor kurzem stattgefunden hatte, war der letzte öffentliche Auftritt des Flussbereichsleiters Reinhard Kürschner vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW). Am gestrigen 8. Februar wurde er 63 Jahre alt, letzte Woche war sein letzter Arbeitstag.

Die Veranstaltung im Bürgerzentrum in Schönhausen nutzte der scheidende Wasserbauingenieur, um ein kurzes Resümee seiner Amtszeit in der Elb-Havel-Region zu ziehen. Vorab nannte er gleich einen der Gründe, warum er vorzeitig in den Ruhestand wechselt – und dieses Ereignis hatte sich ebenfalls im Saal des Bürgerzentrums abgespielt: Nach dem Fischbecker Deichbruch hatte hier eine Bürgerversammlung stattgefunden, wo ein Landwirt aus dem Havelwinkel dem anwesenden LHW-Direktor riet, sich einen anderen Flussbereichsleiter zu suchen.

Der Landwirt ist bis heute der Ansicht, dass Reinhard Kürschner persönlich für den Deichbruch verantwortlich sei – was diesen sehr ärgert. „Nach der Flut von 2002 hatte es umfangreiche Untersuchungen zur Standsicherheit der Deiche gegeben, der Fischbecker Abschnitt hatte dabei die geringsten Gefährdungen aufgewiesen“ begründete der Bereichsleiter. Den Deichbruch dort konnte also vorab niemand ahnen. Die genauen Ursachen blieben ungeklärt.

Als Leiter des Genthiner Flussbereiches, der sich von der Autobahnbrücke Hohenwarthe bis zwei Kilometer hinter der Wehrgruppe Quitzöbel erstreckt, war seine Maxime immer gewesen, zuerst die Schwachstellen zu sanieren. Von den 92,4 Kilometern Elbdeich im Flussbereich sind nunmehr Zweidrittel saniert, davon ein großer Teil sogar normgerecht – also unter anderem mit Berme.

Waren bis 2002 jährlich etwa eine Million Euro für den Deichbau im Flussbereich bereitgestellt worden, wurden danach bis 2013 immerhin 39 Millionen Euro verbaut. In den Jahren nach 2013 wurden sogar 90 Millionen Euro für einen besseren Hochwasserschutz bereitgestellt. „Deshalb gehe ich eher mit einem lachenden Auge“, gab Reinhard Kürschner zu verstehen.

Nicht nur an der Elbe wurde eifrig saniert – hier wurden unter anderem die Schwachstellen von 2013 bei Fischbeck, Hohengöhren, Wulkau, Sandau und Quitzöbel beseitigt sowie die Rückverlegung in Sandau-Nord begonnen – sondern auch an der Havel. In Jederitz wurde der Polderdeich zurückverlegt, Vehlgast bekam ein neues Schöpfwerk samt saniertem Polderdeich, auch bei Kuhlhausen und Warnau wurden die Wälle saniert und die Stadtinsel von Havelberg ist nun ebenfalls flutsicher.

Ex-Verbandsbürgermeister Bernd Witt hofft jedenfalls, dass auch der Nachfolger so engagiert arbeiten wird wie Reinhard Kürschner. Er bedankte sich für die gute Zusammenarbeit, es habe weit mehr Erfolgserlebnisse als Niederschläge gegeben. Das Gesagte unterstrichen die anderen im Saal mit ihrem Applaus.

Wer in den Ruhestand geht, kann auch die eigene Firma kritisieren: Der Hauptgrund, weshalb Reinhard Kürschner geht, sei die Personalpolitik des LHW. Obwohl sein Ausscheiden seit einem Jahr bekannt ist, ist die Stelle noch immer nicht ausgeschrieben. „Eine Personalentwicklung findet nicht mehr statt“, kritisierte er angesichts des Durchschnittsalters von 50 Jahren beim LHW.

Dabei hatte er es selbst anders erlebt: Ab dem 1. Juni 2002 war er als Flussbereichsleiter in Genthin eingesetzt. Sein Vorgänger Klaus Flügge ging in Rente, er hatte ihn vorab noch ein halbes Jahr lang einarbeiten können.

Neben den Extremen von 2002 und 2013 hatte Reinhard Kürschner mit weiteren größeren Hochwässern zu kämpfen – und zwar 2003, 2006 und 2011, wo es sogar teils kritische Situationen gegeben hatte.

Solche extremen Naturereignisse waren seinem Vorgänger Klaus Flügge erspart geblieben. Dieser hatte angesichts der immer geringer werdenden Zuschüsse bei seiner letzten Deichschau sogar gemeint, dass mal wieder ein richtiges Hochwasser kommen müsse, damit die Zuständigen in den Ämtern aufwachen. Das war im Frühjahr 2002. Dieser „Wunsch“ wurde wohl an höherer Stelle erhört – wenige Monate später versanken die Elb-Anrainer in den Fluten.