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Anwohner sauer Kein Havelwasser mehr zum Gießen

Anwohner der Weinbergstraße in Havelberg dürfen künftig kein Wasser mehr aus der Havel zum Bewässern ihrer Gärten entnehmen.

Von Andrea Schröder 12.10.2018, 01:01

Havelberg l „Wir nehmen seit Jahrzehnten Wasser aus der Havel, um unsere Gärten zu bewässern. Das geschieht zum Teil in vierter oder fünfter Generation. Nie hat es Probleme damit gegeben. Als in der Wendezeit das Deckwerk an der Havel gebaut wurde, haben wir gefragt, ob wir eine kleine Pumpe einbauen können. Das war okay. Die Rohre wurden gleich mit reingelegt. Es hieß damals, ob wir nun mit Eimern oder Pumpen Wasser entnehmen, spiele keine Rolle“, berichtet Peter Schwarzlose, der in der Weinbergstraße in Havelberg zu Hause ist. Würde es aufgrund solcher trockenen Sommer wie in diesem Jahr zu Einschränkungen bei der Wasserentnahme kommen, hätte er Verständnis dafür. Aber generell?

„Aufgrund der sich in den letzten Jahren abzeichnenden wasserwirtschaftlichen Verhältnisse in der Havel werden seitens des WSA Brandenburg grundsätzlich alle Wasserentnahmen aus der Bundeswasserstraße abgelehnt.“ Das steht in dem Schreiben des Wasserstraßen- und Schifffahrts­amtes, welches die Anlieger in den vergangenen Wochen zu unterschiedlichen Zeiten erhalten haben. Darin steht oft auch, dass bei einer Kontrolle im Sommer eine ungenehmigte Wasser­entnahmeleitung festgestellt worden ist und dass der vollständige Rückbau bis zum 31. Dezember 2018 zu erfolgen hat. Erklärt wird das Verbot unter anderem damit, dass die Wasserentnahme „direkten Einfluss auf die Abflussverhältnisse der Bundeswasserstraße Untere-Havel-Wasserstraße hat“. Neben der Gewährleistung ausreichender Wassertiefen für die Schifffahrt habe die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes die hoheitliche Aufgabe zu erfüllen, die ökologische Durchgängigkeit an ihren Staubauwerken herzustellen. Dafür gelte es, moderne Fischaufstiegsanlagen neu zu errichten, vorhandene bei Bedarf zu modernisieren und zu betreiben. Für die Funktionsfähigket seien ganzjährig bestimmte Abflussmengen zur Verfügung zu stellen.

Weiter heißt es, dass es insbesondere in den Sommermonaten schon jetzt schwer falle, den für die Schifffahrt erforderlichen Wasserstand aufrecht zu erhalten und die für die ökologische Durchgängigkeit erforderlichen Wassermengen zur Verfügung zu stellen. Grund seien geringe Durchflüsse und hohe Verdunstungsraten. Auch wenn die durch die Anlieger entnommenen Wassermengen nicht sehr groß seien, so müssten auf Grundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch andere Wasserentnahmen genehmigt werden. Das sei jedoch wegen der wasserwirtschaftlichen Situation nicht möglich.

Die Anwohner sind aus verschiedenen Gründen verärgert über die Mitteilung des WSA. „Wir halten den Uferbereich in Ordnung, kümmern uns um den Rasen auf der Promenade und um die Bäume. Kommt Hochwasser, räumen wir den Dreck weg, füllen weggespülte Erde auf und säen neuen Rasen an, alles auf unsere Kosten“, berichtet Monika Schwarzlose. Heinz-Dietrich Zepp pflichtet ihr bei. „Hier war früher nur Sand. Wir sorgen dafür, dass das hier alles in Ordnung ist.“ Die Anwohner berichten, dass sie ihr Regenwasser in die Havel leiten. „So viel nehmen wir niemals wieder aus der Havel raus.“ Und auch, dass den ganzen Sommer über trotz der Trockenheit kein relevanter Unterschied beim Wasserstand der Havel – der reguliert wird – zu erkennen gewesen sei.

Unverständlich ist für sie außerdem, dass das Entnahmeverbot nur im Bereich der Stromhavel gilt. Wer sein Grundstück am Bischofsberg – in Verlängerung der Weinbergstraße – hat, darf weiterhin Wasser entnehmen. Das ist dann der Stadtgraben und der gehört der Hansestadt. „Das ist doch eine Havel“, findet Heinz-Dietrich Zepp. Dass die Entnahmestellen genehmigungspflichtig sind, wussten viele Anwohner nicht, auch wenn das jetzt für das Verbot keine Rolle spielt. „Das hätte man uns doch sagen können, als wir vor ein paar Jahren unsere Liegestellen für die Kähne anmelden mussten“, findet Peter Schwarzlose.

Kampflos hinnehmen wollen die rund 80 Anwohner das Verbot nicht. Sie sammeln gerade Unterschriften für ein Bürgerbegehren, berichtet Andreas Müller. „Schade, dass das Amt nicht mit uns gesprochen hat, eine Anwohnerversammlung wäre gut gewesen. In Extremsituationen kein Wasser zu entnehmen, würden wir verstehen. Im Spreewald sind zum Beispiel Zeiten festgelegt, wann das erlaubt ist und wann nicht.“

Stadtrat Gerhard Imig, der ebenfalls in der Weinbergstraße wohnt, hat beim WSA nachgefragt, auf welcher rechtlichen Grundlage das Verbot basiert. Für ihn ist das alles widersprüchlich. „Mit der Havelrenaturierung soll der ursprüngliche Zustand der Havel wieder hergestellt werden. Dazu gehört, dass die Anlieger Wasser aus der Havel entnehmen können, wie früher auch schon.“ Erbost ist er zudem darüber, dass die Anwohner alle Auswirkungen des Natur- und Umweltschutzes tolerieren sollen – wie gerade aktuell den Biber, der in den Gärten Apfelbäume kurz macht.

Auf ihrer Seite haben die Anlieger Bürgermeister Bernd Polos­ki. Auch wenn es natürlich so ist, dass der Eigentümer eines Gewässers festlegen kann, ob er eine Wasserentnahme erlaubt, so hat er kein Verständnis für das grundsätzliche Verbot. Auch nicht für die Empfehlung des WSA, sich stattdessen Brunnen zu bohren. Das Grundwasser steht in Verbindung mit der Havel und eine Entnahme dürfte auch Einfluss auf die wasserwirtschaftliche Situation haben.

„Die Verhältnismäßigkeit und Sinnhaftigkeit erschließt sich mir nicht. Ich kenne zwar keine genauen Zahlen. Doch aus laienhafter Vorortkenntnis ist es wohl nur ein geringer Promilleanteil, den die Entnahme von Wasser der Anlieger aus der Weinbergstraße am Gesamtvolumen der Havel hat“, sagt er und berichtet, dass er sein „absolutes Unverständnis“ gegenüber dem WSA sofort kundgetan und angekündigt hat, dass ein offizielles Begehren folgen wird. „Ob das Gewässerrandstreifenprogramm, Natura 2000 oder jetzt das, jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben und die Menschen bekommen immer mehr das Gefühl, dass beim Thema Natur und Ökologie nur noch darauf geschaut wird, wo neue Verbote auferlegt werden können. Ich halte Gebote für sinnvoll, damit unsere Kinder und Kindeskinder in einer gesunden Umwelt leben können, aber das, was zurzeit passiert, ist reiner Verbotswahnsinn.“

Vom WSA war gestern keine Auskunft zu dem Thema zu bekommen.