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Archäologen 8551 Funde bei Grabung nahe Fischbeck

Seit der Flut wird an den Elbdeichen gearbeitet. Was die Archäologen im Vorfeld fanden, stellten sie jetzt vor.

Von Ingo Freihorst 13.11.2015, 00:01

Jerichow/Fischbeck/Sandau l „Fischbeck ist eine recht außergewöhnliche Grabungsstelle, zum einen sind die Gefäße ungewöhnlich gut erhalten und teils auch recht groß“, führte Dr. Dietlind Paddenberg vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in den Vortrag ein. Dazu hatten sich in der Informationsstelle des Klosters Jerichow am Dienstagabend zahlreiche Heimatfreunde eingefunden – natürlich auch aus dem Nachbarkreis Stendal.

Einiges zu erfahren war bei den Grabungen im Fischbecker Süden – in der Nähe des Lenzenberges – über die Siedlungsstruktur. Das Problem in den Flussauen: durch die Überschwemmungen sind die oberen Erdschichten abgetragen, nur der Fachmann kann die auffälligen Stellen erkennen. Zudem standen die Altertumsforscher bei den Rettungsgrabungen unter Zeitdruck, denn der Bauplan musste eingehalten werden – was aber immer gelang.

Der Hauptredner des Abends stammt aus Havelberg: Dominik Petzold war Grabungsleiter in Fischbeck und wertet nun die insgesamt 8551 Fundstücke im Grabungsstützpunkt Kloster Jerichow aus. Ein besonders beeindruckendes Exemplar war im Seminarraum ausgestellt – ein riesiges getöpfertes Speichergefäß, in dem sich ursprünglich noch eine Tasse zum Herausschöpfen der Getreidesamen befunden hatte. Aus dutzenden Scherben war ein Großteil des Behälters zusammengeklebt worden.

Datiert wurde der Fund wie die gesamte Siedlung in die Zeit zwischen 750 und 550 vor Christus – also dem Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit. Ganz in der Nähe war 1959 von Mitarbeitern der LPG „Roter Oktober“ bereits ein Urnengräberfeld gefunden worden, die Fachleute rechneten seitdem mit weiteren Funden.

Wie bei solchen Grabungen üblich, erfolgten im Vorfeld Suchschachtungen. Vier Monate blieben dann Zeit für die Ausgrabungen, von Mai bis August dieses Jahres. Die genauer untersuchten drei Areale mit insgesamt etwa 14 000 Quadratametern befanden sich allerdings nicht auf der späteren Deichtrasse, sondern auf einem für den Deichbau geschaffenen Lagerplatz.

Die Archäologen fanden immerhin 598 menschliche Eingriffe in den Boden vor – wie Gruben für Vorräte, Abfälle oder Hauspfosten. Interessant für die Forscher war vor allem der hinterlassene Müll der hier Siedelnden – so konnte man sich den damaligen Menschen wenigstens etwas nähern, wie Dominik Petzold berichtete. Interessant waren dabei vor allem die Keramikscherben.

Vorgefunden wurden in diesem Bereich aus dem Mittelalter stammende sogenannte Wölb-Äcker – ähnlich einem einstigen Waschbrett. In den tiefer gelegenen Stellen waren die Funde durch die Feldbearbeitung teils zerstört.

Das Problem war, dass bislang kaum Siedlungen aus jener Zeit gefunden worden waren, lediglich Gräberfelder. In Fischbeck hatte man nun beides gefunden, das können die Fachleute nun vergleichen.

Am Ende der Bronzezeit waren kleine kultivierte Räume mit eigener Mode entstanden. Die Toten wurden mit ihren Beigaben auf Scheiterhaufen verbrannt, das Eisen verrostete mit der Zeit – so gibt es kaum noch Zeitdokumente.

Die Datierung der Siedlung erfolgte vor allem mit Hilfe der Keramikscherben, sie wurden mit denen aus anderen Gebieten wie Lüchow-Dannenberg verglichen. In der Bronzezeit gab es schräge Verzierungen und eingedrückte Henkel, rechte Winkel auf den Keramiken stehen hingegen für die Eisenzeit.

Die vorgefundenen Häuser waren maximal 15 mal 7 Meter groß und in West-Ost-Ausrichtung erbaut. Die Gruben überschneiden sich nicht – was bedeutet, dass das Areal wohl nur kurzzeitig genutzt wurde. Eine Gargrube war gut erhalten: In dieser werden Granitsteine im Feuer erhitzt, dann werden Speisen auf den heißen Steinen gegart.

Andere Lebensmittel wurden mit Salz konserviert. Das wertvolle Würzmittel wurde durch Verdampfen von Wasser gewonnen – salzhaltige Solequellen gab es in der Region in Salzwedel oder weiter entfernt in Halle.

Nur spärliche Hinweise in Form eines Tiegels fanden sich auf die Metallverarbeitung. Auch ein Spinnwirtel wurde ausgegraben, Abdrücke von Fäden fanden sich zudem in der Keramik. Sogar Müllentsorgung wurde schon betrieben: In einer großen Grube fanden sich unzählige Scherben sowie Lehm vom Hausbau.

Sogar das Klima der damaligen Epoche ist heute bekannt, die Dendrochronologie machte dies möglich. Die Baumringe zeigen, wie das Wetter war: Nasse Jahre sind gut, wurde es trocken, hatten die Bäume Stress. Ab etwa 700 vor Christus gab es einen Knick, das Wetter wurde trockener. Vielleicht war dies der Zeitraum, in dem man an der Elbe siedeln konnte, ohne Angst vor einem Hochwasser zu haben. Oder hatte die Elbe damals vielleicht sogar einen ganz anderen Verlauf? Eine jüngere Siedlung wurde jedenfalls auf dem Berg an der Bundesstraße gefunden, da gab es wohl schon wieder Hochwasser…

Auf der Sandauer Deichbaustelle hatte Judith Lücke die Grabungen geleitet. Ein slawischer Kastenbrunnen war die größte Entdeckung, auch ein mittelalterlicher Keller fand sich an. Erstmals gab es hier im Bundesland einen Nachweis eines Verhüttungsplatzes aus der Eisenzeit, zwei Gruben zur Torfgewinnung weisen ebenfalls darauf hin.