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Archäologie Brandbestattungen im Hohen Gelände

Es ist zwar nicht das Schönfeld, nach dem die „Schönfelder Kultur“ benannt wurde, dennoch wurden Archäologen auch im Ostelbischen fündig.

Von Ingo Freihorst 30.06.2016, 15:00

Schönfeld l Der Kleintransporter ist gut gefüllt mit hunderten durchsichtigen Plastiktüten. Alle sind beschriftet, denn ihr Jahrtausende alter Inhalt muss nun im Kloster Jerichow untersucht und ausgewertet werden: Hinterlassenschaften von Menschen, welche einst im hochwassergeschützten Gelände zwischen Schönfeld und Wulkau nahe der Elbe siedelten.

Dass diese Artefakte jetzt zutage befördert wurden, ist dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) zu verdanken, welcher hier im Zuge der Flutschadensbeseitigung Senken im Gelände beseitigen lässt – demnächst mehr dazu. Im Vorfeld wird der Baugrund von Archäologen untersucht, hier wurden sie wie an vielen anderen Deichbaustellen fündig. Auch für unsere Urahnen waren Flüsse Lebensadern. Geländeerhöhungen wie hier zwischen Schönfeld und Wulkau wurden besiedelt, da sie Schutz vor Überschwemmungen boten.

Eine Vielzahl an Scherben, Knochen, gebrannter Lehm, eine Grube und Pfostenlöcher wurden bei den Grabungen im einstigen Waldgebiet gefunden, was wegen der vom LHW geplanten Geländeerhöhung gerodet wurde. Ein Bruchstück besaß sogar aufgesetzte Verzierungen, diese sind wichtig für die Datierung. Die Funde werden wie jene aus Fischbeck in der Werkstatt in Jerichow aufgearbeitet.

Vier Wochen lang war in dem sandigen Gelände in zwei Arealen auf insgesamt 3200 Quadratmetern der Erdboden begutachtet worden. Grabungsleiterin Dominique Ortmann standen bis zu sieben Grabungshelfer zur Seite – bei der Tropenhitze der letzten Tage war dies kein Zuckerschlecken.

Zunächst hatte ein Bagger den Mutterboden auf vier Metern Breite abgetragen – dann wurde geschaut, ob Verfärbungen zu sehen waren. Gab es Befunde, folgte ein Untersuchungsstreifen, welcher das gesamte Baufeld umfasste. Der wichtigste Fund war der Boden einer Urne, in dem sich Reste von Leichenbrand befunden hatten. – Anderthalb Tage lang wurde der Sand ringsum Schicht für Schicht abgetragen, jede Schicht fotografiert. In anderen Gefäßen befanden sich ebenfalls Knochenreste – ob von Mensch oder Tier wird sich bei der Untersuchung zeigen. Gefunden wurden auch neuzeitliche Dinge wie Ziegel oder achtlos im Wald entsorgte Margarine-Becher.

Mit der Datierung hält sich die Archäologin zurück: Entweder Frühbronzezeit (2100 bis 2200 vor Christus), damals begann die Sitte der Brandbestattungen. Oder eben die späte Jungsteinzeit (2900 bis 2100 vor Christus) mit der in Fachkreisen bekannten „Schönfelder Kultur“. Das Auffälligste an dieser: Hier gab es im Gegensatz zu anderen Kulturen regelmäßig Brandbestattungen, der Leichenbrand wurde in Gefäßen in Flachgräbern bestattet. An Verzierungen finden sich Zickzack- und Furchenstichlinien auf der stichverzierten Keramik. Fachleute deuten diese als Sonnensymbole.

Den Begriff von der „Schönfelder Kultur“ hatte im Jahre 1910 der Stendaler Gymnasialprofessor und Prähistoriker Paul Kupka (1866 bis 1949) geprägt. Er hatte 1905 ein Gräberfeld in Schönfeld bei Steinfeld auf der anderen Elbseite ausgegraben. Prägend für diese Kultur sind ferner verzierte Schalen, Tontrommeln und Henkelbecher. Von letzterem fand sich jetzt auch einer im ostelbischen Schönfeld an.

Die Ausgrabungen bezahlt der Bauherr: Etwa 65 000 Euro muss der LHW ans Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie dafür nach Halle überweisen.

Ganz sicher vor den Elbfluten waren übrigens unsere Urahnen auch im höheren Gelände nicht überall: Es fand sich an einer Stelle eine Schwemmschicht an, wobei ältere die jüngeren Funde überlagerten.