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Corona-Hilfe „Geben die Männer nicht mehr her“

Einen Tag vor Silvester ereilte Soldaten des Panzerpionierbataillons 803 Havelberg der Hilferuf aus einem Seniorenheim in Naumburg.

Von Andrea Schröder 10.01.2021, 05:00

Havelberg l Normalerweise tauchen sie oder bauen Brücken. Jetzt sind 14 Soldaten des Panzerpionierbataillons 803 Havelberg in ganz anderer Mission unterwegs. Sie haben Tauchanzug und Brückenbauwerkzeug gegen einen Platz im Seniorenheim getauscht. Im Schichtbetrieb unterstützen die Männer das Personal im AWO Seniorenzentrum „Am Rosengarten“ in Naumburg. Dort hatte Corona heftig zugeschlagen. Nicht nur Bewohner steckten sich mit dem Virus an, auch Mitarbeiter.

„Seit 12. Dezember ist unsere Einrichtung geschlossen und bis zum 12. Januar befinden wir uns noch in Quarantäne“, berichtet die Assistentin der Geschäftsführung Kathleen Baum. Ein Bewohner war, positiv auf Corona getestet, aus dem Krankenhaus wieder ins Heim gekommen. Obwohl alle Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen wurden, breitete sich das Virus aus.

„Am 23. Dezember waren elf Mitarbeiter auf einen Schlag weg, letztendlich waren von 31 Kollegen 20, von denen einige auch normal erkrankt sind, nicht mehr da.“ Kathleen Baum erzählt, dass seitdem alle gesunden Mitarbeiter auch aus der Verwaltung alles stehen und liegen gelassen haben, um sich voll auf die Pflege der Bewohner konzentrieren zu können. „Seitdem sind wir rund um die Uhr im Einsatz und funktionieren nur noch. Mitarbeiter haben Doppelschichten gefahren.“

Mit weniger als 40 Prozent des Personals war der Zeitpunkt gekommen, um Hilfe zu bitten. Die Landkreise können bei der Bundeswehr Unterstützung anfordern. Im Burgenlandkreis ist Jens Hülßner vom Kreisverbindungskommando Ansprechpartner. „Von 38 Heimen bei uns im Kreis sind elf von Corona betroffen, in drei Heimen sind Soldaten zur Hilfe eingesetzt.“

„Wir haben am 30. Dezember erfahren, dass wir uns Silvester um 12 Uhr in Naumburg treffen. Es ging dann auch gleich los. Wir sind in Früh- und Spätschichten eingeteilt und sind zum Beispiel für die Verpflegung zuständig“, berichtet Frank Hummel von Schnittenschmieren, Kaffee und Tee kochen, Mittagessen ausgeben und auch reichen. Die Soldaten holen die Bewohner aus den Zimmern in die Gemeinschaftsräume. Dort spielen sie mit ihnen auch zum Beispiel „Mensch ärger dich nicht“ oder haben einfach Zeit, mit den Senioren zu plaudern. Auch die Wäschecontainer holen die Männer aus der Reinigung. „Wir sind froh, dass wir hier unterstützen können. Dass Mitarbeiter in der Pflege viel zu tun haben, hat jeder schon gehört. Wenn man das hier aber erlebt, steigt der Respekt noch mal deutlich. Wir erleben, wie die Mitarbeiter rotieren, wie straff ihr Plan ist.“

Kommandeur Oberstleutnant Ralph Peter besucht seine Jungs am Dienstag, spricht auch mit der Heimleitung und dem Kameraden vom Verbindungskommando. Er hört nur Gutes von beiden Seiten. Die Soldaten aus Havelberg  sind froh, helfen zu können, die Mitarbeiter froh, diese Hilfe zu bekommen. Doch kommen auch Fragen auf, wie es zum Beispiel ist, wenn sich ein Taucher mit Corona infiziert. Eine Lungenkrankheit könnte im schlimmsten Fall die Tauch-Karriere beenden. Oder wie ist es, wenn sie wieder nach Hause fahren? Ein Soldat weiß seine schwangere Frau zu Hause, möchte sie und das Kind keiner Gefahr aussetzen. Deshalb finden regelmäßige Tests statt und der Eigenschutz hat Priorität. Wenn der Einsatz wie bisher geplant am 15. Januar zu Ende ist, bekommen alle Soldaten zudem einen PCR-Test und bleiben bis zum Ergebnis noch zwei Tage in dem Hotel, in dem sie untergebracht sind.

Bis dahin sind sie auf den vier Etagen, auf denen die 63 Bewohnerinnen und Bewohner leben, lieb gewonnene Helfer. „Wir geben die Männer nicht wieder her“, sind sich Ros­witha Strahl und Sonja Witt einig. „Sie helfen uns, packen ordentlich zu, sehen die Arbeit von allein, wir finden das sehr gut“, erzählen die beiden Bewohnerinnen am Mittagstisch. Auf einer anderen Etage sind Michael Lepert und Andy Teitge im Einsatz. Auch sie haben sich gut eingearbeitet, kennen die Bewohner nach den ersten Tagen schon gut. Barbara zum Beispiel hat drei Jungs groß gezogen, sie reagiert positiv auf die Männer, wohl in Erinnerung an frühere Zeiten. „Der Funke springt einfach über. Die Senioren haben es verdient, ihren Lebensabend vernünftig zu verbringen, es ist schön, dass wir unseren Teil dazu beitragen können“, sagt Andy Teitge. „Es ist echt Wahnsinn, was die Mitarbeiter hier leisten“, weiß auch Michael Lepert die Arbeit im Pflegebereich zu schätzen. Und die Unterschiede kennenzulernen, die das Alter bereithält. Seine 85-jährige Oma zu Hause ist noch sehr fit. Dass sie auf eine Silvesterfeier zu Hause verzichten mussten, finden die Soldaten nicht schlimm. „Sie sind alle so dankbar, dass wir hier sind“, nennt Jonny Höftmann, der allein auf einer Etage aushilft, den Grund.

„Ich kann den Männern gar nicht oft genug sagen, wie dankbar wir ihnen sind“, ist Kathleen Baum glücklich, die 14 Soldaten in dem idyllisch gelegenen Haus am Rosengarten an der Seite der Mitarbeiter zu wissen. Alle sehnen sich nach Normalität, hoffen, dass bald wieder alle gesund sind. Dann dürfen die Bewohner endlich wieder Besuch empfangen, können sie draußen im Park die Ziegen beobachten, sich an der Vogelvoliere, den Hasen und Katzen erfreuen.