Motorradreise Das Abenteuer ihres Lebens
Erika Rittner dürfte vielen noch vom Havelberger Heimatverein bekannt sein. Besonders stolz ist die jetzige Einwohnerin von Zeulenroda auf ihre Enkelin Anne Knödler.

Havelberg/Halle - Quelle
Nach ihrem Studium in Halle wollte eine Gruppe von fünf jungen Künstlern, unter ihnen auch Anne Knödler, einmal raus aus der Blase der Kunstszene. Das war vor sieben Jahren. Sie waren sich einig, eine gemeinsame Idee zu verwirklichen. Zweieinhalb Jahre lang sind sie von Halle aus durch Asien und über Alaska bis nach New York gereist – ganz bewusst mit alten Ural-Motorrädern, um über Pannen an ihren Krädern möglichst viele Leute kennenzulernen. In diesem Pannentheater begegnen ihnen die unterschiedlichsten Menschen rund um den Globus. Mit deren Hilfe können sie immer ein Stückchen weiter fahren - werden dabei unter anderem gezogen, abgeschleppt und geschoben. Bis zum nächsten Breakdown (Schaden, Panne). Denn die alten Zweiräder mit Beiwagen erwiesen sich nicht gerade als ideales Transportmittel für Langstreckenfahrten.
500 Stunden Material
Ihre Erlebnisse haben die Wagemutigen in einem Bildband festgehalten und aus 500 Stunden Material den Film „972 Breakdowns“ geschnitten. Im vergangenen Jahr hatte die fesselnde Dokumentation Kinopremiere in Deutschland. Inzwischen ist sie auch als DVD (110 Minuten Film plus 58 Minuten Bonusmaterial) unter dem Titel „972 Breakdowns - Auf dem Landweg nach New York“ erhältlich.
Buch, Film und DVD sind entstanden
„Unser Ziel war es, unsere auf der 40000 Kilometer langen Reise, zumeist fernab der großen Straßen erlebten Abenteuer der Öffentlichkeit nicht vorzuenthalten. Aus dem Grund sind Buch, Film und DVD entstanden“, erklärte Anne Knödler im Gespräch mit der Volksstimme. „Jedes Fahrzeug ist gebaut, um irgendwann kaputt zu gehen. Bei keinem uns bekannten Vehikel schien diese Strategie so gut zu funktionieren, wie beim klapprigen Motorrad Ural 650“, fügt sie an. „Doch eine Panne ist eine universelle Sprache und ein großartiger Eisbrecher.“ Was den Film „972 Breakdowns“schon alleine Minute für Minute spannend macht.
Überflutete Straßen in Russland
Unter anderem heißt es zum Inhalt des Films: „Mit einer gehörigen Portion Naivität erkunden wir, was es heißt, endlose Wellblechpisten in der mongolischen Steppe zu bewältigen, was es bedeutet, wenn in der Wildnis Kanadas kein Krankenhaus in der Nähe ist oder wenn im Norden Russlands Straßen überfluten und Brücken zur Rarität werden. Eine folgenschwere Entscheidung für eine Abkürzung bringt uns ans Ende der Kräfte und nur mit reichlich Glück und der Hilfe vieler Menschen gelingt uns die Weiterfahrt.“
Als alle Straßen aufhörten
Und auch das mussten die jungen Deutschen auf sich nehmen: Irgendwann hörten alle Straßen auf und sie tauschten Helme gegen Schwimmwesten. Nach langem Tüfteln wurden die Motorräder zu einem Megafloß umgebaut und schwammen im fernen Osten Russlands auf dem Kolyma-Fluss 1600 Kilometer bis in den Arktischen Ozean.
Führerschein erst vor der Abreise gemacht
Kurios auch, dass alle Weltreisenden zum Zeitpunkt ihrer fast verrückt klingenden Idee noch keinen Motorradführerschein besaßen. „Den haben wir erst kurz vor der Abreise gemacht“, berichtet Anne Knödler. „Wir hatten auch noch nie ein Motorrad oder ein Auto repariert. Aber die Ural wurde uns letztlich empfohlen, weil sie sich recht gut reparieren lässt.“
In den Wintern eine Pause eingelegt
Zweieinhalb Jahre sind eine sehr lange Zeit. Doch die Abenteurer haben auch Pausen eingelegt, sind zum Beispiel im Winter nie gefahren, haben sich dann irgendwo niedergelassen oder sich Wintercamps eingerichtet. Das erste wurde nach 5000 Kilometern in Georgien aufgeschlagen, das zweite in Kanada. „Bei minus 40, minus 50 Grad in Russland mit der Ural unterwegs zu sein, wäre fahrlässig gewesen und keine Option für uns“ begründet Erika Rittners Enkelin.
Verständigung mit Händen und Füßen
Zu den zahlreichen großartigen Erlebnissen - „die Reise war das Abenteuer unseres Lebens“ - gehörten in besonderem Maße die Pannen. „Zumeist hatten wir selbst alles Notwendige dabei. Aber oftmals sind uns die Leute entgegengelaufen und haben Ersatzteile vor uns ausgebreitet, auch weil sie das Zeug loswerden wollten, denn in Russland fährt kaum noch einer eine Ural.“ So eine Panne dauerte meist eine ganze Weile. „Die Menschen haben sich einfach zu uns gesetzt, wollten helfen oder haben uns erklärt, wie sie den Vergaser einstellen würden. Man kommt mit ihnen ganz unkompliziert ins Gespräch.“ Allerdings war die Verständigung nicht immer ganz einfach. „Aber die Russen sind sehr geduldig und erklären jedem alles so lange, bis er es verstanden hat. In der Mongolei haben wir uns mit Händen und Füßen und ansonsten auf Englisch verständigt.“

