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Ehrenamt Zwei Jahre lang ein Ort der Begegnung

Ehrenamtliche haben das Begegnungscafé in Klietz zwei Jahre lang für Geflüchtete und Einheimische geöffnet. Nun ist es geschlossen.

Von Edda Gehrmann 25.12.2017, 06:00

Klietz l Das Begegnungscafé in Klietz hat seine Aufgabe erfüllt. Ein Abschiedstreffen der ehrenamtlichen Organisatorinnen setzte nun den Schlusspunkt unter das Angebot, das von der Kirche und der Freiwilligen-Agentur Altmark unterstützt wurde. Zwei Jahre lang öffneten sich am Donnerstagnachmittag die Türen der Winterkirche für Geflüchtete und Bewohner des Ortes, um bei Kaffee und Kuchen miteinander in Kontakt zu kommen. Mit der sinkenden Belegung der Landesaufnahmeeinrichtung in der Bundeswehr-Kaserne ging die Nachfrage zurück.

Als das Begegnungscafé Ende November 2015 seine Türen öffnete, wurde es geradezu überrannt. Bis zu 150 Menschen drängten in die Klietzer Winterkirche. Viele Gäste mussten sich gedulden, um einen Platz zu ergattern. „Wir sind mit dem Abwaschen kaum hinterhergekommen. So viel Geschirr hatten wir gar nicht“, erinnert sich Ursula Rensmann.

Gemeinsam mit Christine Härtel von der katholischen Gemeinde Tangermünde initiierte sie damals den Treffpunkt und suchte nach Verbündeten. Die evangelische Kirche stellte den Raum zur Verfügung, die Freiwilligen-Agentur Altmark e. V. zahlte im Rahmen eines vom Land Sachsen-Anhalt geförderten Projektes die Miete und unterstützte bei der Organisation.

25 bis 30 Ehrenamtliche halfen im Lauf der Zeit im Begegnungscafé, bei dem Christine Härtel bis zum letzten Tag die Fäden zusammenhielt. Ein „harter Kern“ von sieben Frauen blieb von der ersten Stunde an dabei. Wie viele Gäste sie bewirteten, können sie nur grob schätzen: 4000 bis 5000 werden es wohl gewesen sein, etwa 1000 Bleche Kuchen wurden gebacken – und das meist auf eigene Rechnung.

Es ging ihnen jedoch um mehr als um Kaffee und Kuchen. Im Herbst 2015 bekam Klietz fast über Nacht mehr als 700 Bewohner dazu, anfangs überwiegend junge Männer aus Syrien und Afghanistan. Damit zogen auch Sorgen und Ängste ein. „Wenn sich die Menschen miteinander bekannt machen, verschwindet die Angst“, sagt Ursula Rensmann.

Das Klietzer Begegnungscafé liefert dafür einen schlagenden Beweis. Aus der „anonymen Masse“ in den Medien werden Amer und Salem, Majed und Yassino, Khaled und Kamal. Ins fremdartige Stimmengewirr und in die Kommunikation mit Händen und Füßen mischen sich immer mehr deutsche Wörter. An der Kaffeetafel und im benachbarten Spielzimmer, in dem es schon mal heiß hergehen kann, beschäftigen sich Ehrenamtliche mit den Kindern und geben ersten Sprachunterricht.

Je mehr Vertrauen entsteht, umso größer werden die Herausforderungen für die Helfer. Die Zufluchtsuchenden kommen mit dicken Behördenbriefen, die sie nicht verstehen, mit einem emotionalen Rucksack aus Kriegs- und Fluchterlebnissen und der Sorge um ihr Bleiberecht in Deutschland. Viele haben nur das Nötigste dabei, und so wird das Begegnungscafé auch zum „Umschlagplatz“ für Kleidung, Koffer, Kinderwagen und andere Alltagsgegenstände.

„Die freiwilligen Helfer haben eine ganze Menge abgefangen. Gerade dann, wenn die Bescheide kamen, standen sie den Leuten zur Seite. Wir hatten anfangs zwischen 700 und 800 Geflüchtete hier. Die hätten sonst nicht gewusst, was in ihren Briefen steht“, sagt Grit Woywod vom DRK, Ehrenamtskoordinatorin in der Landesaufnahmeeinrichtung. Sie ist mit dem Begegnungscafé eng verbunden, ebenso wie Asylverfahrensberater Folker Lemme von der Beratungsstelle der Caritas in Klietz. Zwischen den Haupt- und Ehrenamtlichen spielte sich ein enges Miteinander ein. Bekanntschaften und Freundschaften entstanden, bei denen die Nationalität keine Rolle spielt, und die Unterstützung reichte in vielen Fällen weit über die Donnerstage im Begegnungscafé hinaus. Bis heute bestehen Kontakte zu Geflüchteten, die in verschiedene Orte Deutschlands zogen. Erst kürzlich ging ein Paket nach Hamburg.

Vom einstigen Massenansturm, der etwa ein Jahr anhielt, war zum Schluss nichts mehr zu spüren. Zurzeit leben 150 Menschen in der Landesaufnahmeeinrichtung, davon sind 60 Kinder. Statt hauptsächlich allein reisende junge Männer beherbergt die Kaserne in Klietz jetzt vor allem Familien. Die Nationalitäten sind bunt gemischt: Afrikaner, Iraner, Iraker, Syrer, Afghanen, Inder. „Die Belegungszahl ist stark gesunken und das Bedürfnis nach Kontakt ist bei Familien anders“, stellt Grit Woywod fest. Auch das Interesse bei der Bevölkerung sei zurückgegangen. Die Flüchtlinge im Umfeld sind Alltag geworden. Für die Ehrenamtskoordinatorin der LAE steht jedoch fest: „Wir werden nach anderen Möglichkeiten suchen, den Kontakt zwischen Flüchtlingen und Bevölkerung aufrechtzuerhalten.“ Dabei kann sie auf die Freiwilligen aus dem Begegnungscafé zählen.