Vortrag Fontane hatte Bismarck grollend geliebt
Vor 120 Jahren starben Otto von Bismarck und Theodor Fontane, Historiker Harald-Uwe Bossert informierte jetzt über beide Persönlichkeiten.
Havelberg l Zu einem Vortrag für alle Sinne hatte Gastwirt Manfred Hippeli jetzt wieder in seine „Güldene Pfanne“ nach Havelberg geladen. Historiker Harald-Uwe Bossert berichtete über Otto von Bismarck und Theodor Fontane, welche beide vor 120 Jahren verstorben waren. Der Havelberger entdeckte bei seinen Recherchen für seinen multimedialen Vortrag noch mehr Gemeinsamkeiten der beiden Zeitgenossen, welche sich im wahren Leben wohl nie persönlich begegnet sind. Dazu wurden Speisen aus jener Zeit kredenzt.
Otto von Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen geboren, Theodor Fontane im Dezember 1819 in Burg, wo sein Vater eine Apotheke besaß. Fontane wurde ebenfalls Apotheker, wechselte aber alsbald den Beruf und begleitete als Kriegsberichterstatter die preußischen Truppen unter anderem nach Dänemark und Frankreich. Auch schrieb er ein Gedicht über den Einsatz der Engländer in Afghanistan mit erstaunlich aktuellem Bezug: Damals holten sich die Engländer dort eine „blutige Nase“, später dann die Sowjetarmee und die Amerikaner. Ein Ende ist leider nicht in Sicht.
Fontane und Bismarck gingen beide freiwillig für ein Jahr zum Militär, wobei man sich dann den Standort aussuchen konnte. Otto von Bismarck diente bei den Garde-Jägern in Potsdam, Fontane wurde Garde-Grenadier in Berlin und bewachte das Stadtschloss. In seiner Dienstzeit rettete Bismarck seinen Reitknecht vor dem Ertrinken, wofür er die preußische Lebensrettungsmedaille bekam. Auf diese war er ewig stolz – war es doch die einzige von diversen Auszeichnungen, für die er etwas getan habe, berichtete er später.
Fontane und Bismarck standen bei der Revolution von 1848 auf verschiedenen Seiten der Barrikaden. Während Fontane in Berlin mit den Revolutionären auf den Straßen kämpfte, wollte Bismarck seine Schönhauser Bauern für die Gegenseite bewaffnen.
Obwohl die Fontanes im Reichstag bei den wohlgeformten Reden des „Eisernen Kanzlers“ oft als begeisterte Zuhörer zugegen waren, blieb das Verhältnis des Schriftstellers zum Kanzler wegen dessen Charakters distanziert. Er habe Bismarck „grollend geliebt“, gestand Fontane. Auch in seinen Geschichten kam der große europäische Politiker nicht gut weg: Fontane umschrieb ihn – bezugnehmend auf die Farbe seines Kragens – immer als den „Schwefelgelben“. Was natürlich unwillkürlich an den Teufel denken lässt. „Nirgends ist ihm ganz zu trauen“, war eine weitere Aussage von ihm über Bismarck.
Es gab eine weitere Gemeinsamkeit: Beide wären in Frankreich in jungen Jahren fast zu Tode gekommen – und wären somit später nie berühmt geworden. Bismarck hatte hier eine Liebelei mit der verheirateten russischen Gräfin Katharina von Orloff. Beide waren am Meer baden, wobei die Gräfin so weit hinausschwamm, dass Bismarck meinte, sie retten zu müssen. Während die Gräfin unbeschadet wieder an Land gelangte, geriet ihr mutiger „Retter“ selbst in Lebensgefahr, denn die Strömung trieb ihn aufs Meer hinaus. Er hatte Glück im Unglück: Ein Leuchtturmwärter zog ihn mit zwei Gehilfen aus dem Wasser. Wofür sich die Retter später nach dem verlorenen Deutsch-Französischen Krieg allerhand Spott anhören mussten.
In diesem Krieg war Theodor Fontane Berichterstatter. Er wollte 1870 bei der Gelegenheit in Domremy das Geburtshaus der Nationalheldin Jeanne d‘Arc hinter den feindlichen Linien besichtigen und geriet in die Hände von Freischärlern. Weil er einen Revolver bei sich trug, wurde er als vermeintlicher deutscher Spion verhaftet – solchen drohte die Todesstrafe. Otto von Bismarck ersuchte daraufhin den neutralen amerikanischen Gesandten in Frankreich um Intervention. Sollte dem „harmlosen Gelehrten Dr. Fontane“ irgendetwas zustoßen, drohte Bismarck mit mehrfacher Vergeltung. Fontane kam frei und wusste bis an sein Lebensende nicht, wem er dies zu verdanken hatte. Diese Geschehnisse verarbeitet er in dem Buch „Kriegsgefangen“.
Bismarck war als berühmt-berüchtigter „Eiserner Kanzler“ gewiss kein Demokrat gewesen, doch schuf er unter anderem mit seiner Sozialgesetzgebung Dinge, welche bis heute positiv nachwirken. Der einstige Kanzler verstarb am 30. Juli 1898 – auch Fontane weinte um ihn und schrieb nur einen Tag später sein berühmtes Gedicht: „Wo Bismarck liegen soll“. Er selbst starb nur sieben Wochen später am 20. September 1898 in Berlin.
Weitere kulinarische Vorträge: „Fontane und der Tote im Walzwerk“ mit Frank Goye am 7. April; „Schlemmereien des Johann Joachim Winckelmann“ am 8. Juni.