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Modehaus Hoffnung auf einen Nachfolger

Seit 1868 gibt es in der Scabellstraße ein Kaufhaus. Vor knapp 25 Jahren eröffnete Brigitta Steuer dort ihr Modehaus.

Von Andrea Schröder 08.01.2016, 00:01

Havelberg l Am 7. Mai ist es genau 25 Jahre her, dass Brigitta Steuer ihr „Modehaus Steuer“ in der Scabellstraße in Havelberg eröffnet hat. Doch selbstständig in der Modebranche tätig ist sie schon länger. Denn 1986 hatte sie ihre Boutique im brandenburgischen Bad Wilsnack eröffnet. Zuvor war sie viele Jahre als stellvertretende Direktorin und technische Leiterin im Havelberger Bekleidungswerk tätig. Nun denkt sie daran, in den Ruhestand zu gehen. Schon seit einigen Wochen kündigen Schilder am und im Geschäft den Räumungsverkauf an. Doch möchte sie ihr Geschäft erst wirklich aufgeben, wenn sich ein Nachfolger gefunden hat – möglichst jemand, der in dem traditionsreichen Haus weiterhin Mode anbietet.

Den Schritt in die Selbstständigkeit hat Brigitta Steuer vor gut 30 Jahren vor allem gewählt, um mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Für das Bekleidungswerk war sie viel unterwegs. „Wir gehörten zum Kombinat in Erfurt, Modell­abnahmen fanden in Leipzig oder Berlin statt“, erinnert sie sich an viele Dienstreisen auch zu Modemessen. „Ich wollte kürzer treten und entschied mich zu diesem Schritt.“ Doch eine Gewerbegenehmigung zu bekommen, war zu DDR-Zeiten nicht einfach. In Havelberg wurde der Antrag abgelehnt. Da lag die Idee nahe, im Nachbarbezirk nachzufragen, um im nicht weit von Havelberg entfernten Bad Wilsnack, einer Kurstadt, eine Boutique zu eröffnen. Der Bürgermeister dort unterstützte das Vorhaben. „So einfach war es auch nicht und es hat einige Zeit gedauert, aber im Juni 1986 konnte ich meine Boutique eröffnen.“

Bis zur Geschäftseröffnung arbeitete sie als Hausschneiderin. Sie nähte Brautkleider und Festbekleidung zum Beispiel auch für Jugendweihen. Für den Havelberger Chor fertigte sie Röcke an. „Manche haben sie heute noch in ihrem Schrank.“ In ihrer Boutique bot sie die selbstgeschneiderte Mode an, die sie mit bis zu zwei weiteren Schneiderinnen nähte. Anfangs war nur an einem Tag in der Woche geöffnet. Da gab es dann viele Kunden, auch Kurgäste schauten gern, was es Neues gab. Später nahm Brigitta Steuer Konfektion mit ins Angebot, das Selbstgeschneiderte reichte nicht aus. Zumal sie auch noch mit ihren Angestellten für den „Exquisit“ Kleinstaufträge erledigte. Nach einem Modellkleid musste sie den Schnittsatz selbst für die verschiedenen Konfektionsgrößen anfertigen. „Die Abnahmen beim Exquisit waren immer mit Bauchkribbeln verbunden, aber es hat keine Probleme gegeben. Alles musste natürlich irgendwie in mein Konzept passen, im Endeffekt habe ich mehr Arbeit gehabt, als ich wollte.“

Nach der Wende wollte Brigitta Steuer ihr Geschäft in Havelberg eröffnen und suchte nach einem Objekt. Das „Haus der Dame“, einstmals das 1868 gegründete „Kaufhaus Lubach“, stand zum Verkauf. „Der Bürgermeister meinte damals, wenn, dann richtig, und wir haben Ende 1990 das Haus gekauft.“ Erste Modernisierungen wurden vorgenommen, der Fußboden erneuert, einiges umgebaut. Am 7. Mai 1991 öffnete das „Modehaus Steuer“. 1996 erfolgte im Rahmen des Fassadenprogramms eine Sanierung und die Schaufensteranlage entstand neu. Inzwischen hatte Brigitta Steuer noch einen Jeans- und einen Herrenladen eröffnet. Bis zu sechs Angestellte wurden in Hochzeiten beschäftigt. Später zog die Herrenkonfektion mit ins Modehaus ein.

Zum Selbstschneidern blieb keine Zeit mehr, zumal es auch nicht mehr so gefragt war. Aber in den Anfangsjahren gab es zumindest noch die Änderungsschneiderei im Geschäft.

Nach der Wende musste man aufpassen, mit welchen Händlern man Geschäfte machte, denkt Brigitta Steuer zurück. Mobile Textilverkäufer wollten den Abkauf aus dem Auto heraus. „Doch so was wollte ich nicht. Ich bin von Anfang an zu Messen gefahren und habe mir die Markenlieferanten, die zu meinen Vorstellungen und zum Haus passen, selbst ausgesucht.“ Da sie einst auch für einen Cocktail-Modenhersteller aus Westdeutschland kleinere Aufträge geschneidert hatte, hatte sie auch Beziehungen zu Cocktailkleidern. „Ich habe immer Wert auf hochwertige Mode gelegt.“

Noch heute macht es ihr Freude, Leute einzukleiden, auch wenn sich die Bedürfnisse der Kunden geändert haben. Wurde früher oft die komplette Festgarderobe gekauft, geht es heute mehr um Einzelteile zur Ergänzung der Garderobe. „Die Mode hat sich gewandelt, aber weil in der Mode immer Bewegung ist, macht mir die Arbeit immer noch Spaß.“ Dennoch findet die Havelbergerin, dass 25 Jahre Modehaus Steuer genug sind. „Es gibt auch noch was anderes im Leben.“ Was das ist? „Einfach mal eine Fahrradtour machen, angeregt durch die vielen Radtouristen hier in der Stadt.“ Dabei kommt das Gespräch auf die Buga, die sie als schöne Erfahrung in Erinnerung behalten wird. Viele Gäste vor allem aus dem Westen Deutschlands freuten sich, noch solch ein Geschäft in einer Kleinstadt zu entdecken.

 

Damit das auch künftig so bleibt, sucht Brigitta Steuer einen Nachfolger. „Solch ein Geschäft weiterzuführen ist aus meiner Sicht ökonomisch möglich, wenn der- oder diejenige mehrere Häuser führt“, sagt die erfahrene Geschäftsfrau, die sich viele Jahre auch für die Gewerbetreibenden in der Stadt und das „Kaufhaus Stadtinsel“ engagiert hat. Häuser etwa in Stendal, Perleberg und Havelberg ließen sich von einem Inhaber gut führen. Das hätte den Vorteil, dass sich der Wareneinkauf lohnt und die Abnahmemengen der Firmen erfüllt werden könnten. Auch als Ableger des „Kaufhaus Ramelow“ in Stendal kann sie sich die Zukunft des Hauses vorstellen. Die Hoffnung, dass die Tradition als Modehaus fortgesetzt wird, will sie nicht aufgeben. Deshalb führt sie das Geschäft noch alleine mit verkürzten Öffnungszeiten weiter.

Im veränderten Kaufverhalten durch den Internetversand sieht Brigitta Steuer auch eine Chance. Das Haus, vielleicht in Verbindung mit ein, zwei anderen, weiterzuführen und selbst einen Internetversand anzubieten, sieht sie als gute Möglichkeit. „Wenn ich jünger wäre, würde ich das so machen. Das ist zwar viel Arbeit, aber bremsen können wir den Internetversand nicht. Jeder junge Unternehmer sollte sich damit befassen, dann sind auch Erfolge da.“