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Aktionstag für ein selbstbestimmtes Leben / Beeinträchtigte wünschen sich Zebrastreifen Im Rollstuhl durch Schollene: Gefährlich und beschwerlich für Behinderte und Alte

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 06.05.2013, 03:31

Wie beschwerlich und gefährlich es ist, als Rollstuhlfahrer oder Gehbehinderter durch Schollene zu fahren oder zu laufen, wurde am Sonnabend beim Aktionstag zum selbstbestimmten Leben deutlich.

Schollene l "Festhalten!" Marika Jaworsky, Leiterin des Seniorenwohnparkes, schiebt mit dem Rollstuhl los über die Straße vom Platz des Friedens zum Spar-Markt. Hoffentlich kommt kein Auto um die Ecke gerast! Dann noch einmal: "Festhalten!" und rüber über die Kante rauf auf den sicheren Gehweg. Geschafft! Das ist ein Weg, den viele Bürger tagtäglich nehmen. Die meisten von ihnen sind schnell über die Straße zwischen den zwei Kurven. Aber eben nicht alle, wie die Alten aus dem Seniorenwohnpark und die Behinderten von der Wohnanlage auf dem Mühlenberg. Deshalb hat die GIW-Wohnanlage, geleitet von Steffi Buske, auch zum Aktionstag "Selbstbestimmt leben - mit dem Rollstuhl durch Schollene" eingeladen. Gefolgt ist dieser Einladung der Seniorenwohnpark. "Viel mehr aber leider nicht", bedauert Steffi Buske. Eingeladen waren unter anderem auch Vertreter des Landesstraßenbaubetriebes, der für diese Landesstraße zuständig ist, oder vom Ordnungsamt der Verbandsgemeinde. So blieb es in der Talkrunde, die Bernd Zürcher vom Paritätischen Wohlfahrtsverband moderierte, recht einseitig. Bürgermeister Armin Wernicke hatte zu Beginn keine gute Nachricht. Denn vor zwei Wochen hatte auf Initiative von Seniorin Evelin Schneider, die mit ihrem pflegebedürftigen Mann auf dem Mühlenberg lebt und auch schon in der Volksstimme ihre Erfahrungen beim Rollstuhlschieben geschildert hat, ein Vor-Ort-Termin stattgefunden.

Zu wenige Fußgänger für einen Überweg

Und da machte der Landesbaubetrieb erneut klar, dass die Zahl der Fußgänger zu gering ist, um einen Überweg zu errichten. Dass man Schollene mit der Behindertenwohnanlage doch nicht mit anderen Orten vergleichen könne, zeigte Cäcilie Rebinski Unverständnis. "Hier leben nunmal Menschen mit vielschichtigen Behinderungen, die nicht so schnell beim Überqueren sind".

Das konnten Besucher, die nicht beeinträchtigt sind, am Sonnabend selbst testen. Nicht nur im Rollstuhl sitzend, sondern auch mit Brillen, die der Tangermünder Optiker Berner extra für den Aktionstag angefertigt hatte. Am eigenen Leib spürte man, wie eingeschränkt das Sichtfeld eines älteren Menschen ist. "Und diese kleine Kante übersieht man schnell", sagte nach dem Test Sandra Martschinkowski vom Spar-Markt. Sie und ihre Kollegin Anke Bohnet beobachten oft, wie lange manche Bürger an der Straße stehen, bis sie sich trauen, loszulaufen oder zu rollen, "leider gibt es etliche Autofahrer, die sich nicht an die vorgeschriebenen 30 km/h halten." Der Zugang zum Markt ist nicht behindertengerecht. Deshalb packen die Verkäuferinnen die gewünschten Waren zusammen, während die Kunden draußen vor der Treppe warten.

30-km/h-Zone soll verlängert werden

Neben dem fehlenden Zebrastreifen sind die zwar abgesenkten Gehwege an den Überwegen, die aber immer noch eine Kante haben, das zweite Problem. Ergo-Therapeutin Kathleen Stahlberg erklärt: "Auf dem 1,6 Kilometer langen Weg vom Mühlenberg zum Therapiehaus Am Wall müssen wir fünfmal die Straße überqueren. Es kostet unsere Bewohner Anstrengung, und es gab auch schon brenzlige Situationen, wenn Autos zu schnell waren oder auch, wenn Fahrzeuge in Einfahrten stehen. Selbstständig unterwegs zu sein und damit ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ist das Anliegen der Behinderten, was sich wegen der Wege- und Straßensituation aber nur schwer umsetzen lässt."

Der Bürgermeister erklärte während der Talkrunde an der Mühle, dass man Kompromisse eingehen muss. Beim Neubau der Straßen wurde alle behindertengerechten Normen eingehalten. "Die Kante muss sein, damit das Regenwasser abfließen kann." Ein Kompromiss, der mit dem Landesbaubetrieb ausgehandelt worden ist: Die 30-km/h-Zone wird verlängert und beginnt aus Richtung Rathenow kommend schon am Fleischer.