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in Wöplitz Ein „Altersheim“ für Pferde

Ulrike Igel-Radzinski und ihr Mann sind ausgebildete Pferdewirte. Sie betreiben eine „Seniorenresidenz“ für ausgediente Pferde.

Von Dieter Haase 06.12.2020, 10:39

Wöplitz l Derzeit sind es 22 Stuten, Hengste und Wallache (kastrierte Hengste), die in dem Dörfchen in Havelnähe „von uns ihr Gnadenbrot erhalten“, ist zu erfahren. Darunter mit Mutter „Schnee“, ihren Kindern „Schneekönig“ (ein Wallach), „Schneesturm“ (ein leider schon verstorbener Hengst), „Schneestern“ (ein Wallach), den Stuten „Schneefee“ und „Schneekönigin“ sowie Onkel „Royal Evolution“ auch eine ganze Familie. Mit „Gnadenbrot“ ist auch gemeint, dass die beiden Wöplitzer sie vor dem Schlachter bewahrt haben. Die meisten ihrer „Schützlinge“ befinden sich übrigens in einem Alter zwischen 20 und 30 Jahren.

„Unser Herz hängt an allen Tieren, die wir in Pflege haben. Sie befinden sich hier im Ruhestand und sind bei uns jetzt praktisch zu Hause. Sie sollen sich deshalb auch sehr wohl fühlen. Dafür setzen wir uns mit unserer ganzen Kraft ein“, beschreibt Ulrike Igel-Radzinski ihre und die Tierliebe ihres Mannes. Diese hat sich in Fachkreisen auch schon weit herumgesprochen, so dass die Wöplitzer immer wieder Angebote zum Kauf von aufgrund ihres Alters oder Verletzungen ausgedienten Trabern und Rennpferden erhalten. Und meistens können sie dann auch nicht „Nein“ sagen.

Stuten dürfen übrigens nicht länger als zehn Jahre und Hengste und Wallache nicht länger als 14 Jahre Rennen bestreiten. Weil das ein sehr verletzungsanfälliger Sport ist.

„Mit ausgedienten Pferden lässt sich nichts verdienen, weshalb wir Geld einsetzen, das wir hauptsächlich mit unserer Landwirtschaft erwirtschaften. Sie ist das A und O, um das hier machen zu können, um in unser gemeinsames schönes Hobby zu investieren. Mich und meinen Mann erfüllt das, das macht unser Leben zu einer runden Sache“, so Ulrike Igel-Radzinski. Die meisten Tiere können zudem ganzjährig auf der Koppel stehen, die „Senioren“ unter ihnen aber werden über den Winter jedoch eingestallt, bekommen Kraftfutter und Heu und ab und zu auch mal ein Leckerli. Möhren und Äpfel zum Beispiel. Bestimmt auch zu Weihnachten.

Nachdem Brandstifter im Sommer eine ganze Heumiete von Radzinskis in Flammen hatten aufgehen lassen, war fast der ganze Wintervorrat zunächst dahin. „Doch die Unterstützung von umliegenden Landwirten bis hin nach Garz und Vehlgast-Kümmernitz mit Futter sowie von zahlreichen Bürgern, die Geld spendeten, war einfach großartig. Ihnen allen bin ich für die Hilfe so dankbar“, berichtet die Pferdewirtin. „Und auch mein Freundeskreis stand immer hinter mir.“

Vor allem wegen der ihnen gebotenen Freiheit, die die Pferde in Wöplitz genießen, bleiben sie recht gesund. Doch andererseits kommt es natürlich auch vor, dass der Tierarzt gerufen werden muss. „Und wenn es dann einen Fall gibt, wo wir gemeinsam die Entscheidung zum Einschläfern treffen müssen, dann tut es mir auch persönlich sehr im Herzen weh“, erzählt Ulrike Igel-Radzinski. „Das ist wirklich sehr traurig, fast so, als ob man von einem Freund für immer Abschied nehmen muss.“ Auch sie könne sich dann einiger Tränen nicht erwehren, gibt sie zu.

Wenn der Tierarzt andererseits oft gefragt ist, dann betrifft es die Zähne der Pferde.

Doch wollen Radzinskis in Wöplitz nicht nur ein „Altersheim“ betreiben. „Wir bewerben unseren Hof in Fachkreisen auch als eine Pension für Pferde, nehmen also gerne auch ein Tier vorübergehend in Pflege, wenn dessen Besitzer länger nicht da ist.“