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Kaserne Schwerer Abschied für Flüchtlinge

Busse mit Flüchtlingen haben die Klietzer Kaserne verlassen, die Landeserstaufnahmeeinrichtung (LAE) ist geschlossen.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 31.05.2018, 17:50

Klietz l Es war kein leichter Abschied – weder für die Flüchtlinge noch für das Betreuerteam des DRK. „Sie sind meine Familie“, wischt sich Kenneth Aneke die Tränen vom Gesicht. Er, seine Frau Marie und die drei Töchter lebten seit vier Monaten in Klietz, „es war ein sehr gutes Zuhause“, versichert Kenneth, der in Nigeria Botschaftsangestellter war. Seine Familie hat sich nicht nur in der LAE wohl gefühlt, sondern auch in der Pfarrgemeinde Schönhausen, beim Gottesdienst sonntags war sie stets dabei. Deshalb ließ Pfarrer Ralf Euker es sich auch nicht nehmen, zum Abschied zu kommen. Der ist nicht für immer. Beim großen Altmärkischen Kirchentag wollen Anekes wieder nach Schönhausen kommen.

Während die letzten vier Familien Mittwochvormittag auf den Bus warten, der sie nach Halberstadt bringt, ist dem DRK-Team anzusehen, wie schwer allen ums Herz ist. „Wir waren wirklich eine Familie“, sagt der Verantwortliche Enrico Schmidt. Er war schon dabei, als im September 2015 die ersten Busse mit Flüchtlingen anrollten. Er dankt nicht nur seinem Team, sondern auch allen, die halfen, den Asylsuchenden ein Zuhause zu geben, sie auf das Leben in Deutschland auch mit der Sprache vorzubereiten und Kleidung, Spielzeug und anderes Nützliche spendeten. Und bei der Integration halfen. Dass das immer besser funktionierte, bestätigt der Pfarrer.

„Die Menschen in Klietz und in der Region haben Integrationskraft und Mitgefühl gezeigt. Schade, dass diese multikulturelle Zeit nun vorbei ist“, nennt er die Begegnugnscafés oder die Aktionen mit dem Klietzer Sportverein als Beispiele von gelungener Integration, „es sind richtige Freundschaften entstanden“, beweist die Umarmung mit Kenneth.

Über 700 in Deutschland Zuflucht Suchende, anfangs zumeist aus Syrien, dann auch aus aller Herrenländer, vor allem Afrika, waren im September 2015 ganz überraschend und kurzfristig in der Klietzer Kaserne am See einquartiert worden. Die Soldaten, die in den Häusern am See schliefen, wichen auf den Biwakplatz Großwudicke aus.

Nun sind die Flüchtlinge weg. Drei Busse brachte die Letzten mit Sack und Pack zur LAE nach Halberstadt, wo den besonders Schutzbedürftigen ein separates Areal eingerichtet wurde. In Klietz waren es in den letzten Monaten nur noch um die 100 Menschen untergebracht. Dass sie sich zuhause fühlten, dafür sorgte das Team vom DRK, das vom Innenministerium mit all den Aufgaben rund um die Betreuung beauftragt wurde. Das reichte von der Verpflegung (zubereitet in der Schönhauser Behindertenwerkstatt, wo auch die Wäsche gewaschen wurde) über die medizinische Versorgung und Hausmeisterdienste bis hin zum Fahrdienst und der gesamten sozialen Betreuung.

„So ein hochmotiviertes Team habe ich bislang nicht erlebt“, bescheinigt der LAE-Leiter Martin Krause den DRK-Mitarbeitern beste Arbeit. „Man spürte täglich, dass ihnen die Arbeit Freude macht, sie waren mit ganzem Herzen dabei. Treibender Initiator dabei war Enrico Schmidt. Er hat sich, wie seine Kollegen auch, voll rein gekniet und weit mehr gemacht als gefordert.“ Martin Krause nennt die Einrichtung einer Holzwerkstatt und die liebevoll eingerichteten „Kindergärten“ für die vielen Mädchen und Jungen als Beispiele.

Ein Monat Zeit bleibt nun, die Kaserne zu räumen, dann wird sie der Bundeswehr zurückgegeben. Viele Mitarbeiter auch vom Landkreis sind bereits an ihre eigentlichen Arbeitsplätze zurückgekehrt. 2015 stellte das DRK etliche neue Mitarbeiter befristet ein. Mit sinkender Belegung in der Kaserne wurden diese befristeten Verträge wieder aufgelöst. „Einigen konnten wir aber Stellen bei uns anbieten“, erklärt Frank Latuske vom DRK-Kreisverband.

Beim Abschied flossen Tränen. Denn die Betreuer wissen, dass die Bedingungen in Halberstadt längst nicht so ideal wie in der Kaserne am See sein werden. Sie wünschen sich, dass es ihren Schützlingen gut geht und sie ein gutes Zuhause in Deutschland finden.