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  7. Landwarenhaus: Kunden stehen Schlange nach Handtüchern, Bettwäsche und Feuerwerk

Ehemalige Verkäuferinnen erinnern sich an die Zeit hinterm Ladentisch, an den ambulanten Handel und Modenschauen Landwarenhaus: Kunden stehen Schlange nach Handtüchern, Bettwäsche und Feuerwerk

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 18.10.2012, 03:15

Auf einem "Foto von damals" ist das Landwarenhaus in der Schönhauser Fontanestraße zu sehen. Die Verkäuferinnen Elle Klatt, Helga Götze und Christa Bäbenroth erzählen, wie es damals war, als die Menschen Schlange standen nach Handtüchern, Bettwäsche und Fernsehern.

Schönhausen l Wo heute in der oberen Etage noch der Sitz der Verwaltung der Verbandsgemeinde ist und sich im Erdgeschoss das Schreibwarengeschäft von Holger Borowski sowie die Allianz-Versicherung eingemietet haben, gingen einst Textilien, Schuhe, Mixer, Töpfe, Schreibhefte, Tapeten, Teppiche, Radios oder Gardinen über den Ladentisch. Das große Sortiment lockte Kunden nicht nur aus Schönhausen und den Dörfern der Umgebung an, "es gab auch viele Durchreisende auf dem Weg an die Ostsee, die zu unseren Stammkunden gehörten", berichtet Elle Klatt. Sie gehörte zusammen mit Helga Götze zum Team der Verkäuferinnen, die schon im alten Landwarenhaus tätig waren.

Denn bevor das Geschäft 1965 in der Fontanestraße eröffnete, befand sich das Landwarenhaus in der Schulstraße, letzter Inhaber war Familie Bruno Elling, jetzt steht das Haus leer zum Verkauf. "Die Eröffnung muss 1954 gewesen sein", kramt Helga Götze in ihren Erinnerungen. 1957 hatte sie selbst eine Lehre als Textilfachverkäuferin in diesem Haus begonnen, schon ein Jahr zuvor stand Elle Klatt (geborene Karallus) hier hinter dem Ladentisch. Doch der Platz reichte nicht mehr aus, so dass der Konsum 1965 das neue Haus in der Fontanestraße errichtete, in das alte Gebäude zog die Fleischerei unter langjähriger Leitung von Ingrid Henning ein.

Freitags wurden Hähnchen vom Fleischer geholt

Erster Verkaufsstellenleiter war ein Herr Museal, dann trug Hans Grötzel aus Neuermark-Lübars mehrere Jahre die Verantwortung. "Wir waren immer um die fünf Verkäuferinnen", erzählt Christa Bäbenroth, die ab 1973 mit zum Team gehörte. Namen wie Bärbel Gerstmann, Elke Mundil, Ruth Krüger, Erni Linke, Lotte Dorsch, Lotti Hoff, Lotti Bos, Hedwig Voigt, Inge Ludwiki, Gerlinde Elling, Regina Runge, Ronald Freund, Ulla Könnecke, Ernst Picht, Inge Köppen, Siegfried Grunwald, Gerd und Elli Schermann, Ruth Krüger und Maria Heinrich fallen bei der Aufzählung der Verkäuferinnen und Verkaufsstellenleiter im alten und neuen Landwarenhaus. "Egal wer - wir waren immer ein tolles Team. Oft haben wir zusammen gefeiert oder Ausflüge in den Berliner Zoo, in den Harz oder ins Stendaler Theater unternommen, jeden Freitag haben wir uns Hähnchen vom Fleischer geholt - das alles bleibt unvergessen."

Vieles war Mangelware - Kampf um jeden Posten

Unvergessen ist aber auch die eigentliche Arbeit im Landwarenhaus, in dem es alles gab. Textilien, Gardinen, Fußbodenbeläge, Kurzwaren, Töpfe, Elektrogeräte, Porzellan, Schuhe, Radios, Fahrräder und sogar - mit ein bisschen Glück und Geduld - Mopeds, Motorräder und Farbfernseher. "Unsere Regale waren immer voll", erzählt Helga Götze. Zusammen mit Elle Klatt ist sie zur sogenannten Submission in die Hyperschale nach Magdeburg gefahren. Hier wurden die Waren an die Verkaufsstellen aufgeteilt. "Wir gehörten ja zu den Kleinsten und mussten um jeden Posten kämpfen. Aber oft waren wir erfolgreich und bekamen auch Dinge geliefert, die zu DDR-Zeiten zur Mangelware gehörten." Die Verkäuferinnen erinnern sich, wie die Kunden Schlange standen bis raus auf die Straße, wenn es Handtücher oder Bettwäsche gab. "Auch wenn es nur auf Zuteilung eine kleine Menge gab, bekamen die Letzten nichts mehr ab und waren verständlicherweise enttäuscht. Wir mussten so manches Mal mit dem Kopf schütteln, wenn die Kunden nach Waschmaschine, Jenaer Glas, Steingut oder einer ,Schwalbe\' fragten. Angenehm war das nicht."

Eine lange Schlange bildete sich auch Silvester vor dem Landwarenhaus. Dann nämlich gab es Knaller und Raketen, "die Polizei war vor Ort und hat kontrolliert, ob auch jeder nur das bekam, was per Zuteilung erlaubt war".

Auch wenn es viele Dinge nicht gab und gerade die Bekleidung längst nicht so modisch war wie die in Zeitschriften oder im Westfernsehen, "die Qualität hat gestimmt. Ich nutze heute noch die Handtücher von damals und auch die Bettwäsche", findet Helga Götze zustimmendes Nicken bei ihren ehemaligen Kolleginnen. "Was man heute zu kaufen bekommt, hält auch nur von heute bis morgen. Und die Geschirrtücher von damals trocknen wenigstens noch richtig ab!"

Schleppen der Ware war Knochenarbeit

Zu den weniger schönen Erinnerungen gehört die teilweise schwere körperliche Arbeit. Denn die Frauen mussten beispielsweise die angelieferte Ware in großen Kisten ins Lager schleppen, "vor allem die Tapeten oder Geschirr waren ordentlich schwer".

Und auch das Zurechtschneiden von Fußbodenbelägen war Knochenarbeit. "Manchmal haben wir das hinten auf dem Hof gemacht, wenn die Stücke so groß waren. Und wir fragten die Kunden, ob sie helfen können - das war gar kein Problem und für die meisten eine Selbstverständlichkeit. Natürlich waren wir dann auch beim Transport bis zum Auto auf dem Parkplatz behilflich."

1995 zieht die Verwaltung in das alte Gebäude

Nicht nur im Landwarenhaus haben die Verkäuferinnen hinter dem Ladentisch gestanden, sondern es gab auch einen ambulanten Handel. "Anfangs sind wir mit einem Wagen von Ort zu Ort gefahren. Später dann haben wir zwei- bis dreimal pro Jahr in Kulturräumen oder Gaststätten unsere Stände aufgebaut und zumeist Schuhe und Bekleidung verkauft. Da ist bei den Dorfbewohnern sehr gut angekommen. Im Saal der Schönhauser ,Einheit\' gab es mehrmals pro Jahr eine Möbelmesse. Da war richtig was los und am Ende des Tages war alles verkauft. Schon damals konnte man die Möbel auf Teilzahlung erwerben", erinnert sich Elle Klatt.

Mit der Wende endete auch die Ära des Schönhauser Landwarenhauses. Die Umsätze gingen immer weiter zurück und der Konsum hat das Landwarenhaus geschlossen. Kurze Zeit war es dann noch Lebensmittelverkaufsstelle, bis der NP-Markt eröffnete. 1995 ist die Verwaltung der Verwaltungsgemeinschaft Schönhausen hier in die obere Etage eingezogen, die zuvor Büros im Rathaus und in der Fontanestraße 36 hatte. Inzwischen ist daraus erst die Verwaltungsgemeinschaft und dann die Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land geworden. Ebenerdig befinden sich das Schreibwarengeschäft von Holger Borowski und die Allianz-Vertretung von Norbert Hasenöhrl. Die Verwaltung zieht im Dezember in ihr neues Domizil im Bürgerzentrum. Was dann aus den Büros wird, kann Vario-Kauf als Nachfolger des Konsums noch nicht sagen.