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Ornithologie Schutzgebiete sind für Vögel dringend nötig

Dass viele Vogelarten dramatisch auf dem Rückzug sind, besorgt den Ornithologen Manfred Kuhnert aus Wulkau.

Von Ingo Freihorst 03.01.2018, 00:01

Wulkau l In den vergangenen Woche wurde nicht nur im Elbe-Havel-Land oftmals recht kontrovers über das geplante Natura-2000-Schutzgebiet diskutiert. Es ist ja nicht so, dass das Natura-2000-Schutzgebiet an Elbe und Havel ausgewiesen werden soll, um die Anwohner zu verärgern. Die bislang im Land bestehenden Schutzgebiete reichen nicht aus, den dramatischen Artenschwund unter Insekten und Singvögeln zu stoppen. Deshalb müssen nun weitere her.

„In unserer Elb-Havel-Region befinden sich im Gegensatz zu anderen Gebieten noch recht viele Vogelarten, doch auch hier nahmen die Bestände in den letzten Jahren teils massiv ab“, berichtet der Wulkauer. Als Beispiel nennt er die Rebhühner, von denen bis zur Wende um Wulkau 30 bis 40 Brutpaare existierten. Jetzt wurde um Wulkau wie um Schönfeld und Schönhausen jeweils nur noch ein Volk gesichtet. Ein Volk bedeutet hier eine Familie.

Bei den Rebhühnern dürfte der Grund für den Rückgang klar sein: In der DDR wurde der Boden von den Bauern maschinell gehackt, jetzt wird das Unkraut großflächig mit Gift bekämpft. Unter den Nutzpflanzen wächst nichts mehr, die fehlenden Wildkräuter setzen auch Hasen und Rehen zu. Auch auf den Weiden gedeihen fast nur noch jene Kräuter, welche landwirtschaftlich verwertet werden können. Ackerraine oder Grabenkanten existieren kaum noch, alles wird gemäht oder umgepflügt. Rebhühner können hier ebenso wenig überleben wie Insekten. Weil ihnen Verstecke fehlen, sind die Rebhühner leichte Beute für Fressfeinde wie Mink oder Waschbär.

Artenreich sind nur noch die Elbwiesen, denn wegen der regelmäßigen Überflutungen sind sie für die Landwirtschaft unattraktiv, auch haben die hier wachsenden Pflanzen nur einen geringen Futterwert. Deshalb bilden diese Wiesen an den Gewässern die einzigen Rückzugsgebiete für viele Vogelarten. Sie als Schutzgebiet auszuweisen, sei für den Erhalt dieser Arten äußerst wichtig, findet Manfred Kuhnert.

Eigentlich sei schon jetzt dort so manches verboten: Röhricht darf nicht zerstört werden, Abfälle nicht zurückgelassen werden, tabu sei zudem vorrätiges Anfüttern beim Angeln, nennt er Beispiele. Ein Problem sieht auch er in der Nutzung öffentlicher Wege, denn diese gibt es hier nicht. Die ursprünglich geplante und inzwischen gekippte Regelung, wonach an der Elbe nur alle 500 Meter geangelt werden darf, sei unpraktikabel. Besser wäre, sensible Bereiche herauszunehmen, Angeln sollte an den Zufahrten gestattet sein.

Ein großes Problem haben die Vögel an den Gewässern: Es ist auch der Lebensraum von Mink und Waschbär. Und diese Prädatoren halten sich nicht an Schutzgebietsverordnungen. „Ohne Jagd geht es in den Schutzgebieten gar nicht“, ist der Ornithologe, der selbst auch Waidmann ist, überzeugt. Nötig wäre aus seiner Sicht, die aufwendige Fallenjagd mit Prämien zu unterstützen – was viele Jagdgenossenschaften schon so handhaben.

Eine Lebendfalle kostet um die 120 Euro, vier bis fünf braucht ein Jäger davon. Sie müssen täglich kontrolliert und mit neuen Ködern versorgt werden. Dass man die gefangenen und erlegten Tiere einen Meter tief vergraben muss, findet Manfred Kuhnert unsinnig. Das Aas könnte anderen Beutegreifern als Nahrung dienen, sie würden dann keine Vögel fressen. Die Kugel geht durch den Körper hindurch, eine Bleivergiftung beispielsweise beim Seeadler sei somit ausgeschlossen.

Ohne eine intensive Bejagung dieser Einwanderer, welche hier keine natürlichen Feinde haben, wird ansonsten der ganze vom Menschen ersonnene Schutz sinnlos. Bestes Beispiel dafür ist der Schollener See, welcher seit vielen Jahrzehnten unter strengem Naturschutz steht. Seine Lachmöwenkolonie ist „dank“ des Minks erloschen. Im Blutrausch beißt solch schwarzer Räuber alles tot, was ihm vor die Zähne kommt. Über 100 tote Küken wurden nach einem solchen Gemetzel gefunden.

Wildkameras hatten es bewiesen: Im Stremel überlebten junge Lachmöwen nur auf den künstlichen Inseln, welche eigentlich für die Flussseeschwalben ausgebracht wurden. Alle anderen Küken wurden noch am Schlupftag vom Waschbären gefressen.

Die Rohrdommel erstarrt beispielsweise bei Gefahr – das macht sich der Mink zunutze, er hat so leichtes Spiel. Solche Schilf- und Uferbewohner wie die Rohrdommel nahmen in den letzten Jahren um bis zu 90 Prozent ab. Mink und Waschbär sind nachtaktiv, die meisten Vögel sind nachtblind und ihnen somit schutzlos ausgeliefert. Kampfläufer gibt es in der Elb-Havel-Region gar keine mehr, Rotschenkel und Bekassine sind fast ausgestorben, von der Uferschnepfe existiert nur noch ein Brutpaar.

„Aus meiner Erfahrung heraus ist der Waschbär gefährlicher als der Mink, da er nicht nur schwimmt und taucht sondern auch klettern kann“, berichtet der Wulkauer. Zudem sei der Kleinbär ein Allesfresser, das Futter würde ihm nie ausgehen. Im Stremel hatte Manfred Kuhnert zwei junge Seeadler im Nest beobachtet – kurz danach schaute dort ein Waschbär heraus. Auch Mäusebussarde leiden unter dem Räuber.

Zum Glück sind nicht alle Vogelarten auf dem Rückzug. Solche Arten wie Seeadler oder Kranich, welche schon lange geschützt werden, haben sich gut erholt. Um Havelberg lebt der größte Bestand an Trauerseeschwalben in Deutschland und im Trübengraben gibt es noch etliche Eisvögel.