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Praxis in Sandau Tierärztin auf dem Land

Gerade fertig mit dem Studium, verstärkt Frederike Dreßler aus Breddin das Team der Sandauer Tierarztpraxis Leue.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 30.09.2017, 01:01

Sandau/Schönhausen l Mit einem Pieks in den Hals schickt Frederike Dreßler fünf Kälbchen in den Schlaf. Sie sollen schließlich nicht mitbekommen, wenn sie enthornt werden. Früher hat man das ohne Betäubung gemacht – schön war das sicher nicht. Ein zusätzlich gespritztes Mittel lässt die Tiere, wenn sie nach einer Stunde wieder zu sich kommen, keine Schmerzen spüren. Das Enthornen ist nötig. Denn schnell könnte es passieren, dass sich die Kühe gegenseitig verletzen.

Die Vorbereitung zum Enthornen, das der Landwirt selbst durchführt, ist nicht die einzige Arbeit, die Frederike Dreßler und Dr. Christian Leue an diesem Tag auf dem Hof der Nebeling/Albrecht GbR in Klitsche verrichten. „Wir gehen jetzt zur TU“, streift sich die Tierärtin den langen Handschuh über den Arm. TU steht für Trächtigkeits-Untersuchung. Eine der häufigsten Tätigkeiten, die in den Kuhställen vorgenommen werden.

Inzwischen sind die Handgriffe der jungen Frau gekonnt. Schnell ertastet sie, ob die Kuh trächtig ist. Seit April ist Frederike Dreßler in der Tierarztpraxis angestellt. Sieben Jahre Studium liegen hinter ihr. Je ein Jahr Pause für die jetzt drei und sechs Jahre alten Kinder hat sie eingeschoben. „Dann ist es aber auch Zeit geworden, endlich zu arbeiten“, ist die 27-Jährige froh, nun keine Bücher mehr wälzen zu müssen.

An der Freien Universität in Berlin hat sie studiert. „Ganz sicher, was ich werden wolle, war ich mir nach dem Abi nicht. Auch Chemie hatte mich gereizt. Aber das wäre mir zu wenig Abwechslung gewesen.“ Was sie als Tierärztin erwartet, konnte sie sich gut vorstellen. In Rhinow bei Rathenow auf einem Hof mit Tieren aufgewachsen, hörte sie schon als Kind immer gespannt zu, was ihre Mutti erzählte. Denn sie arbeitete beim Tierarzt – da gab es viele rührende Geschichten.

Als die frischgebackene Abiturientin 2009 mit dem Tiermedizin-Studium beginnt, war zunächst erst einmal viel Theorie zu pauken. Aber mehr und mehr kam beim Durchlaufen der vielen Bereiche der Uni-Klinik praktische Tätigkeit dazu. Und Frederike Dreßler stellt fest, dass sie sich im Gegensatz zu den vielen – zumeist weiblichen Kommilitoninnen – nicht ausschließlich für Kleintiere wie Hund, Katze, Maus interessiert, sondern auch für Großtiere. „Ja, das ist nicht so romantisch wie man das so kennt. Aber Kühe, Pferde und eben alle großen Tiere liegen mir .“

Für das große Praktikum Anfang 2016 bewirbt sie sich deshalb auch in der Sandauer Praxis Dr. Leue. Diese hat Christian Leue 2012 von seinem Vater Friedrich übernommen. Der arbeitet jetzt, mit 70 Jahren, auch immer noch für ein paar Stunden in der Woche mit. Christian Leue studierte von 1993 bis 1999 in Leipzig Tiermedizin – etwas anderes kam für ihn nicht in Frage! Auch seine Frau ist Tierärztin: Dr. Andrea Leue kümmert sich in der Praxis am Sandauer Ortsrand, 2012 neu gebaut, um die Kleintiere.

Das Territorium, auf dem Dr. Christian Leue unterwegs ist, erstreckt sich über das Elbe-Havel-Land hinaus bis ins Jerichower Land und auch den Rathenower Bereich.

So ist die zweite Station des Tages der Gnadenhof des Vereins „Himmelreich“ in Schlagenthin. Rund 50 Tiere werden hier betreut. Esel „Milli“ hat ein Gewächs am Bein. Nichts Dramatisches, „aber wir müssen diese Warze entfernen und zur Sicherheit auch ins Labor einschicken, um einen Tumor auszuschließen“, sagt der Tierarzt. Milli bekommt erst einmal eine Beruhigungsspritze. Denn sie muss still stehen, wenn am Bein geschnitten wird. Frederike Dreßler rasiert zunächst das Fell an der zu behandelnden Stelle. Dann wird das Skalpell angesetzt – ab ist die Warze! Mit dem Hautklammergerät wird die Wunde verschlossen. Fertig. Die Mitarbeiterinnen des Gnadenhofes sind erleichtert, dass alles so schnell ging. Und Christian Leue ist zuversichtlich, dass es sich um eine harmlose Warze handelt, „in zwei Wochen sind wir schlauer, dann liegen die Ergebnisse vor“. Vor der Abfahrt gibt es noch zweimal Entwurmung für die Pferde. Und dann steuert das Tierarztteam den nächsten Hof an. Immer sind die beiden nicht zusammen unterwegs. „Es war ja erst einmal wichtig, dass meine Kunden Frederike Dreßler kennenlernen und sehen, dass sie Vertrauen haben können“, ist Christian Leue vollends zufrieden mit der Arbeit, die die junge Tierärztin leistet. Dafür ist sie „unglaublich dankbar! Ich freue mich sehr, hier diese Chance zu bekommen. Ich kann in der Praxis und auf den Höfen so viel kennenlernen. Und ich merke jeden Tag mehr, dass es genau die richtige Entscheidung war.Auch wenn 90 Prozent der Arbeit eines Arztes für Großtiere sicher Routine ist, so ist das ja nun mal nötig. Und genug Abwechslung gibt es allemal.“

So wie auf dem Pferdehof in Bützer. Hier besteht der Verdacht, dass ein Wallach eine Hormonstörung hat, die behandelt werden muss. Um die vermutete Diagnose zu bestätigen, nimmt Frederike Dreßler dem Tier Blut ab. Ruhig, aber bestimmt geht sie vor; das Pferd hält still – als ahne es, dass ihm geholfen wird.

Weiter geht es nach Sydow. Dort möchte Dietmar Schwarzlose für das am 12. April geborene Fohlen von „Goldi“, das den Namen „Grazia“ trägt, einen Pass für das Fohlen ausstellen und es chippen lassen. Auch das ist schon Routine für die junge Tierärztin. Auch wenn „Grazia“ etwas ungestüm ist, steht sie im entscheidenden Moment still und der Chip sitzt sicher dort, wo er hingehört. So kann jederzeit mit einem Lesegerät festgestellt werden, um welches Tier es sich handelt.

Noch zwei weitere Kuhställe werden an diesem Tag angefahren: „TU“ steht hier an. Zu zweit haben Christian Leue und Frederike Dreßler die Arbeit zügig erledigt und es geht zurück nach Sandau.

Am nächsten Tag sind sie dann wieder getrennt unterwegs. Der Plan, welcher Stall wann angefahren wird, steht. Aber wenn das Telefon klingelt und ein Notfall dazwischen kommt, wird sofort umdisponiert. „Genau das ist das Abwechslungsreiche und Spannende, was die Arbeit eines Tierarztes ausmacht.“ Und abends, zu Hause auf ihrem eigenen kleinen Bauernhof mit zwei Hunden und drei Katzen, hat sie ihren Kindern genug zu erzählen. Von Esel Milli beispielsweise...