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Sommerschule "Frühlingserwachen" im Barackentheater

Stehende Ovationen belohnen alljährlich das Wuster Sommerschultheater. Auch die 25. Inszenierung verspricht ein einzigartiges Erlebnis.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 28.07.2016, 14:37

Wust l Sie sind mehr als Teampartner beim Wuster Sommerschultheater. Regisseur Arthur Shettle aus New York, Laienschauspieler Enrico Reumann aus Wust und der Randberliner Ton- und Lichttechniker Bodo Strecke sind im Laufe der Sommerschuljahre Freunde geworden. Jeder weiß, wie der andere tickt, schätzt die Professionalität auf der einen und die Leichtigkeit auf der anderen Seite, mit der am Ende der vier Sommerschulwochen ein Theater auf die Barackenbühne gezaubert wird, das seinesgleichen in Deutschland sucht.

Während sich die dritte Woche der 26. Wuster Sommerschule dem Ende neigt, nimmt das 25. Theaterstück Konturen an. Arthur Shettle hat das Ende des 19. Jahrhunderts von Frank Wedekind geschriebene „Frühlingserwachen“ so umgeschrieben, dass es zu Wust, zur Bühne, zu den Laiendarstellern und den Zuschauern passt, wie immer zweisprachig. Es geht um das Erwachsenwerden und die damit verbundenen Probleme mit Sexualität, Konflikte mit Eltern und Obrigkeiten und das Finden der eigenen Identität.

Enrico Reumann verkörpert gleich zwei Figuren. Jeden Abend probt er mit den anderen Darstellern bis Mitternacht. Jetzt hat der Versicherungsvertreter eine Woche Urlaub, „da kann ich mich dann ganz intensiv vorbereiten“. Für den 39-Jährigen ist „Frühlingserwachen“ ein Jubiläum. Seit der allerersten Aufführung, „Pygmalion“ ist er dabei. Gerade mal 15 Jahre war er, als er als Liebhaber von Eliza Doolittle auf der Bühne stand. „Ich wollte immer Schauspieler werden. Als bei der zweiten Sommerschule im Speisesaal die Cast-List ausgehängt wurde, auf der sich jeder eintragen konnte, der mitmachen wollte, habe ich mich als Erster eingetragen.“

Und tatsächlich war Arthur Shettle, von der Sommerschul-Initiatorin Maria von Katte für das Theater gewonnen, beim Casting von der ersten Minute an begeistert: „Enrico hatte sofort Präsenz und eine sehr erwachsene Erscheinung, dazu eine tolle Stimme, Energie und Talent zum Improvisieren. Er war und ist bis heute der perfekte Schauspieler, den ich gebraucht habe.“ Seitdem gehört Enrico Reumann für den Regisseur, der sein 14. Theaterstück in Wust inszeniert, zum festen Team. „Keine Inszenierung ohne ihn! Wenn ich im Winter zu Hause in New York überlege, welches Stück wir als nächstes spielen könnten, habe ich Enrico vor Augen und welche Rolle zu ihm passen könnte“. 74mal hat Enrico Reumann inzwischen auf der Barackenbühne gestanden.

Eine der zahlreichen Hauptrollen hervorzuheben, fällt dem Wuster schwer. „Jedes Stück war einzigartig.“ Es sind internationale Klassiker, die das Publikum in Wust erleben darf: Faust II, Romeo und Julia, Dreigroschenoper, Der gestiefelte Kater, Cabaret, Der Kirschgarten, Der Besuch der alten Dame oder West Side Story.

„Es gibt nichts vergleichbares auf der Welt“, ist Arthur Shettle überzeugt von dem, was in Wust passiert. „Ein Theaterstück in nur dreieinhalb Wochen mit Laien auf die Bühne zu bringen, dazu ein kleines Budget und diese Baracke – einfach einzigartig! Und doch braucht sich das Wuster Sommerschultheater nicht vor großen Häusern zu verstecken. Während andernorts immer viel nachgedacht wird, haben wir den Mut, es einfach zu machen. Und das ist am Ende genauso perfekt!“ Der Amerikaner genießt die künstlerische Freiheit in Wust, „sie bereichert meine Arbeit in New York“.

Auch, weil er neben Enrico Reumann einen zweiten Partner an seiner Seite weiß, der ebenso professionell und leidenschaftlich arbeitet: Bodo Strecke. Er ist zum 16. Mal in Wust dabei, kennt die schwierigen Bedingungen in der alten Baracke und schafft es jedes Jahr aufs Neue, die Schauspieler ins rechte Licht zu rücken und für den perfekten Ton zu sorgen. Und mehr noch. Auch er macht mehr als das, was eigentlich seine Passion ist. So sind „Die Drei“ losgezogen, um für das Bühnenbild drei große alte Fenster aus Reumanns Scheune zu holen. Auch Bodo Strecke hat längst das Wust-Fieber gepackt:

„Es ist sehr reizvoll, hier zu arbeiten. Die Inszenierungen sind von hoher Qualität. Es ist spannend, die spezielle Herangehensweise des Regisseurs zu erleben. Und ich kann eigene Ideen einbringen. Eigentlich bin ich Theater-Tontechniker, aber hier in Wust auch für das Licht verantwortlich. Zur Premiere das Endergebnis der dreieinhalb Wochen intensiver Arbeit zu sehen, ist immer wieder ein Hochgefühl!“

Ein Hochgefühl für alle drei Profis und den Rest des Theaterteams. Auch dieses Jahr stehen wieder 15 Akteure – Sommerschüler und Dozenten – auf der Bühne, spielen, singen, tanzen, musizieren. Nicht nur die Texte stammen aus der Feder von Arthur Shettle, sondern auch die Lieder. Er ist wenige Tage vor der Premiere voller Vorfreude, Aufregung und doch Entspannung: „Ich könnte trotz der nicht einfachen Bedingungen immer hier in Wust arbeiten.“

 

Aufgeführt wird „Frühlingserwachen“ am 4., 5. und 6. August ab 19.30 Uhr in der Baracke am Sportplatz. Der Eintritt kostet 7 Euro.