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Redaktion erhielt Teile einer Originalausgabe des "Havelberger Tageblattes" vom 12. Januar 1912 Vor 100 Jahren verbot Polizei das Rodeln von Anhöhen an öffentlichen Straßen

12.01.2012, 04:20

Teile einer 100 Jahre alten Zeitung hat uns dieser Tage ein Leser aus Kamern gebracht. Es ist die Ausgabe vom 12. Januar 1912 des "Havelberger Tageblattes". Welche Nachrichten gab es damals?

Von Thomas Butzek

Havelberg l Heute vor 100 Jahren gab es noch keine Volksstimme in der Domstadt. Die Tageszeitung für Havelberg war zu dieser Zeit das "Havelberger Tageblatt". Es ging aus dem "Havelberger Wochenblatt" hervor. Die erste Zeitung der Region erschien erstmals am 8. Oktober 1825, bestand nur aus einer Seite und war ein handgeschriebenes Anzeigenblatt als Zeitung. Für 1,20 Mark im Vierteljahr bekamen die Domstädter das "Havelberger Tageblatt" durch den Postboten zugestellt. Dazu gab es eine illustrierte Sonntagsbeilage und wöchentlich einen Landwirtschaftlichen Ratgeber sowie eine "Humoristische Beilage".

Vor einigen Tagen erhielt die Redaktion Teile des 100 Jahre alten Blattes vom Freitag, dem 12. Januar 1912. Ein Leser aus Kamern hatte dieses historische Dokument gefunden. Wir nahmen dies als Grund, einmal zu schauen, welche Nachrichten vor 100 Jahren wichtig waren und versuchten, Texte in dem schon stark lädierten Zeitdokument zu lesen. Hilfe gab es im Prignitz-Museum, wo fast alle Ausgaben gebunden im Archiv stehen.

Das Jahr 1912 war vor allem durch die wachsende Konfliktsituation in Europa geprägt, die zwei Jahre später in den Ersten Weltkrieg mündete. Die Bevölkerung litt unter den steigenden Lebensmittelpreisen.

Am 12. Januar 1912 fand die Wahl zum 13. Deutschen Reichstag statt. Es war die letzte Wahl im Deutschen Kaiserreich überhaupt.

So stand auch im "Havelberger Tageblatt" die Weltpolitik im Mittelpunkt. Die Aufrüstung der europäischen Staaten bewegte die Gemüter und so wurde an diesem Tag auf der Titelseite vermeldet, dass Nachforschungen des österreichischen Kriegsministers ergeben haben, dass England und Frankreich am stärksten aufrüsten und Deutschland und Österreich im Ländervergleich den geringsten Anteil des Staatshaushaltes für Militärausgaben aufwenden. Dadurch sei bewiesen, dass das Märchen von dem ewig kriegslüsternen und zum Kriege rüstenden Deutschland nur erfunden ist.

Regional war der Ausbau des "Telegrafennetzes" ein großes Thema. Fast könnte man Parallelen zum heutigen Ausbau des schnellen Internets in den ländlichen Regionen ziehen.

Auch direkt für Havelberg konnten einige Meldungen in der stark verschlissenen Ausgabe des Tageblattes entziffert werden. So rief die ortsansässige Gas- und Wasserwerks Deputation die Havelberger auf, die Hausanschlüsse der Wasserleitungen schnee- und eisfrei zu halten.

Auch die Havelberger Polizeiverwaltung nahm sich das damalige Winterwetter zum Anlass, um den Kindern unter Strafandrohung das Rodeln an öffentlichen Straßen zu vermiesen. Hier der originale Wortlaut: "Warnung: Das Schlittenfahren der Kinder von den an öffentlichen Straßen gelegenen Anhöhen, sowie in den abschüssigen Straßen und Wegen der Anlagen hiesiger Stadt ist verboten. Zuwiderhandelnde haben auf Grund der §§ 30 und 69 der Polizeiverordnung vom 1. Oktober 1902 ihre Bestrafung zu erwarten. Die Polizeiverwaltung"

Auch das Militär in Havelberg wurde in dieser Ausgabe behandelt, denn auch vor 100 Jahren wurden junge Männer zum Wehrdienst einberufen. Doch bekamen die Wehrpflichtigen keinen Bescheid, sondern mussten sich nach der amtlichen Bekanntmachung in der Zeitung zur Eintragung in die Rekrutierungs-Stammrolle beim Stadtsekretär einfinden und über ihre Militärverhältnisse Auskunft erteilen.

Auch Anzeigen und Ankündigungen gab es in der Zeitung. So wurde öffentlich zum Bockbierfest mit Konzert und Tanzkränzchen nach Müggenbusch geladen und der Bildungsverein bot einen Vortrag über die Mark Brandenburg an. Eintritt: 40 Pfennig. Auch Sterbeanzeigen wurden 1912 veröffentlicht. Beispielsweise betrauerte Familie Krause aus Havelberg den Verlust ihrer siebenjährigen Tochter Erna.