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Fast 28 Jahre lang war der gebürtige Schönhauser als Kanzler im Amt Vor 150 Jahren wurde Otto von Bismarck preußischer Ministerpräsident

Von Thomas Roloff 22.09.2012, 03:22

Schönhausen l Am heutigen Sonnabend jährt es sich zum 150. Mal, dass der in Schönhausen geborene Otto von Bismarck durch König Wilhelm I. zum preußischen Staatsminister und wenig später zum Ministerpräsidenten ernannt worden ist.

Die Berufung erfolgte auf dem Höhepunkt des Verfassungskonflikts, der zwischen dem Monarchen und dem Abgeordnetenhaus hinsichtlich der Herrschaft über die Armee des Landes ausgebrochen war. Das durch die Liberalen dominierte Parlament machte dem König seinen Einfluss auf das Militär streitig. Wilhelm I. konnte diesen Eingriff in sein Selbstverständnis als König von Preußen auf gar keinen Fall hinnehmen und war deshalb bereit abzudanken. Seine Vertrauten empfahlen ihm die Ernennung Bismarcks, der Botschafter in Paris war und dort ungeduldig auf eine Entscheidung wartete.

Die Mutter des Diplomaten, die bereits 1839 verstorbene und im Turm der Kirche zu Schönhausen beigesetzte Louise Wilhelmine von Bismarck, war eine geborene Menken. Sie war in höfischer Umgebung aufgewachsen und Spiel- und Jugendgefährtin der Prinzen Friedrich Wilhelm und Wilhelm, die als Brüder nacheinander Könige werden sollten.

Vielleicht war es auch diese Erinnerung, die Wilhelm beim legendären Spaziergang durch den Park seines Sommerschlosses auf dem Babelsberg in Potsdam, der der Ernennung zum Ministerpräsidenten und Außenminister voranging, zu Otto von Bismarck Vertrauen fassen ließ, als dieser ihn seiner Vasallentreue versicherte. "In dieser Lage werde ich lieber mit dem König untergehen, als Eure Majestät im Kampfe mit der Parlamentsherrschaft im Stiche lassen." So sprach Bismarck zum König.

Auf dem Weg zur Einheit

Es begann mit diesem Tage ein beispielloser Aufstieg Preußens und Deutschlands, und auch wenn Bismarck sich an seinem König noch oft geärgert hat, das in ihn gesetzte Vertrauen enttäuschte er nie. Durch drei klug und maßvoll geführte Kriege ebnete Bismarck den Weg zur preußischen Vorherrschaft in Deutschland und zur Deutschen Einheit. 1864 besiegten Österreich und Preußen noch gemeinsam Dänemark und sicherten damit die Zugehörigkeit Schleswig-Holsteins zu Deutschland. Im deutsch-deutschen Bruderkrieg wurde Österreich 1866 aus dem Deutschen Bund herausgedrängt und ein Norddeutscher Bund unter Preußens Führung geschaffen. 1870/71 wehrten sich die verbündeten deutschen Staaten dann erfolgreich gegen einen französischen Angriff. Nun stand auch Frankreich mit seinem Vormachtstreben der deutschen Einigung nicht mehr im Wege.

Mit dem Frankfurter Frieden war eine neue europäische Ordnung geschaffen. Ihre Mitte bildete das neue Deutsche Reich, dessen Mission es nach Bismarcks Willen war, den Frieden zu wahren. Als Kanzler des Reiches leitete er noch einmal beinahe 20 Jahre eine Politik, die um Vertrauen und Verlässlichkeit rang, die sich selbst Mäßigung und Ruhe auferlegte, und die auch im Begriff stand, die gewaltigen sozialen Herausforderungen, die sich aus der Industrialisierung und Urbanisierung der Gesellschaft entwickelten, zu beherrschen.

Gesetze auf den Weg gebracht

Die Renten-, Unfall- und Krankenversicherungen als Fundament des Sozialstaates bis heute gehören zu dem Spätwerk des Mannes, der durch seine Verdienste bis zum Fürsten aufgestiegen war. Alle diese Gesetze waren nicht nur gegen die Stimmen, sondern auch gegen den energischen Widerstand der Sozialdemokraten durchgesetzt worden. Sie waren damals noch der Überzeugung, dass erst auf den Trümmern der alten Gesellschaft das Gute wachsen könnte.

Vor diesem Hintergrund erscheinen sogar die Sozialistengesetze, mit denen Bismarck seit 1878 den Machtzuwachs der SPD bremsen wollte, zumindest in einem etwas anderen Lichte.

Als der Kanzler im März 1890 alle Ämter räumen musste, hatte er über beinahe 28 Jahre die preußische und deutsche Politik verantwortet und damit länger als alle, die nach ihm gekommen waren.