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Vortrag Eine Zeitreise durch das Domkapitel

Was war der Grund für die Auflösung des Havelberger Domkapitels vor 200 Jahren und wie wirkt sich das heute noch aus?

Von Andrea Schröder 18.03.2019, 00:01

Havelberg l Während es den Brandenburgern gelungen ist, ihr Domkapitel bis in die heutige Zeit zu retten, endete die 650-jährige Ära des Havelberger Domkapitels vor genau 200 Jahren. Auf Beschluss des nach den napoleonischen Kriegen hoch verschuldeten preußischen Staates von 1810 sollten alle geistlichen Besitzungen dem Staat zugute kommen – Anfang des Jahres 1819 war das in Havelberg soweit. Die Evangelische Kirchengemeinde Havelberg hat dieses eher traurige Jubiläum zum Anlass genommen für eine Reise durch die Geschichte des Domes, die 946 mit der Gründung des Bistums Havelberg begann.

Im Paradiessaal am Dom nahm Dr. Uwe Czubatynski am Freitagabend die zahlreichen Interessierten mit auf die Zeitreise. Er ist Domstiftsarchivar in Brandenburg und Vorsitzender des Vereins für Geschichte der Prignitz. Der Gründung der Bistümer 946 in Havelberg und 948 in Brandenburg folgte aufgrund der Slawenaufstände eine lange Pause. 1150 gründete Bischof Anselm das Domkapitel in Havelberg, bis 1170 war der Dom – das 850-jährige Jubiläum wird 2020 groß gefeiert – fertig. Das Domkapitel oder das Domstift war ein Hilfskollegium für den Bischof, das aus mehreren Domherren bestand, die verschiedene Ämter wahrnahmen. Domherren konnten im Mittelalter sowohl Adlige als auch Bürgerliche werden. Mit der Reformation erfolgte die Auflösung der Bistümer, die Domkapitel aber blieben und wurden evangelisch. Das war die erste Enteignungswelle, die das Bistum Havelberg traf. Dessen Besitzungen gingen verloren. Die Funktionen der Bischöfe wurden von den Markgrafen übernommen, erklärte Uwe Czubatynski. Die Domherrenstellen wurden radikal reduziert.

Zu den Rechten und Pflichten der Domkapitel, die ein Gebilde zwischen Staat und Kirche darstellten, gehörten Abgabedienste, Gerichtsbarkeit, Ausbau der Vorwerke, Weinbau und Fischerei. Propstei, Dechanei und zwei noch erhaltene Domkurien als Wohnsitze der Domherren zeugen noch heute von den damaligen Besitzungen des Domkapitels.

Fürst Hardenberg war derjenige, der die Säkularisation eisern durchzog. „Er wollte die Domkapitel zugunsten des Staates auflösen. Theologische Gründe spielten keine Rolle, es ging ausschließlich um Finanzen“, so der Domstiftsarchivar. 1817 wurde ein königliches Rentamt eingerichtet, die Besitzungen des Domkapitels gingen an den Staat über. Ob es ihm tatsächlich was gebracht hat, sei schwer zu bewerten. Das Domkapitel war selbst hoch verschuldet. „Aller Wahrscheinlichkeit sind es Nullsummenspiele gewesen.“ Der Dom blieb Kirche, alle anderen Gebäude wurden umgenutzt. Dom und Grundbesitz gingen an den Staat, der musste sich um die Baulast kümmern.

Und heute? Die Frage ist, wer das kulturelle Erbe erhält. „Letztlich ist die gesamte Gesellschaft dafür verantwortlich“, machte der Redner deutlich, dass heute der Erhalt solcher Gebäude wie der Havelberger Dom durch Steuermittel, Stiftungen und Spenden finanziert wird. Pfarrer Frank Städler dankte ihm für die komprimierte Zeitreise und sagte, dass er froh sei, dass sich die Kirchengemeinde nicht auch noch um den Dom als Baulast kümmern muss. Er gehört zur Kulturstiftung Sachsen-Anhalt. Diese hat für 2019 die Sanierung des Daches auf dem Hauptschiff geplant, die Baugerüste werden dieser Tage aufgestellt.

Weitere Veranstaltungen zu 200 Jahren Auflösung des Domkapitels folgen. Das Prignitz-Museum wird seine domgeschichtliche Ausstellung erweitern und im September zu einer Tagung einladen.