1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Havelberg
  6. >
  7. Wo Muffelwild ein Gesicht bekommt

Tierpräparation Wo Muffelwild ein Gesicht bekommt

Schon als Kind war Jan Kühnapfel begeistert von der Arbeit eines Tierpräparators. Nun hat er ein Gewerbe angemeldet.

Von Andrea Schröder 29.07.2015, 14:31

Garz l Eine Plastik klemmt in einem Gestell mitten in der Werkstatt von Jan Kühnapfel. Die Form des Kopfes und die geschwungenen Hörner lassen es gleich als Muffelwild erkennen. Mit den Glasaugen guckt dieser recht freundlich. Dabei ist der Widder noch völlig nackt. Er soll erst sein ursprüngliches Aussehen erhalten. Darum kümmert sich Jan Kühnapfel. Für Jäger sind nicht nur Trophäen der von ihnen erlegten Tiere interessant, sondern auch Tierpräparationen, die Muffel, Reh, Wildschwein und Co. lebendig aussehen lassen.

"Schon als Sechsjähriger war ich begeistert von Tierpräparationen. Mein Vater arbeitete für die Uni Potsdam in der Außenstelle Wasservogelwarte am Gülper See, wo er als Hausmeister erweiterte Funktionen hatte. Dort lernte ich einen Tierpräparator aus Ungarn kennen und war fortan begeistert von diesem Beruf", erzählt Jan Kühnapfel. Oft begleitete er seinen Vater und hatte mit Tierpräparatoren zu tun. "Als Achtjähriger habe ich meinen ersten Vogel präpariert." Sein Berufswunsch stand fest. Doch war keine Lehrstelle frei und der gebürtige Warnauer wurde Forstfacharbeiter. Bis zum Bundeswehrdienst arbeitete er in dem Beruf, später war er im Garten- und Landschaftsbau tätig, bis ihn eine schwere Bandscheibenerkrankung aus dem Berufsleben warf.

Der Tierpräparation blieb er treu und nun hat der 42-Jährige, der seit 2001 in Garz zu Hause ist, sein Hobby zum Beruf gemacht. Er bildete sich im Eigenstudium weiter, besuchte Seminare und liest noch heute viel im Internet und Fachzeitschriften. Vor allem bei den Amerikanern gibt es viel zum "Abgucken". Videos zeigen, wie Präparieren in Perfektion geht.

Er zeigt das Cape, das er der Muffelwildplastik aufkleben wird. Das ist der Fachbegriff für das Fell, das er gerbt. Dafür muss die Lederhaut dünn heruntergeschnitten werden, am besten bis an die Haarwurzelspitzen. Voraussetzung für eine gelungene Konservierung ist, dass das Fell vom toten Tier so schnell wie möglich tiefgefroren wird.

Geht es dann ans Präparieren, beginnt das Gerben. Ist das vollbracht, wird das Cape auf die Plastik aufgeklebt und mit Nadeln fixiert, damit sich beim Trocknungsprozess nichts verschiebt. Die Plastiken gibt es für alle möglichen Tierarten in verschiedenen Größen fertig zu kaufen. Jan Kühnapfel stellt sie aber auch selbst aus PU-Schaum her. Dafür hat er Negativformen.

Dann gibt es auch noch Totenmasken, anhand derer der Präparator für das Gestalten des Kopfes genau den Abstand etwa von Nase zu Augen anpassen kann. Nase und Ohren werden herausgearbeitet. Die Glasaugen gibt es in verschiedenen Qualitäten zu kaufen. Später geht es daran, die Feinheiten herauszuarbeiten. Die Augenlider, der Nasenspiegel und die Lippen erhalten einen Farbanstrich, der sie feucht aussehen und damit lebendig wirken lässt. Die Hörner des Muffelwidders werden zum Schluss mit einem wasserlöslichen Wachs bearbeitet.

"Es gibt Tiere, die sich schwer präparieren lassen", sagt Jan Kühnapfel und nennt Greifvögel als Beispiel. "Dagegen lässt sich ein Krähenvogel leicht präparieren." An einer Wand der Werkstatt präsentiert er Mäusebussard, Muffelwild, afrikanischen Springbock, Marderhund, Rehbock und einen Flussbarsch. Ja, auch Fische lassen sich präparieren, auch wenn die Nachfrage danach nicht so groß ist. Präpariert werden darf alles, was jagdbar ist, erklärt Jan Kühnapfel. Für Naturkundemuseen, Unterrichts- und Forschungszwecke gibt es Ausnahmen.

Das kleinste Tier, dem er ein lebendiges Aussehen gegeben hat, ist eine Maus. Das größte, das wieder ein Gesicht hat, eine afrikanische Antilope, ein Großer Kudu. Der hatte 300 Kilogramm Lebendgewicht und ist somit größer als hiesiges Rotwild. Das Cape gelangte trockengesalzen zu ihm. Neben dem Einfrieren eine weitere Möglichkeit der Fellkonservierung. Jäger, die in Afrika ein Tier erlegt haben, bekommen den abgekochten Schädel für die Trophäe und das Fell einige Zeit nach ihrem Aufenthalt nachgeschickt.

"Mit jedem Stück lernt man dazu. Es heißt, dass man erst ab dem 100. Tier die Präparation perfekt beherrscht. Das würde ich unterschreiben." Wenn er jetzt, wo er sein Hobby zum Beruf gemacht hat, mehr Tiere präparieren wird, kann er sich vorstellen, irgendwann einmal an einer Europa- oder Weltmeisterschaft der Tierpräparatoren teilzunehmen. Kenntnisse in Chemie, um die Rezepte für Gerbstoffe herstellen zu können, nennt er als Voraussetzungen für seinen Beruf. Ausdauer, Wissen über Tiere und auch künstlerisches Geschick gehören außerdem dazu.

Rund 500 Präparatoren gibt es laut dem Verband Deutscher Präparatoren, dem Jan Kühnapfel angehört, bundesweit. Sie arbeiten in den drei Fachbereichen Biologie, Medizin und Geowissenschaften. Der Blick ins Internet zeigt, dass es in Sachsen-Anhalt nur gut eine Handvoll angemeldeter Tierpräparatoren gibt.

Jan Kühnapfel hat sich als Tierpräparator in Garz selbständig gemacht.
Jan Kühnapfel hat sich als Tierpräparator in Garz selbständig gemacht.
Havelberg