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Seltenes Haustier Auf die Krähe gekommen

Die Ochmanns aus Klötze haben eine Krähe als Haustier. Ohne ihre Hilfe würde die wohl nicht mehr leben.

Von Tobias Roitsch 15.08.2020, 01:01

Klötze l Für den langen schwarzen Schnabel ist alles interessant. Selbst in das Notizbuch des Reporters, der gerade zu Besuch ist, wird einmal kräftig reingebissen. Das schmeckt aber nicht. Ob wohl der Kugelschreiber besser mundet, der so schön in der Sonne glänzt? Nein, schüchtern ist sie nicht, die junge Krähe. Dafür aber extrem neugierig und verspielt.

Loki heißt der Vogel. Auf diesen Namen haben ihn seine menschlichen Zieheltern Michaela und Thomas Ochmann gemeinsam mit ihren Kindern, Tochter Maxi und Sohn Till, getauft. Die Familie aus Klötze kümmert sich um die Nebelkrähe, hat ihr wahrscheinlich sogar das Leben gerettet, wie Thomas Ochmann im Gespräch mit der Volksstimme berichtet. Er hatte das Tier vor gut einem Monat entdeckt, als er seine Tochter aus der Kita abgeholt hat. „Dort ist ein großer Park, da humpelte Loki an der Straße lang. Es ging ihr nicht gut, sie konnte nicht fliegen“, blickt der Familienvater zurück. Wahrscheinlich war sie zuvor aus dem Nest gefallen. Schließlich hat er den Vogel aufgehoben und mitgenommen. Eine Katze habe da schon im Gebüsch gelauert. Es war also Rettung in letzter Sekunde für Loki.

Als Thomas Ochmann die Krähe mit nach Hause brachte, war das natürlich eine große Überraschung für die Familie. Drei Tage lang wurde die Krähe mit Wasser aufgepäppelt, bis es ihr besser ging. „Dann mussten wir uns erst einmal belesen, was sie fressen kann“, so Ochmann. Aus dem Baumarkt wurden Tauwürmer aus dem Anglerbedarf geholt. „Zu Hause im Garten haben wir noch Schnecken gesucht, aber keine gefunden. Wir waren wie Rabeneltern drei Tage lang unterwegs, um Futter zu suchen“, sagt Thomas Ochmann augenzwinkernd. Da hätten sie gemerkt, wie schwer diese Aufgabe für echte Vogeleltern sein muss. Mittlerweile wissen die Ochmanns, was Loki schmeckt. Sie füttern den Vogel mit Mäusen, Würmern, Hühnerherzen und Käfern. Was nicht gleich im Magen landet, wird übrigens versteckt.

Auch Tomaten mag Loki. Steht das Abendbrot auf der Terrasse auf dem Tisch, verschwindet auch schon mal das ein oder andere Häppchen, das geklaut wird, im Schnabel. Vergangene Woche gab es erstmals auch Küken. „Anfangs war es schlimm mit anzusehen, wie Loki die Küken frisst“, gesteht Mama Michaela. Loki rupft sich nämlich kleine Stücke aus dem Futter raus, ergänzt Papa Thomas. Das Tier müsse eben lernen, große Beute zu fressen, damit es später in der Natur keine Probleme bekommt.

Denn ein klassisches Haustier ist die Krähe nicht. „Loki ist bei uns nicht gefangen“, betont Thomas Ochmann. Frei fliegt der Vogel herum, erkundet die Nachbarschaft. Doch er kommt immer wieder zurück in den Garten der Ochmanns. Dort sitzt Loki gern auf dem Turm des Klettergerüstes oder hoch oben in den Ästen des benachbarten Kirschbaumes. Nun stand der erste Besuch beim Tierarzt an. Loki hatte sich irgendwo beim Wassertrinken Parasiten eingefangen. Unbehandelt könne das zum Tod führen. Nun gibt es eine Fünf-Tage-Kur.

Mit dem Gedanken, dass Loki eines Tages wegfliegen könnte und vielleicht nicht mehr wiederkommt, hätten sie sich abgefunden, sagen Michaela und Thomas Ochmann. Krähen finden irgendwann einen Partner, mit dem sie ein Leben lang zusammenbleiben, weiß Thomas Ochmann. Die Familie hat sich in den vergangenen Wochen noch mehr Wissen angeeignet. Ein ausgewachsenes Weibchen bringe rund 660 Gramm auf die Waage, ein Männchen bis zu 720 Gramm. Um das zu erreichen, muss Loki also noch ein bisschen fressen. Derzeit wiegt der Vogel 330 Gramm.

Was ist Loki eigentlich? „Es ist noch schwer erkennbar, ob es ein Er oder eine Sie ist“, sagt Thomas Ochmann. Das Geschlecht lasse sich besser bestimmen, wenn das Tier älter ist. Jetzt, so schätzen die Ochmanns, müsste der Vogel rund zweieinhalb Monate alt sein. Ausgesucht wurde deshalb ein Name, der für beide Geschlechter passt. Loki Schmidt, das war die Frau des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Und dann ist da noch Loki, der Gott aus der nordischen Mythologie. Dieser sei bekannt als Gott des Schabernacks, weiß Thomas Ochmann. Das passt.