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Für pensionierte Lehrerin Christine Fehse beginnt mit neuem Schuljahr neuer Lebensabschnitt "Ich werde bestimmt wehmütig sein"

Von Meike Schulze 07.09.2012, 05:20

Der Beginn eines neuen Schuljahres ist oft auch der Beginn eines neuen Lebensabschnitts - für Erstklässler oder für Kinder, die in die fünften Klassen kommen. Einen besonderen ersten Schultag 2012 erlebte auch Christine Fehse. Die - nun ehemalige - Lehrerin blieb erstmals zu Hause.

Klötze l "Zum Schuljahresbeginn werde ich bestimmt ein bisschen wehmütig sein", sagt Christine Fehse dieser Tage, als sie sich für ein Gespräch mit der Volksstimme Zeit nahm. "Weil ich meine Kollegen vermissen werde und das Neue, diesen Beginn", fügt sie an. In ihren 36 Berufsjahren als Deutsch- und Englischlehrerin war der erste Schultag eines neuen Schuljahres "immer etwas ganz Besonderes".

"Ich habe immer mein Bestes gegeben und versucht, meinen Schülern ein Partner zu sein"

Auch der diesjährige erste Tag des Schuljahres 2012/13 war für Christine Fehse etwas Besonderes. Im Juli den 60. Geburtstag gefeiert, verabschiedete sie sich am letzten Schultag vor den Sommerferien in den Ruhestand. Und sicher ist der wohl verdient. "Ich habe immer mein Bestes gegeben und versucht, meinen Schülern und deren Eltern ein verlässlicher Partner und Begleiter zu sein", sagt die Neu-Rentnerin. Wäre es nicht so gewesen, würde sie bestimmt nicht immer noch regen Kontakt zu vielen ihrer ehemaligen Schüler haben. Und es kommt wahrscheinlich nicht allzu oft vor, dass einstige Schüler spontan, nur mal so, auf einen Kaffee vorbeischauen.

Dass sie überhaupt Lehrerin geworden ist, "hat sich so ergeben". Als sie in der siebten Klasse der Polytechnischen Oberschule, die damals in ihrem Heimatdorf Immekath angesiedelt war, erstmals Englisch-Unterricht erhielt, entflammte ihre Faszination für Sprachen. Großen Anteil daran habe ihre Lehrerin Ursel Nikoleit. "Die war keine ausgebildete Englisch-Lehrerin, sondern hat das von sich aus als Hobby betrieben. Das hat sie so toll gemacht, dass für mich eigentlich auch nur der Beruf des Englisch- und Deutschlehrers in Frage kam", sagt Christine Fehse und blickt auf die 34 Lehrerkalender, die sie gesammelt und aufbewahrt hat. Eigentlich müssten es 36 Kalender sein, doch "im ersten Jahr war ich für so ein seltenes begehrtes Exemplar noch nicht eingeplant", so dass ihr erster Kalender aus dem Schuljahr 1976/77 stammt. Und als 1982 ihr zweiter Sohn, Hagen, geboren wurde, "habe ich ein Jahr pausiert, weil ich auch keinen Krippenplatz bekommen hatte".

Als ihr Sohn Christian im Winter 1975/76 auf die Welt kam, setzte sie nur ein halbes Jahr aus und trat pünktlich zum 1. September 1976 wieder ihren Dienst an. "Früher, also zu DDR-Zeiten, begann die Schule immer am 1. September", erklärt Christine Fehse. So hat sie es auch als Schulkind erlebt, als sie bis zur achten Klasse in Immekath unterrichtet wurde, dann in Beetzendorf das Abitur erwarb und später vier Jahre in Rostock Anglistik und Germanistik studierte. Am 1. September 1975 trat sie dann ihren Schuldienst an - in Henningen, da war die Lehrerin 23 Jahre jung, seit einem Jahr mit ihrem Mann Adolf verheiratet und der Familienzuwachs schon unterwegs.

Das Besondere an ihrem ersten Jahr als Lehrerin war nicht nur, dass sie hochschwanger mit dem Fahrrad den Weg von Langenapel zur Schule bewältigen musste, sondern auch die Beziehung zu den Schülern. "Die waren ja nur ein paar Jahre jünger als ich, das war ein ganz tolles Verhältnis."

Und als geradezu wunderbar empfand sie, dass sie in Henningen alle Englisch-Klassen unterrichtete, zudem drei Deutschklassen und dann noch Leiterin einer Klasse mit 24 Schülern wurde.

Die Tage in Henningen waren gezählt, als ihr Mann in Klötze eine Arbeitsstelle bekam. So folgte 1979 der Umzug ins Hegefeld und der Wechsel an die POS "Karl Liebknecht". Das ist die zweite von drei Stationen als Lehrerin, denn 1988 musste sie gegen ihren Willen und den Willen ihrer Schüler und Kollegen mit ihrer damaligen neunten Klasse an die Allende-Schule umziehen. "Jedes zweite Jahr traf es eine Klasse, weil bei Liebknechts nicht genug Räume vorhanden waren", erinnert Christine Fehse. "Das war eine ganz schlimme Zeit, es sind richtig Tränen geflossen, weil keiner den Wechsel wollte." Von den Kollegen an der "neuen Schule" herzlich empfangen, lebte sie sich jedoch recht schnell ein - und fühlte sich bis zum letzten Schultag vor wenigen Wochen dort sehr wohl. Besonders beeindruckte sie dabei Schulleiter Jörg Kägebein, "der sich um jeden Schüler und um jeden Lehrer bemüht hat und ihnen mit Herzlichkeit begegnet ist". Entsprechend rührend fiel dann auch die Abschiedsrede aus, die Kägebein für seine scheidende Kollegin hielt und das Programm, welches die Musiklehrerin Andrea Behrend für die Feierstunde in der Schule vorbereitet hatte.

Ein Jahr vor ihrem Ruhestand hatte Christine Fehse bereits ihre letzte zehnte Klasse verabschiedet, 20 jungen Damen und Herren, die alle eine Ausbildung in ihrem Wunschberuf bekommen haben. "Es ist schön, das miterleben zu dürfen", sagt sie dankbar. Wohl wissend, dass es auch schwierigere Zeiten gab, in denen nicht alle Schützlinge ihrer insgesamt fünf Klassen, die sie bis zum Abschluss geführt hat, so gut dran waren.

Danach gefragt, welche Erinnerungen bleiben, nachdem es zum letzten Mal zum Unterricht geläutet hat, antwortet Christine Fehse: "Das sind die Gedanken an eine richtig gute Englisch- oder Deutschstunde und an die Klassenfahrten, die ja auch einen hohen Bildungswert hatten." Sogar die im Jahr 1989, als es noch mit Ostgeld in der Tasche für zwei Tage nach Paris ging, "den Proviantkoffer von Aldi den gab\'s damals aber schon".

"Für die erste Zeit habe ich mir einen Stundenplan mit zehn Hobbys zurechtgelegt"

Wenn die Kinder und Lehrer jetzt wieder täglich zur Schule gehen, wird Christine Fehse sicher an ihre eigene Zeit in der Schule zurückdenken. Damit die Wehmut aber nicht zu groß wird, "habe ich mir für die erste Zeit einen ganz persönlichen Stundenplan zurechtgelegt". Der umfasst mindestens zehn Hobbys, die vorher zu kurz gekommen sind. Dazu gehört das Lesen vieler Bücher. "Dann möchte ich auch Neues ausprobieren, zum Beispiel alte Stühle restaurieren. Und ich möchte ein Instrument spielen lernen", hat sie sich vorgenommen. Sollte es doch mal langweilig werden, sind da noch Enkeltochter Kira, die morgen in Magdeburg eingeschult wird, und Enkelsohn Carlo, der gerade ein halbes Jahr alt ist. Die werden ihre Oma schon auf Trab halten.

Und dann ist da auch noch der schöne Garten am Haus in Klötze-Süd - mit der 14-jährigen Schildkröte Paula, den Goldfischen im Teich - also jede Menge zu tun im Unruhestand.