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Weihnachtszeiten Heiligabend 1945, im Wendejahr und heute

Über ihre Erlebnisse zu Weihnachtszeiten 1945 und im Wendejahr 1989 sowie über Erwartungen für Heiligabend 2015 berichten Zeitzeugen.

Von Harald Schulz 24.12.2015, 02:00

Oebisfelde l Das Alter und die daraus resultierenden Lebensumstände hat die Seniorinnen zusammengeführt. Die Volksstimme traf die 74-jährige Erika Neubauer, die 84-jährige Ilse Brosig sowie die beiden 91-jährigen Marianne Bischof und Ursula Heinrichs im Oebisfelder Seniorenpflegeheim „Dr.-Kurt-Reuber“ beim Nachmittagskaffee.

Woran sich alle Seniorinnen sofort erinnerten, waren die schrecklich kalten Wintertage anno Weihnachten 1945. Klirrender Frost, sehr viel Schnee und Hunger war in den Jahren 1942 bis zum Kriegsende immer wieder Begleiter der damals jungen Menschen. Von Vorteil war für die Mädchen und deren Familien, dass sie auf dem Land leben konnten. „Da waren Nächstenliebe und Nächstenhilfe wichtige und bedeutungsvolle Worte“, beginnt die ehemalige Breitenroderin Ilse Brosig zu erzählen.

Die heute 84-Jährige lebte zu Weihnachten ‘45 in einer Kellerwohnung, gemeinsam mit Vater, Mutter, Schwester, Bruder und Opa. Als einzige Wärmequelle diente, wenn trockenes Brennholz aufzutreiben war, ein Kachelofen. Als Geschenke brachte der Weihnachtsmann, den der Opa mimte, eine vom Vater selbst geschnitzte Puppenstube und Puppen. Der mit Lametta und Kugeln geschmückte Weihnachtsbaum war der ganze Stolz der Familie.

Das Leben wurde mit den Jahren leichter. Gemeinsam mit ihren Eltern erlebte Ilse Brosig den Heiligen Abend im Wendejahr. Weihnachten stand schon unter dem Einfluss der Wiedervereinigung, doch eher traditionell ruhig. Die Puppenstube gab es immer noch. Die wurde neu aufgemöbelt an die Enkel als Weihnachtsgeschenk weitergegeben. Weihnachten, 25 Jahre später, wird die Seniorin bei ihrer Tochter „unterm Tannenbaum“ verbringen.

Dass der Vater im Krieg geblieben ist, das ist die bleibende Erinnerung der heute 91-jährigen Marianne Bischof an die erste Weihnacht nach Kriegsende. Mit Mutter und Schwester saß sie 1945 „unterm Tannenbaum“ zusammen. Sie erhielt als Weihnachtsgeschenk eine Stoffpuppe und Kleinigkeiten. „Meine Schwester und ich waren zu Tränen gerührt“, erinnert sich die gebürtige Oebisfelderin. „Die Weihnachtsfeier 1989, ja die verlief sehr viel angenehmer. Es war eben alles beieinander.“ Ihr Ehemann und sie erlebten Weihnachten, wie sie es sich 1945 gewünscht hätte. „Aber es waren eben andere Zeiten und andere Zwänge“, lässt diese Zeit sie nicht los. Den heutigen Heiligen Abend und Weihnachten wird die rüstige Seniorin in Ruhe begehen. Dazu gehört ein Kirchgang mit Abendmahl und innerer Besinnung.

Im zerbombten Magdeburg hockte die damals 21-jährige Ursula Heinrichs immerhin bei Kartoffelsalat und Würstchen mit Eltern und Geschwistern sowie weiteren Pflegekindern in einer Stube, die als Wohnung diente, zusammen.

„Der Glanz des Tannenbaums und die heißen Würstchen erwärmten die Herzen. Ein Nachbar kam als Weihnachtsmann verkleidet zu uns und reichte uns aus Holz gebastelte Geschenke. Die hatte unser Vater für uns unbemerkt gebaut“, erinnert sich die heute 91-jährige Ursula Heinrichs immer noch mit einem dankbaren Lächeln.

„Es gab nicht einen Tropfen Trinkwasser im Dorf“, erinnert sich Erika Neubauer (74) noch genau an Heiligabend 1945. Als Vierjährige blieb ihr das Anstehen zum Wasserholen erspart, nachdem nach Stunden des Wartens die einzige Wasserleitung wieder aufgetaut worden war. „Wir feierten dieses Weihnachtsfest ohne den Vater in Dahme in der Mark Brandenburg. Nur ein alter Mann lebte als Nachbar neben unserer Kellerwohnung. Er verkleidete sich als Weihnachtsmann und verteilte das, was die Älteren geschachert, gemopst oder gefunden hatten. Ich freute mich riesig über Holzpantoffeln. Es herrschte die blanke Not“, beschreibt Erika Neubauer das Nachkriegselend in der Mark Brandenburg.

Die Wiedervereinigung 1989 mutete wie Weihnachten und Ostern auf einen Tag an, beschreibt sie die Euphorie. Das Weihnachtsfest war mit denen in den Nachkriegsjahren nicht zu vergleichen. „Der Überfluss hat einen erschlagen. Man hat den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen“, umschreibt Erika Neubauer ihre Eindrücke. Weihnachten 2015 erlebt die 74-jährige Seniorin in der Geborgenheit des Seniorenpflegeheims, wo ein besinnliches Fest vorbereitet ist. Für die besinnliche Zeit sorgen die Pflegekräfte Christel Prechel, Verena Gassel, Jana Thode, Heinke Böhm, Bettina Sett und Gary Plogsties. Sie leisten Dienst am Nächsten, wie viele andere in Heil- und Pflegeberufen an Heiligabend auch.