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Insecta 2015 Aufmarsch der Schwarzen Soldatenfliege

In Insekten steckt ein großes wirtschaftliches Potenzial. Eine Tagung zum Thema findet am 21. September in Magdeburg statt.

Von Martin Rieß 12.09.2015, 01:01

Magdeburg l „Insecta 2015“ – unter diesem Titel hat Pilot Pflanzenöltechnologie Magdeburg (PPM) zum 1. Nationalen Symposium zu Insekten als Nahrungs- und Futtermittel eingeladen. Termin ist Montag, 21. September.

Frank Pudel ist Chef des PPM und sagt: „Wir sind vom Interesse aus ganz Deutschland und darüber hinaus positiv überrascht: Mit mehr als 100 Anmeldungen haben wir zuerst gar nicht gerechnet.“ Unter den Besuchern sind Studenten, aber auch Vertreter aus der Wirtschaft, der Politik und aus der Wissenschaft. Der Zuspruch sei ein Zeichen dafür, dass die Nutzung von Insekten ein Konzept mit Zukunft ist – darüber sind sich die Initiatoren der Tagung einig.

Thomas Piofczyk ist einer der Forscher, die sich in Magdeburg mit Insekten als Eiweißquelle beschäftigen. Er sagt: „Ich beschäftige mich mit Hermetia illucens, der schwarzen Soldatenfliege.“ Dabei geht es nicht unbedingt um die Zucht. „Da gibt es in Deutschland schon einige Unternehmen. Und wir haben einen Partner in Baruth in Brandenburg gefunden, der sogar schon eine Art Bioreaktor entwickelt hat.“ In diesem Bioreaktor werden in Schubladen die Nahrung für die Maden und natürlich die Insekteneier selbst platziert – und nach ein paar Tagen kann geerntet werden.

Frank Pudel berichtet von den Vorteilen der Soldatenfliege: „Zum einen handelt es sich um Tiere, die mit fast jedem organischen Substrat klarkommen. Zum anderen stellen die Tiere nach dem Schlupf die Nahrungsaufnahme ein.“ Das bedeutet, dass im Falle des Ausbruchs einer Horde frisch geschlüpfter Soldatenfliegen aus dem Bioreaktor nicht zu befürchten steht, dass diese über die Menschen in der Umgebung herfallen und mit ihren Rüsseln danach trachten, Nahrung aufzusaugen.

Da die Fliegen sich also als Larven besonders viel Energie anfressen müssen, sind sie auch besonders fett. Und eiweißreich. Und darauf haben es die Mitarbeiter von PPM abgesehen. Thomas Piofczyk sagt: „Klar, man kann die Tiere frisch oder getrocknet gut als Futter für Fische oder für Hühner nutzen.“

Aber die Forscher wollen mehr. „Unser Ansatz ist es, Technologien zu entwickeln, wie aus den getrockneten Larven am besten die Rohstoffe gewonnen werden können.“ Der Grund: Die getrockneten Larven einfach zu zerkleinern und dann weiterzuverarbeiten, würde oft keine befriedigenden Ergebnisse bringen. Das Fett würde die Düsen von Apparaturen zur Weiterverarbeitung schlicht verkleben. „Und es geht uns darum herauszufinden, welche Produkte sich aus diesen Rohstoffem entwickeln lassen“, ergänzt der Magdeburger Forscher.

Im Falle der Soldatenfliegen stehen auf der Zwischenstufe zum großen Teil Eiweiß und Fett. „Das Fett ist ähnlich dem bekannten Kokosfett aufgebaut“, berichtet Thomas Piofczyk. Was kann man daraus erzeugen? „Im Prinzip alles, was auch aus Kokosfett hergestellt werden kann“, antwortet er. Denkbar wäre der Einsatz der Substanz zum Beispiel in der Kosmetikindustrie. Oder man könnte aus diesem Material Schmierstoffe für Maschinen herstellen. Oder Tenside, die zum Beispiel in den modernen Waschmitteln enthalten sind.

Während das Fett eher ein Nebenprodukt ist, sehen die Magdeburger insbesondere in der Nutzung des Eiweißes ein großes Potenzial. Frank Pudel sagt: „Ein Beispiel ist die Ernährung von Tieren, die da Möglichkeiten bietet.“ Damit ist nicht nur die Fütterung von Nutztieren wie Schweinen, Geflügel oder Karpfen mit Pellets die Rede.

Gemeint ist auch die Nahrung für Waldi und Mikesch. Frank Pudel sagt: „Ein Großteil der im Handel erhältlichen Katzen- und Hundenahrung besteht ja nur zu einem geringen Anteil aus tierischen Produkten.“ Das mag man aus weltanschaulichen Gründen gut finden. Den ursprünglichen Ernährungsgewohnheiten der Tiere entspricht das aber nicht. „Aus Insekten hergestellte Katzen- und Hundenahrung wäre da eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Alternative“, meint der PPM-Chef.

Allerdings: Während die Ideen für die Weiterverarbeitung stehen und die Fliegenmaden-Produzenten in den Startlöchern stehen, bremsen die Regeln zur Vermarktung das Engagement aus. Frank Pudel: „Es fehlen die rechtlichen Rahmenbedingungen, um solch innovative Produkte überhaupt vermarkten zu dürfen. Das ist angesichts des Potenzials durchaus bedauerlich.“ Vorreiter in Europa auf diesem Gebiet sind die Niederlande.

Doch benötigt wird eine europäische Regelung. Mit Arnold von Huis von der Welternährungsorganisation der Uno und Wolfgang Trunk, der in der zuständigen Abteilung der Europäischen Kommission arbeitet, haben die Organisatoren der Insecta 2015 zwei Referenten an Bord, die genau an dieser Stelle ansetzen können.

Übrigens: Zu ihrem deutschen Namen ist die Soldatenfliege wohl wegen einer verwandten Art gekommen – deren Panzer schillert nämlich metallisch, ähnlich wie die Rüstungen von Rittern.