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Anwohner genervt Magdeburger rätseln über Fliegenplage

Fliegenalarm in Magdeburg-Rothensee: Anwohner berichten über eine ungewöhnlich hohe Zahl der Plagegeister.

Von Stefan Harter 19.05.2018, 01:01

Magdeburg l Erst das Hochwasser, dann der Asiatische Laubholzbockkäfer: Die Rothenseer in Magdeburg hatten es in den vergangenen Jahren nicht leicht. Nun kommen auch noch die Fliegen. Als sich Bernd Roder in der Volksstimme-Redaktion meldet und von einer Plage berichtet, ist die Reaktion zunächst zweifelnd. Doch beim Vor-Ort-Termin in seinem Haus im Ortskern von Rothensee wird deutlich: Der Mann erzählt keinen Quatsch.

Mehrere Fliegenfänger voller Tiere präsentiert er. Das Ergebnis von zwei Tagen, meint Bernd Roder. Seine Frau Hannelore hat sich indes mit der Fliegenklatsche bewaffnet und schlägt unablässig nach den Plagegeistern. „Ohne die geht es gar nicht. Jeder Schlag ist ein Treffer. Es ist furchtbar“, sagt sie. Ein Aufenthalt im Freien sei kaum möglich, essen schon gar nicht. Nicht nur er sei betroffen, auch seine Nachbarn berichten von der ungewöhnlich hohen Fliegendichte, versichert Bernd Roder.

Die Volksstimme hört sich weiter in Rothensee um. Alle Befragten bestätigen das Problem. Wolfgang Ortlepp – als Sprecher der Gemeinwesenarbeitsgruppe sowie der IG Rothenseer Bürger gut bekannt bei den meisten Bewohnern – erklärt: „Man kann selbst bei den heftigen Winden der vergangenen Tage nicht mehr ungestört draußen sitzen, weil einem die Plage unendlich bei Gesprächen, beim Essen und Trinken nervt. Wir haben auch schon bestätigt bekommen, dass das nur bei uns so sei, also offensichtlich kein überregionales Ereignis.“

Auch Siegmar Klingenberg, Betreiber eines Sportstudios in Rothensee, stören die vielen Fliegen. „Im Studio und zu Hause, überall sind sie. Beim Grillen ist es schon krass gewesen. Die gelben Tonnen sind fast schwarz von ihnen“, sagt er. Und Brigitte Kuhnert von der Caritas-Begegnungsstätte ergänzt: „Es ist schon abartig. Ich habe im Baumarkt die letzten Fliegenfänger bekommen.“

Eine Frage haben alle Rothenseer: Woher kommen die vielen Fliegen? Wie auch bei anderen Umweltproblemen liegt der Verdacht bei vielen nahe, dass es mit dem benachbarten Industriegebiet zu tun haben könnte. „Besonders bei Ostwind kommen die Fliegen“, sagt zum Beispiel Bernd Roder.

Hans Pellmann, Leiter des Magdeburger Naturkundemuseums und in Krabbelfragen durchaus bewandert, meint beim Blick auf die Fotos, dass es sich um echte Fliegen (Muscidae) handeln könnte. Woher diese massenhaft kommen, darüber könne er auch nur spekulieren. „Das müsste sich ein Fachmann anschauen, der mit solch Massenphänomen vertraut ist“, sagt er. Über die Art könne man dann vielleicht etwas zur Biologie sagen und Hinweise bekommen, wo sich die Tiere entwickelt haben.

Die Volksstimme fragte bei der Stadtverwaltung Magdeburg nach, ob das Thema Fliegenplage in Rothensee im Gesundheitsamt bereits eine Rolle spiele. Stadtsprecherin Kerstin Kinszorra antwortet, dass aktuell keine Beschwerden von Bürgern vorlägen. Allerdings habe es in der Vergangenheit bereits Fälle in direkter Nachbarschaft des Stadtteils gegeben. „Es ist uns bekannt, dass es in verschiedenen Betrieben im naheliegenden Gewerbegebiet Nord wiederholt zu Problemen mit Fliegen gekommen ist. Diese traten in deren Räumlichkeiten auf“, erklärt sie.

Im gesamten 9,4 Quadratkilometer großen Industriegebiet Nord seien Firmen ansässig, die Abfälle, Öle, Fette, Holz lagern, kompostieren oder weiterverarbeiten. „Demzufolge können hier im Zusammenhang mit einer warmen Wetterlage gehäuft Fliegen auftreten“, sagt sie weiter. Ob es aber tatsächlich einen Zusammenhang mit den Beschwerden der Rothenseer gebe, könne das Gesundheitsamt nicht beurteilen.

Eine großräumige Bekämpfung sei nicht zielführend, erklärt Kerstin Kinszorra schließlich, „da einerseits eine sehr schnelle Resistenzausbildung gegen Insektizide stattfindet und die Populationsgröße ohnehin durch natürliche Fressfeinde eingedämmt wird“.

Bei den aktuell niedrigeren Temperaturen können die Rothenseer aber immerhin etwas durchatmen. „Es sind ein bisschen weniger Fliegen geworden“, erklärt Siegmar Klingenberg am Freitag.