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Bauvorhaben Heiße Diskussion um Magdeburger Stadtmarsch

Soll auf der Fläche südlich des Messeplatzes gebaut werden? Dies wurde bei einer Bürgerversammlung in Magdeburg intensiv diskutiert.

Von Martin Rieß 10.01.2020, 00:01

Magdeburg l Knapp zwei Stunden haben am 8. Januar 2020 in Magdeburg Gäste des „Intakt 28“ im Breiten Weg über die Pläne für den Wohnungsbau am Kleinen Stadtmarsch diskutiert. Im Podium beantworteten seitens der Investoren MWG-Vorstand Thomas Fischbeck und Wobau-Projektleiter Mike Rosner sowie seitens der Kritiker Renate Fiedler von der Bürgerinitiative „Rettet den Stadtpark Rotehorn“ und der Magdeburger BUND-Vorsitzende Hartmut Koblischke Fragen. Hier einige Streiflichter der hitzigen Diskussion, zu der mehr als 100 Besucher gekommen waren.

Zulässigkeit: Mit Blick auf Planungen, in denen das Gebiet um die Schleusenstraße bebaut werden soll, zweifelt die Bürgerinitiative die Rechtmäßigkeit einer Bebauung an. Renate Fiedler forderte daher zu klären, ob eine Bebauung überhaupt zulässig ist. Und auch Sylvia Lampe aus Cracau wünschte zu wissen, in welchen Planungen das Gebiet für eine Bebauung ausgewiesen sei. Dazu verwies Thomas Fischbeck auf das aktuelle, zuletzt 2017 geänderte Stadtentwicklungskonzept, in dem im Bereich des Zollhafens und an der Schleusenstraße eine bauliche Entwicklung als Möglichkeit verzeichnet sind.

Matthias Lerm, Chef des Stadtplanungsamts, erläuterte, dass in den Verfahren für die Bebauung von Flächen die Menschen einbezogen werden. Zu entscheiden hätte letztendlich der Stadtrat als durch Wahlen legitimiertes Gremium. Auf diesem Wege könnten Planungen auch an neue Entwicklungen angepasst werden. Flächennutzungs- und Rahmenpläne seien dabei eine Vorgabe für die Entwicklung eines Gebietes – verbindlich aber seien die Bebauungspläne, die per Mehrheit im Stadtrat beschlossen werden.

Stadtgrün: In seinen Worten hatte BUND-Vorstand Hartmut Koblischke seine Bedenken geäußert: Zwar seien Investitionen wie die von Wobau und MWG grundsätzlich zu begrüßen. Auf der anderen Seite müsse in Magdeburg aus Gründen des Klimaschutzes möglichst jeder Baum erhalten werden. In den vergangenen Jahren seien zu viele Bäume auch für Bauvorhaben gefällt worden. Dass es vor dem Zweiten Weltkrieg hier eine Bebauung gegeben habe, möchte er nicht als Argument gelten lassen: „Seit 70 Jahren war das Gebiet im Wesentlichen von Grün bestimmt“, so Hartmut Koblischke.

Unter anderem sorgen sich die Kritiker des Vorhabens um den Fortbestand der Lindenallee an der Stadtparkstraße.

Soziale Mieten: Ob auch bezahlbarer Wohnraum entstehe, wollte Heike Rudhard wissen, die als Gast im Publikum saß und eine erklärte Gegnerin des Vorhabens ist. Für die Wobau sagte Mike Rosner: „Wir werden ein Fünftel der Wohnungen zum dann gültigen KdU-Satz zur Verfügung stellen."  Als „Kosten der Unterkunft“ werden jene Sätze festgelegt, die für Hartz-IV-Empfänger übernommen werden.

Für die MWG möchte sich Thomas Fischbeck nicht auf einen konkreten Betrag festlegen. Er sagt aber: „Dem Gedanken der Genossenschaften werden wir innerhalb des Hauses ein solidarisches Prinzip etablieren.“ Will heißen: In den besonders attraktiven Wohnungen wird mehr bezahlt, damit weniger attraktive zum kleineren Preis zur Verfügung gestellt werden können. „Auf jeden Fall muss sich das Projekt selbst tragen. Sprich: Die Investition darf nicht von Mietern finanziert werden, die beispielsweise in Nord wohnen.“

Kultur: Von Gastronomie, eventuell ein wenig nicht störendem Gewerbe und Wohnungen war für das geplante Viertel bislang die Rede. Angesichts eines steigenden Bedarfs an Räumen für Kultur die Frage aus dem Publikum, ob das Viertel auch dafür Platz bieten könnte. Mike Rosner: „Wir sind für solche Ideen noch offen. Denkbar wäre etwas Entsprechendes durchaus.“

Mobilität: Wie soll ein autofreies Viertel aussehen? Auf diese Frage verwies Thomas Fischbeck zum einen auf die Unterstellmöglichkeiten unter den Sockeln der Häuser. „Ins Viertel selbst soll man allenfalls zum Be- und Entladen fahren dürfen.“ Mike Rosner erläuterte: „Denkbar sind zudem Stadtteilfahrzeuge.“ Das bedeutet, dass sich mehrere Mieter Fahrzeuge wie beim Carsharing teilen. Finanziert werden könnten diese Fahrzeuge als Paketlösung zusammen mit der Miete.

Moderne: In Magdeburg hatte es in den 1920er Jahren bereits Planungen zu einer Bebauung des Kleinen Stadtmarschs gegeben. Unter Bruno Taut war die Idee entwickelt worden, hier öffentliche Gebäude wie ein neues Rathaus anzusiedeln und in weiteren Bereichen Wohnraum zu schaffen. Befürworter des Vorhabens verweisen auf diese visionären Ideen, bei denen Magdeburg von einem Ring von Gartenstädten umschlossen werden sollte und die Bebauung am Kleinen Stadtmarsch nur ein Teil gewesen wäre. Kritiker des Vorhabens halten dem entgegen, dass einzelne Bereiche wie der jetzt diskutierte nicht aus dem Gesamtkontext gerissen werden dürften, da auch die Taut’schen Visionen von der Umgestaltung des westlichen Elbufers nicht umgesetzt worden seien.

Heimische Unternehmen: Noch wird derzeit um einen Aufstellungsbeschluss diskutiert. Dieser würde erst einmal den Weg für weitere Planungen frei machen. Thomas Fischbeck: „Wobau und MWG sind zwei Magdeburger Unternehmen, die mit den Magdeburgern und für die Magdeburger bauen. Bitte geben Sie uns die Chance, unsere Ideen zu entwickeln!“

Bürgerbeteiligung: Als Podium nutzten die Bürgerversammlung auch zwei Mitglieder des aktuellen Stadtrats: Roland Zander und Marcel Guderjahn von der Gartenpartei. Sie wollten wissen, ob bisher geäußerte Meinungen von Bürgern in die weiteren Entscheidungen einfließen. Konkret verwiesen sie auf 2600 Unterschriften, die gegen eine Bebauung des Geländes am Kleinen Stadtmarsch gesammelt worden waren. Mehr als 2000 Stimmen waren derweil im Rahmen eines Publikumspreises für die verschiedenen Vorschläge von Archiktekten vergeben worden.

Auch in künftigen Verfahrensschritten, so die Zusage der Investoren, würden die Hinweise der Magdeburger einfließen. Dazu werde man auch den Einladungen von Gruppen der Gemeinwesenarbeit (GWA) folgen, so Thomas Fischbeck. Er reagierte damit auf die Kritik von Sylvia Lampe. Sie hatte eine Diskussion in der GWA-Gruppe Ostelbien vermisst. Die Investoren hatten in einem solchen Gremium bisher allein das Gespräch in der Gruppe für den Werder gesucht, da hier gebaut werden soll.