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  7. Schwimmen mit Burkini: Magdeburger Erlaubnis löst Kulturkampf im Netz aus

So reagiert das Netz Burkini-Erlaubnis in Magdeburg: In der Kommentarspalte tobt der Kulturkampf

In Magdeburg ist das Schwimmen im Burkini erlaubt – und sorgt für Aufruhr. Ein Artikel dazu löst eine Welle an Kommentaren aus – viele davon voller Ablehnung, Empörung, manche auch blankem Hass.

Von Karolin Aertel Aktualisiert: 01.08.2025, 19:09
Kaum ein Kleidungsstück polarisiert so wie der Burkini. Auch in Magdeburg wird er zum Auslöser hitziger Facebook-Debatten über Religion, Integration und „deutsche Werte“.
Kaum ein Kleidungsstück polarisiert so wie der Burkini. Auch in Magdeburg wird er zum Auslöser hitziger Facebook-Debatten über Religion, Integration und „deutsche Werte“. Foto: Subel Bhandari/ dpa

Magdeburg. - Magdeburg erlaubt das Schwimmen im Burkini. Was zunächst nach einer sachlichen Information klingt, hat auf der Facebook-Seite Volksstimme.de eine emotionale Debatte entfacht. Innerhalb weniger Stunden versammeln sich dort hunderte User, um zu urteilen, zu schimpfen, zu hetzen. Eine Betrachtung.

Die Kommentare zeigen: der Burkini wird im Netz zum Symbol einer tiefgreifenden Debatte über Anpassung, Zugehörigkeit und darüber, wie ein „deutsches“ Freibad aussehen soll.

Lesen Sie dazu: Burkini-Verbot? Während andere streiten, hat sich Magdeburg entschieden

Debatte um Burkini: Ein Kleidungsstück wird zum Zündstoff

Was viele der fast 500 Kommentare eint: Die Überzeugung, dass der Burkini nicht nur ein Kleidungsstück ist – sondern ein Symbol. Für „Islamisierung“, „Unterwerfung“, „die Abschaffung Deutschlands“.

In den Kommentaren wird nicht selten pauschal gegen Muslime gehetzt oder ihnen die Integrationsbereitschaft abgesprochen. „In jedem Land muss man sich anpassen – nur in Deutschland nicht“, schreibt ein Nutzer. Ein anderer pflichtet bei: „Mal sehen, wann Bikini und Badeanzug verboten werden.“

„Islamisierung“, „Ekel“, „Abschaffung Deutschlands“ – der Tonfall eskaliert

Immer wieder taucht der Vorwurf auf, die Stadt und Deutschland machen sich zum Erfüllungsgehilfen einer angeblichen Islamisierung. Der Ton ist oft aggressiv, gelegentlich hasserfüllt: „Ekelhaft!“, schreibt eine Nutzerin. „Ich fahre nicht mehr nach Magdeburg.“

Ein Nutzer kündigt an, künftig nackt zu baden, ein anderer erklärt Magdeburg für erledigt – und immer wieder taucht der Satz auf, der zur hohlen Parole geworden ist: „Deutschland schafft sich ab.‘“

Zwischen Stammtisch und Shitstorm: So entlädt sich der Frust

Wer durch die Kommentarspalte scrollt, stößt auf ein Sammelsurium aus Stammtischparolen und digitalem Kulturkampf: „Dann kann ich ja künftig mit Arbeitssachen baden gehen.“ „Ich hoffe, das Volk zeigt nächstes Jahr an der Wahlurne, was es davon hält.“ „Ein Volk, das sich unterwirft – die Deutschen. Ein Volk, das kämpft – die Ukrainer.“ „Das Asylrecht muss sofort abgeschafft werden! BASTA!“ Und zig mal: „Wir leben in Deutschland – da haben sich die zu integrieren, nicht wir!“ „Für Deutsche wird in diesem Land schon lange nix mehr getan.“

Längst haben Designer des Burkini in ihre Kollektionen aufgenommern - so wie hier ein Model von Raffaela D'Angelo auf der Fashion Week.
Längst haben Designer des Burkini in ihre Kollektionen aufgenommern - so wie hier ein Model von Raffaela D'Angelo auf der Fashion Week.
Foto: Matteo Bazzi / dpa

Frauen im Fokus: Wenn Sexismus auf Islamfeindlichkeit trifft

Unverständnis und Hass richten sich dabei nicht nur gegen Religion, sondern oft auch direkt gegen Frauen: „Bei manchen Frauen wäre man froh, wenn sie einen Burkini tragen würden“, schreibt ein Nutzer. „Die sollen sich ausziehen oder zu Hause baden!“, schreibt ein anderer. „Bei manch deutschen Frauen wünsch ich mir sehnlichst einen Burkini“, heißt es ebenso.

Sachlich bleiben? Versuchen  wenigstens ein paar Nutzer

Daneben gibt es aber auch differenziertere Stimmen. Einige Nutzer versuchen, aufzuklären: Ein Burkini bestehe aus speziellem Badestoff, sei also kein Alltagskleidungsstück. Eine Kommentatorin fragt: „Warum haben so viele Menschen Angst vor etwas Stoff?“

Doppelmoral im Freibad und im Urlaub

Andere wiederum machen auf die Doppelmoral aufmerksam: Deutsche Touristen, heißt es mehrfach, nähmen es im Ausland selbst nicht so genau mit der Anpassung. „Würdet ihr bzw eure Frauen in einem arabischen Land im Burkini baden gehen?“, fragt ein Nutzer.

Würdet ihr beziehungsweise eure Frauen in einem arabischen Land im Burkini baden gehen?

User auf Facebook

Und: „Wenn Männer in Neoprenanzügen trainieren, stört es keinen – aber ein Burkini wird zum Skandal?“

Lesen Sie auch: Kommentar zur Burkini-Debatte - Hygiene-Argument scheint vorgeschoben

Andere versuchen, die Debatte mit Ironie zu entkräften. „Popcorn?“, fragt eine Nutzerin angesichts der Eskalation. „Wie viele von euch gehen überhaupt ins Magdeburger Freibad?“, fragt ein anderer. Eine Frau schreibt: „Wenn das euer größtes Problem ist, geht’s uns zu gut.“

Doch gegen die Wut helfen keine Argumente. Auch nicht der Hinweis, dass ein Burkini aus speziellem Badestoff besteht, ganz ähnlich wie moderne Schwimmanzüge. Dass er keine Taschen hat, in denen Taschentücher oder Müll ins Wasser gelangen – im Gegensatz zu vielen Badeshorts. Oder dass UV-Badeshirts bei Kindern und Erwachsenen längst Standard sind, ebenso Tankini, die den Bauch bedecken oder Neoprenanzüge zum Trainieren.

Was wirklich hinter der Empörung steckt

Worum es wirklich geht, wird schnell klar: Nicht um Hygiene. Nicht um Gleichbehandlung. Sondern um die Angst vor dem vermeintlich „Fremden“, das im Burkini sichtbar wird.

Was sich unter dem Burkini-Artikel entlädt, ist mehr als Unverständnis. Es ist ein Spiegel der Verrohung, die Facebook-Kommentare oft sichtbar machen. Unter dem Deckmantel „Sorge“ wird gehetzt, gelacht, ausgegrenzt.

Was bleibt: Ein Kommentarspiegel der Gesellschaft

Was bleibt, ist ein bedrückendes Bild: Zwischen sachlicher Diskussion und offener Islamfeindlichkeit scheint die Grenze zu verschwimmen. Viele Beiträge offenbaren dabei nicht nur Unkenntnis über die Fakten, sondern auch tief sitzende Vorurteile. Manche Kommentare ließen sich problemlos in rassistische Parolen verwandeln – und einige tun genau das.

Obwohl viele der lautesten Stimmen sich als „besorgte Bürger“ präsentieren, zeigt ein Blick in die Kommentarsektion auch: Der größte Aufruhr kommt nicht zwingend aus Magdeburg. Es kommentieren Menschen aus dem ganzen Land – mit viel Empörung und wenig lokalem Bezug.