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Corona-Regeln Lob und Kritik für Lockerungen

Wie Magdeburger Lokalpolitiker, Händler, Künstler und Eltern die neuen Corona-Bestimmungen einschätzen:

Von Christina Bendigs 17.04.2020, 10:19

Magdeburg l Oberbürgermeister Lutz Trümper zeigt sich nach den beschlossenen Lockerungen von Bund und Land zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise enttäuscht. Er hätte sich für Magdeburg weitergehende Entscheidungen gewünscht. „Aus meiner Sicht ist es zu wenig. Das sind eher homöopathische Lockerungen“, sagte Trümper.

Die Landeshauptstadt sei bereit für weitere Lockerungen. Die Einschätzung, alle gleich zu behandeln, hält er für falsch. In Magdeburg liege die Zahl der Erkrankten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bei 0,1 Promille. „Die Einschränkungen, mit denen wir jetzt noch weiter leben müssen, halte ich angesichts dieser Zahlen für nicht mehr angemessen. Warum eine Gaststätte die Außengastronomie, von mir aus ohne Alkoholausschank, nicht aufmachen darf, erschließt sich mir nicht“, so Trümper.

Für „völlig willkürlich“ hält er die Festlegung, dass nur Geschäfte bis 800 Quadratmeter öffnen dürfen. Die Quadratmeterzahl rühre lediglich aus der Bauordnung. „Wenn gesagt würde, dass nur so und so viele Leute pro Quadratmeter in dem Geschäft sein dürfen, das könnte ich noch nachvollziehen. Aber einfach eine Quadratmeterzahl festzulegen, ist für mich nicht zu begründen. Und ich glaube, dagegen wird es auch Klagen geben“, so Trümper. Seiner Meinung nach hätten auch größere Geschäfte geöffnet werden können, wenn diese entsprechende Vorbereitungen treffen, um Hygiene- und Abstandsregeln einzuhalten. Positiv sei aber, dass kleinere Geschäfte überhaupt wieder öffnen dürfen, um für ihre Existenz arbeiten zu können.

Dass die Kitas weiterhin geschlossen bleiben müssen, kritisiert der OB. „In den vergangenen mehr als vier Wochen, in denen die Kinder zu Hause bleiben mussten, ist mir kein einziger Fall bekannt geworden, dass ein Kind oder die Eltern krank geworden sind. Wo soll denn jetzt die Gefahr herkommen, wenn die Kinder wieder in die Kita oder in die Schule gehen?“, so Trümper.

Auch bei den knapp 1000 Kindern, die in der Kita-Notbetreuung betreut worden sind, sei ihm kein Krankheitsfall, auch nicht bei Erziehern, bekannt geworden. Er hätte sich gewünscht, dass Eltern, die ihre Kinder in die Kita bringen möchten, auch die Möglichkeit dazu bekommen hätten.

Florapark-Manager Kai Ehlers sagt ohne Umschweife. „Das ist für uns alle eine harte Zeit. Wir versuchen aber, gemeinsam mit den Mietern Lösungen zu finden.“ Mietstundungen gehörten dazu, sagte er weiter. Es gehe schließlich darum, Mieter zu halten und nicht Leerstand zu produzieren. Langsam richte man aber auch den Blick nach vorn. Seit ein paar Tagen arbeite man an Konzepten, wie man die Kundschaft in den Park ziehe, wenn die Beschränkungen mal aufgehoben sind. Insgesamt gibt es im Florapark 65 Shops, die überwiegend über weniger Verkaufsfläche als 800 Quadratmeter verfügen. Rund 650 Mitarbeiter zählt der Park. Etwa 15 Läden mit rund 150 Beschäftigten konnten bisher trotz Beschränkungen öffnen.

Bei den Magdeburger Händlern gibt es unterdessen ein Aufatmen. „70 bis 80 Prozent der Geschäfte können ab Montag wieder öffnen“, berichtet Arno Frommhagen als Sprecher der IG Innenstadt. Die Händler hätten bereits versichert, die restriktionen auf jeden Fall einzuhalten, um nicht Gefahr zu laufen, dass es eine erneute Schließung gibt. Doch es gebe auch Stimmen, die die Ungleichbehandlung kritisieren. Das Karstadt-Warenhaus darf nach den Beschlüssen beispielsweise nicht öffnen. Fast alle Geschäfte am Breiten Weg sowie an der Lübecker, Lüneburger, Großen Diesdorfer und Halberstädter Straße dürften aber weitgehend wieder geöffnet werden.

„Wir freuen uns auf die Wiedereröffnung des Hauses für Besucher und sind zuversichtlich, dass wir dann, wenn geöffnet wird, auch die entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen gewährleisten können“, erklärte Gabriele Köster als Leiterin der Magdeburger Museen. Derzeit werde geprüft, welche Vorbereitungen zu treffen sind, um möglicherweise am 5.  Mai öffnen zu können. Denn einen entsprechenden Beschluss gibt es noch nicht. Wie mit den Museen verfahren wird, soll Ende April entschieden werden. Sicher ist, dass im Fall einer Öffnung die neue Sonderausstellung „Ötzi – der Mann aus dem Eis“ zu besichtigen ist.

Die Kulturszene muss weiterhin ausharren. Wie Kabarettist Lars Johansen, der auch Chef des Moritzhofes ist, berichtete, gehe es für einige Kulturschaffende der Stadt an die Existenz, wenn die Restriktionen noch über lange Zeiträume aufrechterhalten werden. Der Moritzhof sei in der glücklichen Lage, Zuschüsse zu bekommen. Daher werde er die Krise wohl relativ unbeschadet überstehen, zeigte sich Johansen vorsichtig optimistisch. Dass die Beschränkungen im Kulturbereich noch nicht aufgehoben werden würden, habe Johansen bereits erwartet. Was ihn freut, ist das Zusammenwachsen der freien Szene, die sich gegenseitig unterstützt. Beim Programm „Hof on Air“, das auch über die Corona-Krise hinaus etabliert werden soll, sammele etwa Stefan Michme Geld für die Hengstmänner. Das sei ein positives Signal.

Für Steffen Schüller, Chef der MVGM, bleiben weiter Fragen zur Durchführung von Veranstaltungen. Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern sind bis 31. August verboten. Solange die Eindämmungsverordnung gilt, sind gar keine Veranstaltungen erlaubt. „Die pauschale Angabe von 1000 Besuchern ist für Veranstalter noch zu schwammig. Was ist mit Veranstaltungen unter dieser Zahl? Gelten dann trotzdem die Abstands- und Hygieneregelungen? Was gilt bei Open-Air-Veranstaltungen? Die Kriterien für Veranstaltungen müssen genauer definiert werden. Darüber muss in der nächsten Zeit gesprochen werden, damit die Veranstalter eine Planungssicherheit haben“, so Schüller.

Dass die Abschlussklassen ab kommender Woche wieder in die Schulen dürfen, begrüßt der Stadtelternrat Magdeburg. „Der Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen ist wichtig, daher ist jede dahingehende Maßnahme zu begrüßen. Ein halber oder ganzer Schultag pro Woche ist besser als gar keiner“, so Stadtelternratsvorsitzende Annette Kirstein.

Allerdings: „Die Jugendlichen werden mit großen Wissensunterschieden in die Schulen zurückkehren. Alle bekommen jedoch die gleichen Prüfungsaufgaben. Wie will man sicherstellen, dass diesem Umstand Rechnung getragen wird?“, fragt die Stadtelternratsvorsitzende. Ein weiterer Punkt ist, wie die Schüler entsprechend den Sicherheitsabstandsregelungen mit dem Nahverkehr zur Schule kommen werden. Lob gab es aber auch: „Das schrittweise Hochfahren des Schulbetriebs ist eine gute Idee, weil man dadurch auch den Praxistest schrittweise machen kann“, so Annette Kirstein.