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Corona Virus zwingt in Kurzarbeit und Quarantäne

Das Verbot von Großveranstaltungen in Magdeburg hat weitreichende Folgen - für Besucher, Veranstalter und Zulieferer.

Von Ivar Lüthe 11.03.2020, 00:01

Magdeburg l Zehn Mädchen und Jungen aus Magdeburg befinden sich derzeit in häuslicher Quarantäne. Dabei handelt es sich um Schülerinnen und Schüler des Ecole-Gymnasiums Barleben. Sie waren am Freitag von einem Ski-Lager aus der Corona-Krisenregion Südtirol zurückgekehrt. Bei ihrer Ankunft wurden die insgesamt 27 Schüler, zwei Lehrer und ein Elternteil vom Gesundheitsamt des Landkreises Börde in häusliche Quarantäne geschickt, berichtete Schulleiter Michael Kleinen der Volksstimme. Durchgeführte Tests auf das Coronavirus seien bei den Beteiligten negativ ausgefallen, hieß es. Dennoch müssen sie für 14 Tage zu Hause bleiben und dürfen die Wohnung nicht verlassen.

Hotel- und Gastgewerbe: Michael Schmidt, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa) in Sachsen-Anhalt, spricht von einer „brisanten Situation“. „Es gibt überall massenhaft Stornierungen. Große Unternehmen wie VW haben ihre Schulungsprogramme komplett abgesagt. Das bekommen Hotels kräftig zu spüren.“ Aber auch die sonst reiselustigen Rentner blieben im Moment lieber zu Hause. „Die Liquiditätsdecke vieler Unternehmen in der Region ist dünn und solche Ausfälle schwer zu verkraften.“ Der DeHoGa fordert Hilfen vom Land.

Ratswaage-Hotel: Detlef Dahms, Geschäftsführer des Ratswaage Hotels am Breiten Weg, bestätigt auf Nachfrage Stornierungen in Serie. „Sowohl bei Geschäftsreisen als auch im touristischen Bereich verzeichnen wir Absagen. Die Chinesen haben komplett storniert, daneben kommen wir auf rund 30 Prozent Stornierungen.“ Noch sei die Liquidität des Unternehmens gesichert, „aber nicht mehr alle Mitarbeiter haben etwas zu tun“. Aktuell versuche man Urlaubstage abzubauen; Kurzarbeit als nächster Schritt nicht ausgeschlossen. Das erste Halbjahr 2020 habe er, so Dahms, geschäftlich abgeschrieben.

Maritim-Hotel: Die Hotelkette Maritim, Betreiber von mehr als 30 Hotels in Deutschland und einem Dutzend im Ausland, hat konzernweit ein Sprechverbot verhängt. „Das Unternehmen hat sich bewusst entschieden, zum Zeitpunkt keine Kommentare zur Corona-Krise abzugeben“, sagt Konzernsprecherin Harriet Eversmeyer. Selbstverständlich gebe es Auswirkungen auf jedes Haus, so auch auf das Magdeburger, „aber insgesamt ist das jetzt ein politisches und behördliches Thema“.

Gaststätten/Catering: Zwei große Magdeburger Catering-Unternehmen, die Ratswaage Catering und die Gastro Concept GmbH, haben Kurzarbeit beantragt. „Wir sind seit heute in Kurzarbeit“, sagt am Dienstag, 10. März 2020, der Gastronom und IG-Innenstadt-Sprecher Arno Frommhagen. Er ist einer von drei Geschäftsführern des Magdeburger Großcaterers Gastro Concept GmbH. Das Unternehmen sorgt für die Versorgung von Veranstaltungsgästen in der Getec-Arena, der Johanniskirche und der Stadthalle und ist extrem vom Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 1000 Gästen betroffen. „Unsere Einnahmen gehen von heute auf morgen auf null.“ Frommhagen hält das am Montag ad hoc ausgesprochene Veranstaltungsverbot für „übereilt“ und „überzogen“. Viele in der IG Innenstadt organisierte Unternehmen teilten die Ansicht. „Man wundert sich allgemein sehr über diese vorauseilende Entscheidung.“

Arbeitsagentur: Bei der Magdeburger Agentur häufen sich seit einigen Tagen die Anfragen von Unternehmen zur Kurzarbeitergeld-Regelung. „Wir haben einen bedeutenden Anstieg zu verzeichnen“, sagt Gabriele Scheiner, stellvertretende Pressesprecherin der Magdeburger Agentur. Die Anfragen kämen vor allem aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe, aus dem Messe- und Veranstaltungsbau und von Reiseveranstaltern. „Überall dort, wo die Aufträge und Buchungen wegbrechen“, so Gabriele Scheiner. Konkrete Anträge gebe es noch nicht. Der Grund: „Wir warten noch auf ein Handlungsgesetz der Bundesregierung.“ Bis jetzt fehle noch die gesetzliche Grundlage, um in dieser Situation Kurzarbeitsgeld genehmigen zu können. Man hoffe, sehr schnell klare Regelungen aus Berlin zu bekommen.

Verkehrsbetriebe: Einschränkungen gibt es noch nicht, sagt MVB-Sprecher Tim Stein. Allerdings werden ab sofort täglich die Fahrerkabinen sowie alle Handläufe und Griffe in Bahnen und Bussen desinfiziert.

Rathaus: Im Wirtschaftsdezernat der Stadt bereitet man sich derweil auf den Corona-Virus vor. „Wir sind im engen Kontakt mit dem Wirtschaftsministerium des Landes, der IHK und der Handwerkskammer“, sagt Wirtschaftsbeigeordneter Rainer Nitsche. Und auch er wartet auf Signale der Bundesregierung. „Wir hoffen, dass sehr schnell und vor allem ein unbürokratisches Konjunktur- oder Hilfspaket von der Bundesregierung aufgelegt wird. Viele Unternehmen brauchen schnelles Geld, um eine Insolvenz abzuwenden, wenn ihnen durch die Auswirkungen des Corona-Virus Aufträge verloren gehen.“ Der Plan sei, im Wirtschaftsdezernat so schnell wie möglich eine Beratungs-Hotline für Unternehmen einzurichten. „Das hat bei der Wirtschaftskrise 2009 schon sehr gut funktioniert“, so der Wirtschaftsbeigeordnete. Zum Thema „Wirtschaftskontakte nach China“ sagte Nitsche, das vieles zurzeit auf „Sparflamme“ laufe. „Normalerweise haben wir pro Woche zwei bis drei Wissenschafts- und Wirtschaftsdelegationen aus China zu Gast in Magdeburg. Da läuft im Augenblick nichts mehr.“

Messe- und Veranstaltungs GmbH Magdeburg, unter anderem Betreiber von Getec- und MDCC-Arena, Stadthalle, Amo: Bei der MVGM war man einen Tag nach der Untersagungsentscheidung für Großveranstaltungen noch weiter damit beschäftigt, sämtliche Veranstalter, die Termine im März in Magdeburg gebucht hatten, zu kontaktieren. „Wir sind derzeit dabei, eine Übersicht zu erstellen, welche Veranstaltungen stattfinden werden und welche verschoben oder abgesagt werden müssen. Das wird noch etwas Zeit in Anspruch nehmen“, so MVGM-Chef Steffen Schüller am Dienstag. Die Reaktionen der Veranstalter seien verschieden. Manche Veranstalter, die nicht unter die 1000-Besucher-Regelung fallen, hätten erklärt, ihr Event durchführen zu wollen, andere wiederum würden lieber verschieben, obwohl sie weniger als 1000 Besucher erwarten. Manche Agenturen würden ihr geplantes Event gar um ein Jahr verschieben wollen. Auch Dienstleister wie Caterer oder Techniker würden sich bei der MVGM melden und nach der aktuellen Lage fragen. Für sie gehe esunter anderem darum, ob sie Kurzarbeit beantragen müssten.

Telemann-Festtage (13. bis 22. März in Magdeburg): Die Telemannfesttage kommen bisher noch ohne Einschränkungen aus, so Sprecherin Kathrin Singer. Sämtliche Veranstaltungen finden in Räumen mit deutlich geringeren Kapazitäten statt.

Frauenaktionstage: Magdeburgs Gleichstellungsbeauftragte Heike Ponitka streicht einen für morgen im Opernhaus geplanten Empfang. „Wegen der möglichen Auswirkungen bei nur einem Corona-Verdachtsfall für alle Teilnehmerinnen der Veranstaltung müssen wir leider den Empfang absagen“.

Tourismus: In der Tourist Information stehen seit Dienstag, 10. März 2020, die Telefone nicht mehr still, sagt Sprecherin Franziska Ellrich. Bei den Anrufern handelte es sich vor allem um Ticketbesitzer unter anderen für Roland Kaiser. Ellrich: „Vorerst müssen wir die Kunden noch um etwas Geduld bitten, da die weitere Verfahrensweise im Hinblick auf die einzelnen Events sich noch in der Abstimmung befindet." Teilweise stornierten die Ticketbesitzer aufgrund der abgesagten Veranstaltungen auch gebuchte Zimmer in Magdeburg. Ellrich: „Allgemein bekommen wir von zahlreichen Magdeburger Hotels die Rückmeldung, dass aufgrund des Coronavirus sehr viele kurzfristige Stornierungen zu verzeichnen sind."

Im Bereich Gruppentouristik verzeichne man aufgrund des Coronavirus bisher eine Absage im März einer Reisegruppe von Handwerkern aus Schleswig-Holstein. Weiterhin habe am Dienstag ein erster Reiseveranstalter mit 50 Gästen aus Prag für April mit Hinweis auf Corona seinen Besuch abgesagt. Die Reise solle jetzt auf den Sommer verschoben werden. Insgesamt verzeichnet Magdeburg Marketing bisher für die Nebensaison im März2020 14 Aufträge von Reiseveranstaltern. Bis gestern Nachmittag habe es hier keine Absagen gegeben, so Ellrich.