Magdeburg l „So hätte doch wohl jeder gehandelt“, sagt Denis Buchtatyj, als er von seiner Kandidatur für den Magdeburger des Jahres 2018 erfährt. Allein diese Zurückhaltung zeichnet den 36-Jährigen aus. Denn so wie er hätten eben nicht alle gehandelt. Denis Buchtatyj ist dazwischengegangen, als ein gewalttätiger Mann einen Polizisten angegriffen hat – und hat sich dabei selbst in Gefahr gebracht.
Rückblick: Es war ein Sonntag Mitte April 2018, als Denis Buchtatyj auf einem Parkplatz im Neustädter Feld ein Mann mit nacktem Oberkörper auffällt. Er lädt gerade seine Sachen in den Kofferraum, um die Fahrt zu seinem damaligen Arbeitsplatz in Süddeutschland anzutreten. Doch daraus wird nichts. Wenige Sekunden später sieht er, wie ein Funkstreifenwagen in der Nähe stoppt.
Zwei Polizeibeamte steigen aus und versuchen den halbnackten Mann festzuhalten. Der 33-Jährige soll sich in dem Wohngebiet im Neustädter Feld zum Teil ausgezogen und an seinem Geschlechtsteil gespielt haben. Dabei soll er sich auch vor Kindern vollständig entblößt und ein Mädchen sogar an der Brust berührt haben.
Als die beiden Polizisten die Personalien des mutmaßlichen Täters kontrollieren wollen, setzt dieser sich aggressiv zur Wehr. Denis Buchtatyj sieht die Auseinandersetzung und hört den Halbnackten schreien: „Ich bringe dich um“. Die zweite Beamtin ruft um Hilfe. Denis Buchtatyj läuft sofort zum Ort des Geschehens und schreitet ein.
Im Handgemenge gelingt es dem Täter, den 26-jährigen Polizisten in den Würgegriff zu nehmen und zuzudrücken, bis dieser sogar das Bewusstsein verliert. Seine Kollegin Alina Heide sprüht mit Pfefferspray und schlägt mit dem Schlagstock auf den Täter ein. Nichts hilft. Der Mann zeigt keinerlei Reaktion. Denis Buchtatyj packt mit vollem Krafteinsatz zu, so dass sich der Polizist endlich aus dem Griff befreien kann. „Es ging alles so schnell. Das ist alles innerhalb weniger Sekunden passiert“, erinnert sich Denis Buchtatyj.
Zusammen mit den Polizisten drückt er den Täter auf den Boden. Weitere Polizisten treffen am Tatort ein und der Mann kann festgenommen werden. Denis Buchtatyj wird gleich vor Ort noch als Zeuge befragt. Und kann erst Stunden später als geplant seine Fahrt in den Süden antreten. „Ich glaube, das war das verrückteste Wochenende meines Lebens“, sagt der Magdeburger.
Am Freitag vor dem Übergriff wurde ihm der akademische Grad des Doktors verliehen. Erst wurde noch fröhlich gefeiert und am Sonntag folgt dann dieser gefährliche Vorfall. Das betroffene Polizisten-Team ist Denis Buchtatyj sehr dankbar für sein selbstloses Handeln. „Das ist ganz und gar nicht selbstverständlich“, sagt die Beamtin des Magdeburger Polizeireviers Alina Heide.
Selbst an dem betreffenden Sonntag hätten mehrere Passanten in der Nähe gestanden. Doch niemand schritt ein. „Sie haben einfach nur zugeschaut“, erinnert sich die Polizistin. „Als mein Kollege bewusstlos auf den Boden sackte, dachte ich, das war es jetzt.“ Dass Denis Buchtatyj einschritt und den Würgegriff lösen konnte, „war unsere Rettung“, sagt Alina Heide.
Für Denis Buchtatyj ist es nicht nachvollziehbar, wenn Menschen nur zusehen. Für den 36-Jährigen ist es ein Unding, dass immer wieder Augenzeugen „eher zu ihrem Handy greifen und eine gefährliche Situation filmen, als dass sie einschreiten und helfen“. Er selbst war zuvor noch nie in so einer Situation. „Ganz sicher hat das Adrenalin für die Stärke gesorgt“, sagt der Ingenieur kurz nach dem Vorfall gegenüber der Volksstimme.
Wenn der Kandidat für den Magdeburger des Jahres 2018 nicht gerade Polizisten zu Hilfe eilt, hält er sich durch Volleyball und Basketball fit. Zur Arbeit pendeln er und seine Frau jeden Tag nach Wolfsburg, die zweijährige Tochter besucht derweil in Magdeburg eine Kindertagesstätte.
Noch ist es für die Familie keine Option, den Lebensmittelpunkt nach Niedersachsen zu verlegen. Seit 1996 lebt Denis Buchtatyj in Magdeburg. Er hat hier studiert und seine Promotion gemacht. „Ich mag die Menschen“, sagt der 36-Jährige. Für ihn fühlt sich die Stadt an der Elbe nach Heimat an. Als Maschinenbauingenieur wünscht er sich jedoch mehr technische Industrie.
Im August hat der Prozess gegen den 33-jährigen Angreifer begonnen. Er sitzt jetzt wegen versuchten Totschlags vor dem Magdeburger Landgericht. Der Mann soll vermutlich psychisch krank sein. Deswegen wurde er nach seiner Festnahme ins psychiatrische Landeskrankenhaus gebracht. Sollte sich im Prozess die Schuldunfähigkeit bestätigen, könnte eine dauerhafte Sicherungsverwahrung in Betracht kommen. Denis Buchtatyj kann für das Verfahren zu einem wichtigen Zeugen werden. Er wird verfolgen, wie der Prozess weitergeht. Und hofft, dass sich so eine Situation nie wiederholt.
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