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Bebauungsplan „Eulenberg“ Der Vorentwurf für Magdeburgs Mega-Industriepark steht

Der Vorentwurf für Magdeburgs neues Industriegebiet „Eulenberg“ steht. Diskussionen begleiten das Vorhaben, eine 350 Hektar fassende Ackerfläche zu entwickeln.

Von Marco Papritz 09.07.2021, 00:15
Im Süden der Stadt soll im Bereich zwischen Wanzleber Chaussee, Autobahn 14 und der Gemarkungsgrenze eine 350 Hektar fassende Ackerfläche zu einem Industriegebiet entwickelt werden. Etwas mehr als 20 Interessierte beteiligten sich an der Vorstellung des Vorentwurfs des dafür nötigen Bebauungsplans.
Im Süden der Stadt soll im Bereich zwischen Wanzleber Chaussee, Autobahn 14 und der Gemarkungsgrenze eine 350 Hektar fassende Ackerfläche zu einem Industriegebiet entwickelt werden. Etwas mehr als 20 Interessierte beteiligten sich an der Vorstellung des Vorentwurfs des dafür nötigen Bebauungsplans. Foto: Marco Papritz

Magdeburg - „Der Bebauungsplan befindet sich noch in einer sehr frühen Phase“, ist Jörg Rehbaum (SPD) als Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bau und Verkehr während der knapp 100-minütigen Zusammenkunft am Dienstag stets bemüht für Verständnis zu werben, dass Detailfragen zum angestrebten Industriegebiet auf einer Ackerfläche bei Ottersleben bei der Vorstellung des Vorentwurfs noch nicht beantwortet werden können. Dazu zählt beispielsweise die Nachfrage von Friedrich Kersten zur Verwendung des Bodens, der für die angestrebte Ansiedlung von Unternehmen im Süden der Stadt auf der 350 Hektar fassenden Fläche abgetragen werden soll. Bei einer Bodentiefe von 30 Zentimetern „wären dies knapp eine Million Kubikmeter bester Bördeboden“, so Kersten.

Keine Erfahrung

Mit solch einem Vorgang habe man bislang keine Erfahrung, gaben die Vertreter der Stadtverwaltung offen zu. Sie verwiesen auf Gutachten, die in diesen Tagen ausgelöst werden sollen. „Erst im Laufe des Verfahrens kann dazu etwas gesagt werden“, so Rehbaum. Zu den Gutachten zählen auch Untersuchungen hinsichtlich eines Lärmschutzes einer kleinen Siedlung, die südöstlich an das großflächige Areal grenzt.

Dass das Gebiet für die Ansiedlung von Industrie genutzt werden soll, daran ließen Jörg Rehbaum und Sandra Y. Stieger (CDU), Wirtschaftsbeigeordnete der Stadt, keinen Zweifel. Sie verwiesen auf die Kette, die mit dem Eulenberg ausgelöst werden soll. Es sollen Arbeitsplätze geschaffen, Steuereinnahmen der Stadt erhöht, Familien gewonnen und damit die Einwohnerzahl gesteigert werden. Dass dafür aber „der kostbare Boden mit einer Ackerzahl (ist eine Bewertungszahl für die Qualität eines Ackers von 10 bis 100, wobei 100 als „sehr gut“ gilt, Anmerkung der Redaktion) von 100, mit dem Nahrung gewonnen wird und der Grundlage für die Versorgung von Einwohnern ist, unwiderruflich verloren geht, ist auch mit Blick auf das Umdenken in der Gesellschaft für ein bewussteres Handeln in keiner Weise nachvollziehbar“, stellt nicht nur Friedrich Kersten kritisch fest.

Einmaliges Filetstück

„Was ist, wenn die Planung fehlläuft und kein großes Unternehmen anbeißt?“, hinterfragt etwa Klaus Kagelmann stellvertretend für viele Ottersleber, die der Informationsveranstaltung beiwohnen. Diese Gefahr bestehe, so Jörg Rehbaum. „Auch wenn eine Ansiedlung nicht im ersten Zug klappt – das ist die Zukunft“, verweist er unter anderem darauf, dass der Eulenberg einer von gerade einmal fünf Bereichen in Sachsen-Anhalt ist, in dem eine Industrieentwicklung in der angestrebten Größenordnung möglich ist. „Und der Eulenberg sticht dabei heraus“, fügt er an. Warum? „Weil 350 Hektar als frei zu entwickelnde zusammenhängende, unverbaute Fläche in der heutigen Zeit weltweit eine Seltenheit sind“, so Sandra Yvonne Stieger.

Zurück nach Europa

Zudem habe die Corona-Krise den Unternehmen gezeigt, „dass die Produktion zurück nach Europa verlagert werden soll“. Ein weiteres Argument pro Magdeburg und damit Eulenberg seien die vielfältigen Verkehrswege, „die von den Unternehmen genutzt werden können“, sagt sie weiter und verweist auf die sogenannte trimodale Anbindung – Straße, Schiene, Wasserstraße.

Gezielte Vermarktung

Dass die Planung der Stadt aufgeht, dafür soll das gezielte Ansprechen großer Produzenten sorgen. Die Vermarktung des Areals ist in Zusammenarbeit mit der Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt und der Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH vorgesehen. Sie soll anlaufen, „sobald ein Eigentumsstand erreicht ist, mit dem wir ruhigen Gewissens mit der Vermarktung beginnen können“, so die Beigeordnete. Hintergrund: Die 350 Hektar befinden sich in den Händen mehrerer Besitzer, die Stadt ist nur einer davon.

Dass das Thema „Verkehr“ in Ottersleben ein äußerst sensibles ist, macht Ronni Krug deutlich. „Es bedarf einer Gesamtbetrachtung, um der Situation, die sich durch die neuen Eigenheimgebiete in Frankefelde und an der Niendorfer Straße und eben die Eulenberg-Pläne zweifellos zuspitzen wird, Herr zu werden“, so der Vorsitzende des Bürgervereins „Bürger für Ottersleben“ (BfO). Der Verein sieht die Bestrebungen der Stadt, zwischen Wanzleber Chaussee, A 14 und dem Gemarkungsbereich als Grenze „direkt vor den Toren des Stadtteils Industrie in einer immensen Größenordnung“ anzusiedeln, kritisch. „Familien, die sich bewusst für ein Eigenheim in unserem ,Dorf’ entschieden haben, um Ruhe zu genießen, dürften sich veralbert fühlen – wir hören bereits sehr wohl den Lärm von der Autobahn“, befürchtet Krug eine weitere Lärmbelästigung durch das angepeilte Industriegebiet.

Variable Aufteilung

Konkret kann die Verwaltung bereits etwas zur Einteilung des Geländes sagen. Ein großflächiger Westteil ist laut Jörg Rehbaum für eine sogenannte Gigafactory (überdimensionales Werk) vorgesehen, der gegenüberliegende Ostteil „eher für kleinere Ansiedlungen“. Laut Elke Schäferhenrich, Abteilungsleiterin Bauleitplanung im Stadtplanungsamt, wird eine Erschließungsstraße über das Gelände geführt, für das ein Bahnanschluss sowie eine Anbindung mit einem Fuß- und Radweg vorgesehen ist. „Wünscht ein Käufer eine andere Aufteilung, kann die Straße verlegt oder auch weggelassen werden“, so die Abteilungsleiterin auf Hinweis von Wolfgang Wähnelt, dass „zu viele Festlegungen mögliche Interessenten verschrecken können und es dann doch zu einer kleinteiligen Bebauung kommt, die nicht gewünscht ist“. Im Zentrum ist eine Grünfläche mit Regenrückhaltebecken vorgesehen, ringsherum sollen ebenfalls Grünflächen mit Versickerungsfunktion entwickelt werden. Am westlichen Rand soll eine Leitungstrasse verlaufen.

2020 ist die Wiederaufnahme der Eulenberg-Pläne vom Stadtrat beschlossen worden. 2002 bemühte sich die Stadtverwaltung, auf dem Gelände mit BMW einen Autobauer nach Magdeburg zu lotsen – das Unternehmen entschied sich jedoch für Leipzig. Nun wird ein neuer Anlauf genommen, der Bebauungsplan ist die Grundlage. Er soll in einem zweijährigen Regelverfahren erstellt werden und mit eingeschränkten Industrieflächen dafür sorgen, „dass keine Logistik, sondern produzierendes Gewerbe ermöglicht wird“, so Sandra Yvonne Stieger.