1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Die vielen Leben der Leiterstraße: Von Kaufhaus Held bis "Kartoffelpufferkneipe"

Buch und Ausstellung zeichnen mit 200 Bildern wechselvolle Geschichte der Einkaufsstraße nach Die vielen Leben der Leiterstraße: Von Kaufhaus Held bis "Kartoffelpufferkneipe"

Von Stefan Harter 14.03.2013, 02:18

Ein neues Buch entführt in die alte Leiterstraße. Mit über 200 historischen Aufnahmen nehmen Norbert Perner und Nadja Gröschner den Leser auf eine Reise durch die wechselvolle Geschichte der Einkaufsstraße mit. Gestern Abend wurden das Buch und die passende Ausstellung vorgestellt.

Altstadt l Kaufhaus Held, Möbelhaus Mitte, Samenhandlung Grasemann, Photo-Handlung Henneberg - ältere Magdeburger dürften diese Namen noch in Erinnerung haben. Alle nach 1976 Geborenen wohl nicht, denn in diesem Jahr begann die Stadt damit, die Leiterstraße, in der sich einst jene Geschäfte befanden, komplett umzubauen.

Nicht das erste Mal, dass sich das Bild der Einkaufsstraße veränderte. Das war auch ein Grund, warum sich Nobert Perner in sie "verguckte" und ihr gemeinsam mit Nadja Gröschner, Grande Dame der Magdeburger Stadtgeschichte, ein eigenes Buch widmete, das gestern Abend offiziell vorgestellt wurde. Natürlich in der Leiterstraße.

Als Perner 1978 zum Maschinenbaustudium nach Magdeburg kam, war die alte Straße gerade verschwunden, der Bau der neuen hatte begonnen. "Immer wieder sagten Leute zu mir, wie schön es hier zuvor war", erinnert er sich. Über zehn Jahre werkelten die sozialistischen Bauherren an dem vermeintlichen Prestigeprojekt. Erst kurz vor dem Mauerfall wurde mit dem Fruchthof das letzte Gebäude eröffnet.

Dann wurde wieder alles anders und die Leiterstraße blieb ein wenig stiefmütterlich abseits des großen Breiten Weges. Ab 2000 unternahm die Wohnungsbaugesellschaft (Wobau) als Eigentümerin der meisten Objekte einige Anstrengungen, um die Leiterstraße wieder attraktiver werden zu lassen.

Hierbei kam dann auch Norbert Perner ins Spiel, der mittlerweile auf Grafik umgesattelt hatte und für das Wohnungsunternehmen das "Grünhaus" im Herzen der Straße "bespielen" sollte. Ausstellungen waren naheliegend und seit einigen Jahren auch stets gut besucht. Eine erste, "noch recht dürftige" Schau zur Leiterstraße, die dennoch auf große Resonanz stieß, weckte den Ehrgeiz von Perner: "Machen wir doch ein Buch daraus." Auch Wobau-Chef Heinrich Sonsalla war von der Idee angetan.

Zusammen mit Nadja Gröschner ging Norbert Perner dann in die Bauaktenkammer und versuchte, die alte Leiterstraße wieder "auszugraben". Zwei Jahre dauerte die mühevolle Rekonstruktion. Bis auf die Buchhandlung Holtermann und die Stadtmission kannte er zunächst niemand anderen der ehemals ansässigen Händler oder Institutionen.

Inzwischen gab es aber einige Kontakte, u. a. meldete sich die Tochter des Geschäftsführers der Samenhandlung C. A. Grasemann und stellte ihm zahlreiche Aufnahmen aus der Blütezeit des Unternehmens zur Verfügung. Sie stellen ein Herzstück der Ausstellung dar, die ebenfalls seit gestern im "Grünhaus" zu sehen ist. "Diese Bilder kennt noch niemand", sagt Perner stolz. In Fünferreihen stehen die Menschen darauf vor der Samenhandlung Schlange. "Viele kamen aus dem Umland", weiß der Neu-Autor. Ebenfalls beliebt, aber aus anderen Gründen, war die sogenannte "Kartoffelpufferkneipe", ein HO-Imbiss, in dem man angeblich mit seiner Jacke bezahlen konnte und Pfarrer und Parteisekretär gemeinsam ihr Bier tranken.

Das einstige Hauptquartier der Stadtmission an der Hausnummer 20 wurde bereits im Zweiten Weltkrieg zerstört, ein weiteres Gebäude fiel dann den DDR-Plänen zum Opfer. Aber auch diese Gebäude sind bereits längst wieder Vergangenheit, die Jugendtanzgaststätte "Rund", der dunkle Durchgang zur Otto-von-Guericke-Straße oder der Turm zum Kabarett verblassende Erinnerungen.

Unvergessen hingegen bei vielen Magdeburgern die Nachkriegsjahre, in denen zahlreiche Lichterketten die Leiterstraße zur festlichen Weihnachtsstraße machten. "Vieles hat man vergessen, aber die Bilder erinnern einen sofort an die Kindheit", schrieb dazu eine Besucherin bereits ins Gästebuch.

"Die Leiterstraße zeigt die Stadtgeschichte im Kleinen und die ist kompliziert genug", meint Norbert Perner. Jeder habe eine andere Erinnerung und verklären sei nicht seine Sache. Buchhändler Holtermann habe z. B. nach dem Abriss 1976 nur gesagt: "Endlich ist die Bruchbude weg."

Die Ausstellung ist täglich von 9 bis 18 Uhr im "Grünhaus" zu sehen. Das Buch gibt es in den Buchhandlungen Wahle und Holtermann sowie der Universitätsbuchhandlung.