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DiebstahlMagdeburger Polizei-Panne bei Ganovenjagd

Trotz Fahrzeugortung sind Diebe eines Transporters der Polizei in Magdeburg durch die Lappen gegangen.

Von Franziska Ellrich 21.09.2018, 01:01

Magdeburg l Drei Einbrüche in acht Monaten: Jens-Torsten Franke aus Magdeburg ist es leid. Auf seinem Firmengelände in Magdeburg-Salbke ist es nicht mehr sicher. Wiederholt wurden ihm Autoschlüssel und die dazugehörigen Transporter gestohlen. Umso mehr ärgert es ihn, dass die Polizei nach dem jüngsten Einbruch die Täter entkommen ließ – trotz eingebauter Fahrzeugortung.

Noch schlimmer: Mit dem gestohlenen Wagen gingen die Diebe in der Börde auf Einbruchstour. Die Beamten konnten den Weg der Täter per GPS exakt nachvollziehen. Geschnappt oder vom Einbruch abgehalten, haben sie die Verbrecher nicht. Fehler räumt die Polizei keine ein. Man habe rein taktisch gehandelt. Der Betroffene selbst kann keine Taktik erkennen.

Der Vorfall ereignete sich bereits vor drei Wochen. Die Volksstimme hat den Fall jetzt umfassend rekonstruiert. Von Anfang an: Es ist gegen Mitternacht, als die Diebe das Tor zu dem Firmengelände im Südwesten von Magdeburg aufbrechen. Auf den Aufnahmen der Überwachungskamera wird Jens-Torsten Franke später zwei dunkel gekleidete Männer erkennen. Die Männer stehlen erst die Autoschlüssel aus einem Tresor und fahren dann einen der Mercedes-Tranporter vom Hof.

Sie schlagen die Scheiben eines zweiten Firmengebäudes ein, brechen dort Schränke auf und stehlen Bargeld. Noch bis 3 Uhr morgens muss der gestohlene Transporter auf einem gegenüberliegenden Parkplatz gestanden haben. Das weiß Jens-Torsten Franke so genau, weil alle seine Firmenwagen mit einem Sender ausgestattet sind, der per GPS eine Ortung im Minutentakt möglich macht.

Gegen 4 Uhr erfährt der bestohlene Unternehmer von dem Einbruch. Auch die Polizei in Magdeburg  ist jetzt alarmiert. Jens-Torsten Franke ortet seinen Wagen und teilt den Beamten den aktuellen Standort mit: Der Wagen steht im Neustädter Feld, in einer Wohnsiedlung im Norden von Magdeburg. „Die Kräfte waren sofort vor Ort, haben aber keine Tatverdächtigen gefunden“, so Polizeisprecher Frank Küssner auf Nachfrage.

Gegenüber der Volksstimme will die Polizei keine Details preisgeben, wie die weitere Überwachung abgelaufen ist. Jens-Torsten Franke zufolge haben die Beamten vorerst den unter einem Baum geparkten Wagen observiert, später einen eigenen Sender angebracht. Das bereits eingebaute Überwachungssystem wollten sie offenbar nicht nutzen.

Die Überwachung ist jedoch nicht von langer Dauer. Bereits wenige Stunden später kündigen die Polizisten ihren Rückzug an. Für den bestohlenen Unternehmer völlig unverständlich. Jens-Torsten Franke: „Wie können sich die Polizisten gegen die Chance entscheiden, auf die Täter zu warten und sie zu fassen?“ Gegenüber dem Betroffenen sollen die Polizisten Personalprobleme eingeräumt haben. Niemand habe Zeit, die Signale des Senders weiter zu verfolgen.

Auf Nachfrage will Sprecher Frank Küssner Personalnot bei der Polizei nicht als Grund bestätigen. Es habe sich um eine rein taktische Entscheidung gehandelt. Küssner: „Erfahrungsgemäß lassen sich Autodiebe lange Zeit nicht wieder in der Nähe ihres Diebesguts blicken.“ Der bestohlene Unternehmer ist anderer Meinung – und soll am Ende Recht behalten.

Franke lehnt gegenüber der Polizei ab, dass die Beamten den gestohlenen Wagen an Ort und Stelle öffnen, um Spuren zu sichern. Da der Autoschlüssel weiterhin im Besitz der Diebe ist, wären ihm dadurch auch nur Kosten entstanden. Franke: „Ich hätte den Wagen abschleppen lassen müssen.“

Der Bestohlene entscheidet sich, die Überwachung selbst zu übernehmen – mit Hilfe seines eigenen Senders. Die Beamten halten das Ganze schriftlich fest und ziehen sich zurück. Jens-Torsten Franke lässt sich derweil auf seinem Handy regelmäßig von dem Ortungsprogramm informieren, ob sich sein Wagen bewegt.

Sein Ziel bleibt es, die Täter zu erwischen, um einen wiederholten Einbruch zu vermeiden. In der Nacht ist es dann soweit. Die Diebe starten den gestohlenen Wagen. Sie fahren in Richtung Sülzetal im Bördekreis. Als Jens-Torsten Franke das bemerkt, informiert er sofort die Polizei. Die Beamten sind mittlerweile im Besitz seiner Zugangsdaten zum Programm des Senders, um den Weg mitzuverfolgen.

Für mehr als zwei Stunden parken die Verbrecher den Transporter an einem Sportplatz in Altenweddingen, direkt gegenüber einer Einfamilienhaussiedlung. Dem Polizeisprecher zufolge fahren umgehend mehrere Streifenwagen zu diesem Ort. „Die Kollegen haben Stellung bezogen und sich an möglichen Zufahrtsstraßen positioniert“, sagt Frank Küssner. Das Gebiet steht unter Beobachtung. Die Diebe sollten so nicht entkommen.

Das sind sie allerdings trotzdem. Noch fataler: Während die Polizisten an den Einfahrtsstraßen warten, kommt es in der Siedlung zu einem Einbruch. Und einer gefährlichen Situation: Der betroffene Hausbesitzer soll in seinem Erdgeschoss auf die Täter getroffen sein. Später werden die Beamten das Diebesgut aus dem Haus in Altenweddingen in dem gestohlenen Transporter von Jens-Torsten Franke finden.

Und der Polizeisprecher wird auf Nachfrage erklären: Dafür, dass die Transporterdiebe „auf Beutezug sind, gab es erstmal keine Anhaltspunkte“.

Zu allem Übel lassen die Polizisten die Wiederholungstäter auch noch entkommen. Frank Küssner gibt immerhin zu: „Keiner der Polizisten hatte den Transporter im Blick.“

Auch das soll reine Taktik gewesen sein, erklärt zumindest der Polizeisprecher. Man habe sich eben für die Variante entschieden, Zufahrtsstraßen abzusperren. Gegen 2.30 Uhr sollen die Polizisten den Wagen dann auf freiem Feld entdeckt haben – kurz vor Dodendorf, ebenfalls im Bördekreis. Der Schlüssel steckt, die Türen sind geöffnet. Nur von den Tätern keine Spur.

Polizeisprecher Küssner ist um Erklärung bemüht: „Es ist unglücklich gelaufen, dass die Täter ein Schlupfloch gefunden haben.“ Aber er hat auch dafür eine Begründung parat: Wegen des Einbruchs sei einer der an den Zufahrtsstraßen postierten Streifenwagen zum Tatort gerufen worden. „Vermutlich flüchteten die Diebe mit dem Transporter genau dort entlang.“

Und das minutengenaue Ortungssystem? Auf den abgelegenen Wegen durch die Felder sei die Verfolgung nicht so einfach gewesen.

Gegen 5 Uhr morgens stehen Polizisten dann bei Jens-Torsten Franke vor der Tür. Um ihm mitzuteilen: Er könne sein Auto vom Feld abholen. Dem bestohlenen Unternehmer fehlen die Worte und das Verständnis. Der Polizeisprecher findet hingegen sogar noch etwas Positives am Verlauf der Polizeiaktion: „Durch die gesicherten Spuren können sich für uns neue Ermittlungsansätze ergeben.“

Die Spur der Diebe