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Nach Anschlag auf den Weihnachtsmarkt Domstein „pilgert“ 250 Kilometer: Magdeburger setzt in Spanien ein Zeichen für seine Stadt

Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt hinterließ tiefe Wunden. Ein Magdeburger fand seinen eigenen Weg, die Trauer zu verarbeiten. Was eine Pilgerreise und ein Domstein damit zu tun haben.

Von Romy Bergmann Aktualisiert: 27.01.2025, 10:57
Die Kathedrale von Santiago de Compostela: Jens Rathke aus Magdeburg brachte einen Gedenkstein mit, um an die Opfer des Weihnachtsmarkt-Anschlags zu erinnern.
Die Kathedrale von Santiago de Compostela: Jens Rathke aus Magdeburg brachte einen Gedenkstein mit, um an die Opfer des Weihnachtsmarkt-Anschlags zu erinnern. Foto: Jens Rathke

Magdeburg/Santiago de Compostela - Die Bilder des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt sind für viele noch immer lebendig. Für zahlreiche Menschen war das Weihnachtsfest 2024 überschattet von Trauer und Entsetzen – der plötzliche Verlust und das unvorstellbare Leid der Betroffenen erschütterte die ganze Stadt, während jeder auf seine ganz eigene Art und Weise trauerte. Doch mitten in dieser Dunkelheit gab es auch Momente des Zusammenhalts und der Besinnung.

Der Magdeburger Jens Rathke entschied sich für einen außergewöhnlichen Weg des Gedenkens. Er brach zu einer Pilgerreise auf dem „Camino Portugues“ auf, begleitet von einem besonderen Symbol: Einem Stein aus dem Magdeburger Dom, den er kurz nach dem Anschlag gegen eine Spende erworben hatte.

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Ein Stein als Symbol: Erinnerung an die Opfer des Anschlags

Auf dem Stein ließ er ein Schild anbringen, das die Inschrift „Magdeburg 20.12.2024“ trägt – das Datum des Attentats. Sein Ziel war es, diesen Stein in Santiago de Compostela abzulegen und ihn so zu einer bleibenden Erinnerung an die Opfer zu machen. „Es gibt nicht viel, was man tun kann“, sagt er. „Aber ich wollte den Hinterbliebenen und Betroffenen wenigstens ein kleines Stück Trost spenden.“

Persönliche Pilgerreise wird zu öffentlichem Gedenken

Zunächst wollte er seine Geschichte nicht verbreiten. „Es war nie mein Ziel, im Rampenlicht zu stehen, es war eine rein persönliche Sache“, betont er immer wieder, als er von seiner Pilgerreise erzählt. Doch als die Volksstimme über einen Hinweis von seiner Reise erfuhr und sich an ihn wandte, nahm der stille Akt eine neue Wendung.

Auch wenn er anfangs unsicher war, ob er seine Reise öffentlich machen wollte, entschloss er sich schließlich, seine Geschichte zu teilen – denn sie war mehr als nur eine persönliche Pilgererfahrung. „Vielleicht kann es ja auch anderen Mut machen, sich mit einem solchen Verlust auseinanderzusetzen.“

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Magdeburg ist seine Heimatstadt, hier ist er aufgewachsen und hat sein Leben verbracht. Der Anschlag habe ihn wie alle zutiefst erschüttert. „Ich hätte nie gedacht, dass so etwas bei uns in Magdeburg passieren könnte.“ Bereits 2018 war er den Camino Frances einmal gegangen und erinnerte sich an das befreiende Gefühl, das ihm diese Reise vermittelt hatte. Die Entscheidung, wieder aufzubrechen und dabei etwas innere Ruhe zu finden, reifte mit Unterstützung seiner Familie in ihm.

Dieser Stein aus dem Magdeburger Dom mit der Aufschrift „20.12.2024“ liegt nun in der Kathedrale.
Dieser Stein aus dem Magdeburger Dom mit der Aufschrift „20.12.2024“ liegt nun in der Kathedrale.
Foto: Jens Rathke

Am 9. Januar begann Jens Rathke seine 250 Kilometer lange Reise von Porto nach Santiago. Der Domstein begleitete ihn bis zu seiner Ankunft in Santiago. Dort wollte er diesen symbolischen Akt der Erinnerung nicht einfach für sich behalten.

Nach der Pilgermesse habe er den Priester Francisco Buide del Real direkt angesprochen und ihm von der Situation in Magdeburg erzählt, berichtet Rathke. Der Priester habe sofort großes Interesse gezeigt, ebenso wie der Dekan der Kathedrale, Jose Fernández Lago, war tief bewegt und erklärte sich bereit, den Stein in der Kathedrale aufzubewahren.

Magdeburg wird in Gebete aufgenommen

„Dieser Stein bleibt nun hier, in Santiago“, erzählt der Magdeburger bewegt. Und nicht nur das: Man habe auch mit ihm darüber gesprochen, Magdeburg in die Gebete einzubinden. Der Gedanke, dass der Stein aus Magdeburg nun an einem so bedeutenden Ort liegt und an die Opfer erinnert, mache ihn sehr froh.

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Der Pilgerweg verschaffte ihm nicht nur geografischen Abstand, sondern auch den nötigen Raum, seine Gedanken zu sortieren. „Laufen hilft, den Kopf freizukriegen“, sagt er. Mittlerweile ist seine Pilgerreise beendet und er ist wieder in seiner Heimatstadt Magdeburg angekommen.

Die Reise hat ihn nicht nur physisch geführt, sondern auch zu einer tiefen Erkenntnis. „Wenn die Menschen versuchen, aufeinander einzugehen, zu verstehen statt auszugrenzen, dann werden wir alle gewinnen. Wir werden jede Anstrengung gemeinsam meistern können, wie auf dem Camino“, sagt er.