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Dramatische Szenen Die Ersthelfer vom Magdeburger Zugunfall

Eine Frau wird in Magdeburg von einem Zug erfasst - Brunhild Iser und ihre Tochter werden diesen Tag nie vergessen. Sie waren Ersthelfer.

Von Peter Ließmann 13.03.2019, 00:01

Magdeburg l „Wenn ich manchmal die Augen schließe, sehe ich immer noch den IC heranfahren!“ Brunhild Iser werden die Bilder vom 6. März 2019 noch lange beschäftigen. Sie und ihre Tochter Lisa Marie waren die Ersten am Unfallort. Eine junge Frau war am Magdeburger Bahnhof Sudenburg von einem IC erfasst und schwer verletzt worden. Die beiden Magdeburgerinnen haben sich sofort um das Opfer gekümmert – ohne einen Augenblick zu zögern.

Was war geschehen? Kurz vor 22 Uhr fahren die beiden Frauen im Auto an die geschlossene Schranke am Sudenburger Bahnhof heran. Sie kommen gerade aus der Elbeschwimmhalle, wollen nach Hause in die Beimssiedlung. Alles sieht normal aus. Doch plötzlich schiebt eine junge Frau ihr Fahrrad unter der Schranke hindurch.

„Ich sage noch, ,was macht die denn da‘ ,und halte die Luft an, da war es schon passiert“, erzählt Brunhild Iser. Die junge Frau hatte versucht, mit ihrem Fahrrad auf der Schulter die Gleise zu überqueren. Sie will eine Regionalbahn Richtung Helmstedt erreichen. Den auf einem Parallelgleis in gleicher Richtung herannahenden IC bemerkt sie nicht – und wird von der Lok erfasst.

Entsetzen und Schrecksekunde im Auto von Mutter und Tochter Iser. „Dann war uns aber sofort klar, dass wir helfen müssen“, sagt Lisa Marie Iser. Ihre Mutter springt aus dem Auto, läuft so schnell sie kann durch den Fußgängertunnel zum Bahnsteig, von dort zu den Gleisen. „Ich wusste zwar nicht, was mich dort erwartet, aber ich musste nachsehen, ob ich helfen kann“, sagt Brunhild Iser.

Sie ist ausgebildete und erfahrene Krankenschwester, weiß also, was zu tun ist. Die Verletzte liegt neben den Gleisen, ist bei Bewusstsein und ansprechbar. „Man konnte gleich sehen, dass sie schwer an Schulter, Arm und Bein verletzt ist.“

Brunhild Iser erkennt, dass sie die Verletzungen der Frau nicht antasten sollte, also versucht sie, sie bei Bewusstsein zu halten. „Ich habe mit ihr gesprochen, ihre Hand gehalten, ihr gut zugeredet und ihr immer wieder Fragen gestellt. Das ist die beste Methode, ein Unfallopfer vor einer Ohnmacht zu bewahren.“

In der Zwischenzeit (um 22.06 Uhr) alarmiert Lisa Marie Iser Feuerwehr, Notarzt und Bundespolizei. Die treffen nach kurzer Zeit am Unfallort ein – für Brunhild Iser fühlt es sich wie eine Ewigkeit an. „Ich habe mir natürlich große Sorgen um die junge Frau gemacht. Die war eine ganz Liebe und hat immer wieder gesagt: Warum habe ich das nur gemacht?“

Lisa Marie Iser sichert, bis die Bundespolizei eintrifft, nach Kräften den Unfallort ab. Sie will selbst Lokführerin werden und kennt sich mit den Abläufen auf Eisenbahnanlagen schon recht gut aus. Auch Schaulustige entgehen ihr nicht und Passanten, die einfach vorbeifahren, ohne wenigstens zu fragen, ob Hilfe nötig ist. „Ich kann diese Leute nicht verstehen.“

Notarzt und Sanitäter versorgen dann die schwer verletzte Frau, die Bundespolizei beginnt mit der Unfallaufnahme. Brunhild und Lisa Marie Iser treten in den Hintergrund. Sie können sich erst einmal etwas beruhigen, die weitere Szene beobachten.

Brunhild Iser macht sich aber immer noch Sorgen um die junge Frau. „Ich bin dann noch mal zu ihr hingegangen, um zu sehen, wie es ihr geht.“ Das will dann aber der Notarzt erst nicht zulassen und weist sie harsch zurück, berichtet Brunhild Iser. „Ich habe ihm dann aber gesagt, dass wir die Ersthelfer sind. Dann hat er sich entschuldigt, sich bei uns bedankt und mich kurz zu der Frau gelassen.“

Als alles vorbei ist, setzen sich die beiden Frauen ins Auto und fahren nach Hause. Ruhe finden sie dann aber noch lange nicht. „Wir haben bis nachts um eins darüber gesprochen und konnten nicht einschlafen“, erzählt Brunhild Iser.

Und ihre Tochter berichtet noch von einer Begebenheit des Abends, die die ganze Dramatik des Unfalls deutlich macht.

„Es war zufällig ein Lokführer auf dem Bahnhof, der Feierabend hatte. Als er gesehen hat, dass die junge Frau zwar verletzt, aber am Leben war, ist er sofort zu seinem Kollegen in der Lok des IC gelaufen und hat ihm mitgeteilt: sie lebt! Um ihn etwas zu beruhigen. Das hat mich sehr beeindruckt.“ Denn für Lokführer sei es immer sehr schlimm, wenn sie jemanden überfahren und oft nichts tun können, um das zu verhindern.