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Ersthelfer Magdeburger retten mit Defibrillator Leben

Dass der Magdeburger Ulrich Handke noch lebt, hat er zwei Ersthelfern und einem Defibrillator zu verdanken. Die Geschichte:

Von Katja Tessnow 19.03.2019, 09:00

Magdeburg l Die Begegnung ist innig und auch für den Außenstehenden ergreifend. Die Umarmungen kommen von Herzen, als Ulrich Handke auf seine Lebensretter trifft. Im Januar 2019 hat er seinen 70. Geburtstag gefeiert – im Krankenhaus. Dass er ihn überhaupt feiern konnte, verdankt er Bettina Kummer und Hanns-Martin Irmscher.

Rückblende: Am 13. Dezember 2018 ist der Ruheständler mal wieder im Unruhestand aktiv. Der ehemalige EDV-Techniker übernimmt zu diesem Zeitpunkt noch regelmäßig Kurierdienste für das Landesamt für Verbraucherschutz, dessen Magdeburger Sitz am nördlichen Rand des Stadtzentrums in der Großen Steinernetischstraße liegt. Hierher bringt Handke Wasserproben von Gesundheitsämtern aus der Region. An jenem 13. Dezember gelingt es ihm gerade noch, das Auto sauber einzuparken – dann wird es schwarz.

„Ein anderer Kurier hat uns alarmiert“, erzählt Bettina Kummer. Die Medizinisch-technische Assistentin arbeitet im mikrobiologischen Wasserlabor des Amtes. „Ich wollte Herrn Handke in einen Ruheraum hier im Haus bringen. Er sagte immer, es ginge schon noch.“ Ulrich Handke hat keine Erinnerung daran, dass er zunächst noch versuchte, sich eine Treppe hinaufzuschleppen. „Dann kam zum Glück Herr Dr. Irmscher dazu“, erzählt Bettina Kummer.

Hanns-Martin Irmscher ist Dezernatsleiter und promovierter Mediziner – allerdings für Mikrobiologie und Virologie, nicht für Humanmedizin. „Ich bin Arzt im öffentlichen Gesundheitsdienst und nicht im Dienst am Menschen. Ich habe noch nie zuvor jemanden wiederbelebt und bin in diese Situation gekommen wie jeder medizinische Laie.“

Nach noch wenigen wackligen Schritten sackt Ulrich Handke zusammen und fällt den Helfern in die Arme. Sie legen ihn auf dem Boden ab und alarmieren den Rettungsdienst. Handke hat keinen Puls und keine Atmung mehr.

Bettina Kummer ist als Ersthelferin im Landesamt geschult (alle zwei Jahre wird aufgefrischt), aber nutzen brauchte sie ihre Kenntnisse in einer lebensbedrohlichen Situation noch nie. Jetzt spulen sie und ihr Kollege ab, was sie für eine solche Situation wissen. Er macht den Oberkörper von Ulrich Handke frei, sie holt den im Foyer stationierten Defibrillator. „Das Gerät erklärt alles selbst. Es gibt Sprachanweisungen“, so Bettina Kummer.

Mit ihrem Kollegen wechselt sie sich bei der Herzdruckmassage ab. Parallel gibt der Defibrillator zweimal das Signal zum Auslösen. Das Gerät misst am Patienten den Puls und gibt nur bei Bedarf – also bei Kammerflimmern/ Herzstillstand – Stromstöße ab, die das Herz wieder in Takt bringen können. Die Ersthelfer arbeiten abwechselnd weiter, bis der Rettungsdienst eintrifft. „Wir hatten das Zeitgefühl verloren.“

Später erweisen Protokolle, dass die professionellen Retter etwa sechs Minuten nach Alarmierung eintreffen. Als sie den noch immer bewusstlosen Patienten übernehmen, haben Atmung und Puls schon wieder eingesetzt ...

„Als ich im Krankenhaus erwachte, hat man mir gesagt, dass mir das Leben gerettet wurde. Ich würde heute nicht hier sitzen ohne diese Menschen.“ Ulrich Handke geht es wieder gut; keine bleibenden Schäden. Er hat nun einen eigenen Defibrillator im Miniaturformat in der Brust. Auslösen musste der noch nicht. Zwar fühlt sich der 70-Jährige geschwächt, setzt sich auch noch nicht wieder ans Steuer und muss Nachbehandlungen über sich ergehen lassen, aber den Enkel kann er schon wieder von der Schule abholen und der nächste Urlaub mit der Frau ist gebucht: „Teneriffa!“

Ulrich Handke hatte sich mit einem Leserbrief an die Volksstimme gewandt, um sich bei seinen Rettern zu bedanken. Die Redaktion arrangierte das Treffen und durfte dabei sein, weil alle Beteiligten – Helfer wie Patient – hoffen, dass die Geschichte andere motiviert, im Ernstfall auch Erste Hilfe zu leisten.

Ulrich Handke haben seine Retter übrigens ein paar Rippen gebrochen. „Ich glaube sieben“, sagt der lachend und nimmt’s nicht eine Spur übel. Rippenbrüche sind bei Herzdruckmassagen nicht selten und sogar Indiz für die korrekte Ausführung – kräftig genug.

Ulrich Handke fühlt sich wie zum zweiten Mal geboren: „Ich bin zufriedener und dankbarer geworden.“ Hanns-Martin Irmscher überdenkt die Anschaffung eines eigenen Defibrillators: „Für das Auto.“ Falls er noch einmal helfen muss. „Man kann nichts falsch machen“, ermuntert er zur Nachahmung. „Doch“, sagt Bettina Kummer, „einen Fehler kann man schon machen: nämlich nichts zu machen.“