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Zoo Magdeburg Ex-Zoochef ist Ziehvater von kleinem Affen

Ein tragisches Unglück macht den Krallenaffen-Experten Michael Schröpel zum Vater eines kleinen Affen. Überfordert ist er damit nicht.

Von Martin Weigle 25.01.2021, 19:19

Magdeburg l Wer kuschelt sich denn da auf dem Arm von Ex-Zoochef Michael Schröpel? Das ist einer der jüngsten Bewohner des Magdeburger Zoos. Obwohl das kleine Äffchen momentan in Zielitz zu Hause ist. Die junge Springtamarin-Dame, die mal mehr, mal weniger auf den Namen Japurá hört, lebt derzeit im Haus von Magdeburgs ehemaligem Zoodirektor. Das winzige Krallenäffchen kam bereits am 4. Oktober auf die Welt und hat einen schweren Schicksalsschlag hinter sich. Seine Mutter starb etwa zwei Wochen nach dessen Geburt.

Das Äffchen brauchte zum Überleben Ersatzeltern, da es in dem Alter noch auf Muttermilch als Nahrung angewiesen ist. So schrieben es Zoomitarbeiter auf der Facebook-Seite des Zoos. Da die Versorgung eines Affenbabys genauso zeitintensiv wie bei einem neugeborenen Menschen ist, musste jemand mit Zeit und Erfahrung gefunden werden. Deshalb wandten sich die Mitarbeiter an den früheren Zoochef. Michael Schröpel ist Krallenaffenexperte. Er hatte sich als Zoologe wissenschaftlich auf Krallenaffen spezialisiert und kennt sich mit Handaufzuchten aus. So hat er mehr als 20 Krallenaffen über die Jahre von Hand aufgezogen.

Mit diesem kleinen Affen, den Schröpel nach einem Fluss in Brasilien benannte, an dem die Gattung heimisch ist, ist es aber etwas Besonderes. „Sie war ja schon auf ihre Mutter geprägt, deshalb dachte ich anfangs, dass es schwierig werden könnte“, berichtet Schröpel. Das damals etwa 100 Gramm leichte Affenmädchen wird seitdem rund um die Uhr von ihrem Ersatzpapa versorgt. Anfangs brauchte das Jungtier noch alle zwei Stunden seine Ration Muttermilchersatz. Mit Pre-Milch, einem industriell hergestellten Ersatz für Muttermilch, fütterte Schröpel seinen kleinen Schützling.

Zu seiner Überraschung verlief die Umgewöhnung problemlos. Der Ersatzvater erinnert an die herzzerreißende Szene, als er das Jungtier vom Körper der verstorbenen Mutter genommen hat. „Sie hatte sich noch am Fell der Mutter festgekrallt, ließ sich aber von mir hochnehmen.“ Dank der Rationen von jeweils etwa 40 Gramm wuchs die kleine Japurá in zweieinhalb Monaten auf ein Gewicht von 265 Gramm heran. Das junge Tier ist neugierig und verspielt, lässt seinen Ersatzvater aber nicht aus den Augen und hängt sich sofort an ihn, sobald er sich entfernt.

Bei den Mahlzeiten bleibt Japurá ebenfalls in der Nähe und versucht immer wieder, etwas von Schröpels Essen zu stibitzen. Aber Ölsardinen und Salami sind für junge Affen unverträglich und deshalb muss der Ziehvater beim Essen aufmerksam sein, dass sein Junges nicht mit dem falschen Essen verschwindet. Dies sei übrigens für junge Affen ein völlig normales Verhalten. Auch bei ihren natürlichen Eltern versuchen sie anfangs, feste Nahrung zu erbetteln.

Schröpel teilte aber Obst und milde Käsesorten mit dem jungen Affen und führte ihn so an feste Nahrung heran. Japurá war die Monate über nicht mit Michael Schröpel alleine. Auch mit dessen Berner-Sennen-Hündin Sunny versteht sie sich gut. Allerdings seien die Spielfreude und Agilität des Äffchens etwas zu wild für die ruhige und sanftmütige Hündin. Sie suche deshalb oft das Weite.

Wenn Japurá selbst etwas Ruhe braucht und die Nähe ihres Ersatzvaters sucht, krallt sie sich regelrecht an Schröpel fest. So wie sie es in der Natur auch am Fell ihrer Mutter machen würde. Der ehemalige Zoodirektor wickelt sich deshalb zusammengeleimte  Waschlappen wie eine Stulpe um den Unterarm, damit sich die kleine Dame daran festkrallen und hochklettern kann, eine Hilfe für das Affenjunge und ein Schutz für den Ziehvater.

Zum Schlafen legt sie sich an seinen Hals und erholt sich von ihren anstrengenden Abenteuern im Hause ihres Vaters. Der 75-Jährige nimmt den Affen fast überall mit. „Sie ist so klein, da kann ich sie nicht alleine lassen“, so Schröpel. Im Supermarkt freuen sich die Angestellten immer, wenn der Zoologe seinen Wocheneinkauf macht. Denn unter seiner Jacke guckt dann immer der kleine Affe hervor. Auch beim Spaziergang mit der Hündin ist Japurá immer dabei.

Wann der kleine Affe wieder zurück in den Zoo kommt, ist indes ungewiss. „Wegen der Corona-Pandemie kann man das nicht sagen, es muss ja immer jemand da sein und sich um das Tier kümmern.“ So genießt Japurá noch die Vorzüge als Einzelkind und bekommt ihr Lieblingsessen, eine schöne Scheibe Mortadella.