"Kampfhund"-Mischling hatte erst im Dezember Prüfung /Fünfjähriger noch im Krankenhaus Experte nach Beißattacke: "Wesenstest" ist kein Freibrief für sorglose Hundehaltung
Der fünfjährige Junge, der am Wochenende von einem Kampfhund-Mischling gebissen wurde, befindet sich auf dem Weg der Besserung, liegt aber noch im Krankenhaus. Der Hund bleibt im Tierheim. Er hatte erst im Dezember einen Wesenstest absolviert.
Magdeburg l Während der fünfjährige Junge einer Familie aus Reform, der von einem Kampfhund-Mischling angegriffen und im Gesicht schwer verletzt wurde, noch immer im Krankenhaus liegt, hat neben der Polizei auch das Ordnungsamt die Ermittlungen aufgenommen. Es stellte sich heraus: Der Boxer-Stafford-Pitbull-Mischling hatte erst im Dezember 2011 seinen Wesenstest bestanden.
"Da es sich nach dem Beißvorfall nun um einen Vorfallshund handelt, wird das Tier dennoch im Tierheim einbehalten", erklärte gestern Stadtordnungsdienstchef Gerd vom Baur. Derzeit werde geprüft, ob überhaupt noch eine Herausgabe des Hundes an die Halterin erfolgen kann. "Bei der Beurteilung der Gesamtumstände wird dazu ein Sachverständiger hinzugezogen", erklärte Gerd vom Baur weiter.
Experten sehen in dem Verhalten des Hundes in der Betrachtung der Umstände kein übersteigertes aggressives Verhalten, sondern einen klassischen Beißunfall durch "Verhaltensfehler des Besitzers". Die 21-jährige Halterin war mit ihrem zehn Monate alten Baby und ihrem zwei Jahren alte Hund zu Besuch bei der betroffenen Familie, in der auch der fünfjährige Sohn lebt. Nach der Schilderung der Beteiligten soll der Junge unvermittelt aufgestanden, auf das Baby zugegangen sein und es gestreichelt haben.
Tierarzt Helge Schulze, einer der Sachverständigen für Wesenstests in Magdeburg: "Diese Situation hat der Hund vermutlich als Bedrohung für sein ,Schutzobjekt\', den Säugling, angesehen. Es handelte sich somit um eine Reaktion, die möglicherweise rasseunabhängig auch bei jedem anderen Hund hätte hervorgerufen werden können. Hütehunde könnten bei solcher Situation sogar noch schlimmer reagieren." Es zeige nach seiner Meinung nur, dass "ein abgelegter Wesenstest kein Freibrief für sorgloses Handeln der Besitzer" sein kann. Der Experte sehe bei aller Tragik der Ereignisse eher ein Fehlverhalten des Menschen. "Man muss seinen Hund in solcher Situation ganz besonders im Auge haben oder ihn möglichst erst gar nicht in solche bringen", erklärt der Tierarzt.
Die Aufsichtspflicht des Hundehalters bleibe in jedem Fall bestehen und man müsse in jedem Moment Einfluss auf seinen Hund haben. Wenn Kinder mit im Raum sind, müsse man auf alle Situationen erst recht vorbereitet sein.
Ähnlich sieht es auch Gerd vom Baur: "Natürlich prüfen wir auch, unter welchen Umständen der Hund zugebissen hat. Wenn zum Beispiel eine Person den Hund schlägt und dieser sich zur Wehr gesetzt hat, stufen wir ihn nicht gleich als gefährlich ein. Sollte aber ein Hund in einem Einkaufsmarkt unter einem Tisch liegen und ein vorbeilaufendes Kind in die Hand beißen, dann ist es unerheblich, welche Umstände zu dem Verhalten geführt haben. Der Halter hat solch ein Verhalten zu unterbinden", so Gerd vom Baur.
Falls die 21-jährige Hundehalterin des Mischlings einen "Antrag auf Hundehaltung stellt", dürfte dies, vorausgesetzt das Ordnungsamt würde zustimmen, teuer werden. Das heißt: Sollte tatsächlich irgendwann eine Herausgabe des Hundes erfolgen können, müsste die Halterin eine Erlaubnis zur Haltung beantragen und insbesondere eine abgelegte Sachkundeprüfung, ihre Zuverlässigkeit und einen erneuten Wesenstest (rund 400 Euro) nachweisen. Die Steuer würde in jedem Fall 500 Euro betragen.