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Fachkräftemangel Ungarische Pfleger helfen in Magdeburg aus

Um ad hoc genügend Pflegekräfte einsetzen zu können, setzt die Magdeburger Uniklinik auf Mitarbeiter aus Osteuropa.

Von Franziska Ellrich 29.04.2018, 01:01

Magdeburg l Nicht nur für die insgesamt 15 Pflegekräfte aus Ungarn soll der neue Job an der Universitätsklinik in Magdeburg eine Chance sein, sondern auch für die Magdeburger Kollegen. „Wir wollen unseren Mitarbeitern das Gefühl von Multikulturellem vermitteln“, sagt Rick Pieger.

Bei den Ärzten sei man schon lange international aufgestellt, jedoch in der Pflege liege der Anteil der ausländischen Kräfte bei weniger als einem Prozent. Wenn die verschiedenen Nationen Seite an Seite arbeiten, könnten Vorurteile am besten abgebaut werden, so Pieger.

Der Pflegedirektor der Uniklinik in Magdeburg ist gemeinsam mit Jan Hauke vom Geschäftsbereich Personal nach Budapest gefahren, um dort Vorstellungsgespräche mit ungarischen Pflegekräften zu führen. Vermehrt haben Firmen die Vermittlung von ausländischen Kräften als Geschäftsmodell entdeckt und werben die Arbeiter an. Eine Dolmetscherin ist vor Ort und übersetzt.

„Eigentlich ist das nicht unser präferierter Weg, um Nachwuchs zu finden“, sagt Pflegedirektor Pieger. Doch Auslöser für die Dienstreise war die neue Herzstation, die in der Klinik mit zehn Betten aufgebaut wird und der gestiegene Bedarf an Intensivpflegekräften. Dafür werden ad hoc ein Dutzend neue Pfleger benötigt.

Der Mangel an diesen Fachkräften sei auch bereits in Magdeburg zu spüren, macht Rick Pieger deutlich. Zwar noch nicht im selben hohen Ausmaß wie in großen Ballungsgebieten, wo bereits hart um die Kräfte gebuhlt werde. Aber auf einen Schlag 15 Pflegekräfte zu finden, ist aktuell kaum möglich.

Insgesamt arbeiten 1600 Pflegekräfte an der Uniklinik in Magdeburg. Knapp 80 neue Pfleger beenden jedes Jahr ihre Ausbildung am eigenen Ausbildungszentrum. Das reicht nicht aus.

Wenn am 30. April 2018 die ungarischen Kollegen anreisen, stehen bereits Wohnungen bereit - alle in der Nähe der Klinik und neu eingerichtet. In letzter Minute hat das Team der Uniklinik noch Teller und Besteck besorgt. Vorerst wird ein Teil der neuen Mitarbeiter in Wohngemeinschaften leben. In der Hoffnung, dass nach etwas Eingewöhnungszeit Partner und Kinder nachkommen. Andere reisen schon am Montag mit Kind oder auch Hund in Magdeburg an.

Zwei Tage später soll der Deutschkurs beginnen. „Wenn wir etwas machen, dann richtig“, so Rick Pieger. Alles soll auf eine „langfristige Zusammenarbeit“ hinauslaufen und die neuen Pfleger sich wohlfühlen. Das bedeutet: Auf dem Gelände der Klinik wird eine Lehrerin zwei Monate am Stück intensiv mit den Pflegern Deutsch pauken. Es soll gemeinsame Kennlernabende geben.

Gerade Ostdeutschland habe leider nicht den besten Ruf in Sachen „Willkommenskultur“, macht der Pflegedirektor deutlich. Bei der Uniklinik will man jetzt zeigen, dass es auch anders geht. Nicht nur die Sprache steht in den kommenden Wochen im Mittelpunkt, sondern auch die Unterstützung in Alltagsfragen – das fange beim Fahrschein an und hört bei der Steuererklärung auf.

Im Juli 2018 geht es dann für die Pfleger auf ihre Stationen. Der Plan: Alle Plätze, die frei werden, weil intern Kräfte auf die neue Herzstation wechseln, werden von zehn der Ungarn besetzt. „Um die Sprache und die Kultur kennenzulernen, würde es keinen Sinn machen, wenn alle neuen Mitarbeiter zusammen eingesetzt werden“, erklärt Geschäftsbereichsleiter Jan Hauke.

Bei den Vorstellungsgesprächen in Budapest habe man Wert darauf gelegt, dass die Kollegen nicht nur bereits Berufserfahrung gesammelt haben, sondern auch schon genügend Lebenserfahrung, „um zu wissen, worauf sie sich einlassen“, so der Personaler. Die ungarischen Helfer sind zwischen 25 und 55 Jahre alt. Fünf von ihnen haben bereits auf Intensivstationen gearbeitet. Dort sollen sie auch in Magdeburg eingesetzt werden.

Denn: Auf diesen Stationen herrsche dem Pflegedirektor zufolge das größte Nachwuchsproblem. Ein Grund dafür könnte sein, dass es sich bei dieser Arbeit mit schwer kranken Patienten, um „Apparate-Medizin“ handele und in den meisten Fällen keine verbale Kommunikation mit den Kranken möglich sei.

In den kommenden Monaten werden alle ungarischen Kräfte vorerst als Pflegehelfer eingesetzt – und immer unter der Anleitung einer Pflegekraft arbeiten. Bis das Prüfungsamt des Landesverwaltungsamtes sein Okay gibt. Läuft alles nach Plan, ist das in circa einem Jahr der Fall. Die ungarischen Abschlüsse der Pflegeausbildung werden innerhalb der EU automatisch anerkannt. Jedoch einen Sprachtest müssen die neuen Mitarbeiter noch bestehen.

Die Entscheidung, die ungarischen Kräfte nach Magdeburg zu holen, hat man sich bei der Uniklinik nicht leicht gemacht. Vor Ort hätten die Pfleger von den schlechten Arbeitsumständen berichtet. Es fehle in Ungarns Krankenhäusern an Material, Hygiene und Personal. „Wir haben uns sehr viel Gedanken darüber gemacht, dass wir jetzt dort auch noch Kräfte abziehen“, sagt Jan Hauke.

Jedoch würden sich die Pfleger in den meisten Fällen so oder so für einen Job im Ausland entscheiden, „weil sie die Arbeit unter diesen Bedingungen in ihrem eigenen Land nicht mehr mit sich vereinbaren können“, erklärt Rick Pieger. Der Pflegedirektor: „Jede Nation ist frei, die Arbeit seiner Bürger ordentlich zu würdigen und zu entlohnen.“

Ginge es nach dem Pflegedirektor und dem Personalbereichsleiter würde man vorzugsweise den Bedarf an der Uniklinik aus dem eigenen Ausbildungszentrum decken. Dafür bräuchte es allerdings nicht nur größere Räumlichkeiten, sondern auch die Begeisterung der jungen Menschen für den Beruf des Pflegers. Aktuell würden sich jedoch viele Berufseinsteiger, so die Erfahrung, nicht nur an dem Dreischichtsystem und der Arbeit am Wochenende, sondern auch an den ausgeprägten Hierarchien im Krankenhaus stören.