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Häusliche Gewalt Hohe Kosten im Magdeburger Frauenhaus: Wie Betroffenen geholfen werden soll

Das Frauenhaus in Magdeburg bietet Frauen Schutz vor Gewalt. Doch bislang müssen diese ihren Aufenthalt selbst bezahlen. Die Angst vor Schulden überwiegt oft das dringende Bedürfnis, sich in Sicherheit zu bringen.

Von Romy Bergmann 08.01.2024, 05:50
Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Schutz sollen soziale Einrichtungen wie das Magdeburger Frauenhaus bieten - doch dieser Schutz hat seinen Preis.
Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Schutz sollen soziale Einrichtungen wie das Magdeburger Frauenhaus bieten - doch dieser Schutz hat seinen Preis. Symbolbild: Jonas Walzberg/dpa

Magdeburg - In Deutschland wird laut Landesverwaltungsamt etwa jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt. Stalking und Belästigung gehören genauso dazu wie häusliche Gewalt und Vergewaltigung. Eine Zuflucht für betroffene Frauen bieten soziale Einrichtungen wie Frauenschutzhäuser, dar-unter auch das Magdeburger Frauenhaus. Im Jahr 2023 fanden dort laut Mitarbeiterinnenangaben fast 60 Frauen mit über 70 Kindern Schutz. Doch dieser Schutz hat seinen Preis.

Knapp 20 Euro am Tag müssen Frauen für einen Platz zahlen. Jedes weitere Kind kostet knapp acht Euro extra, womit Frauen mindestens 600 Euro im Monat zahlen müssen. Frauen, die finanzielle Unterstützung vom Jobcenter oder Sozialamt erhalten, müssen in der Regel keine oder nur geringe Wohnkosten – also Miete, Nebenkosten, anteilig Versicherungen und Müllgebühren – im Frauenschutzhaus tragen.

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Anders sieht es bei Frauen aus, die in Vollzeit arbeiten, studieren oder in Rente sind. Sie müssen als Selbstzahlerinnen sowohl die Kosten für ihre alte Wohnung als auch die Lebenshaltungskosten und die Wohnkosten im Frauenschutzhaus selbst tragen.

Zuflucht im Magdeburger Frauenhaus wird zu Luxusgut

Eine Unterkunft im Frauenhaus wird damit zu einem Luxusgut, das sich nicht jede Hilfesuchende leisten kann. Die Angst vor Schulden überwiegt oft das dringende Bedürfnis, sich in Sicherheit zu bringen.

„Die Finanzierungform stellt tatsächlich ein Problem dar, was aber einer größeren bundesweiten Lösung bedarf, insbesondere bei den Tagessätzen,“ erklärt eine Mitarbeiterin aus dem Frauenhaus, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte. „Keine Frau in einer Notsituation sollte dafür bezahlen müssen, dass sie Schutz und Sicherheit benötigt.“

Insgesamt bietet das Magdeburger Frauenhaus, das größte in Sachsen-Anhalt, in 14 Einzel- und Familienzimmern für 14 Frauen und mindestens 16 Kinder Platz. Davon waren Ende November elf Zimmer mit jeweils elf Frauen und Kindern belegt.

Die Arbeitsbelastung der Mitarbeiterinnen im Frauenschutzhaus sei in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. „Wenn wir uns etwas wünschen dürften, wäre dies sicherlich, eine auskömmliche Finanzierung, damit die Frauen keine weiteren Kosten haben, die Mitarbeiterinnen sich auf ihre sozialpädagogische und psychosoziale Arbeit konzentrieren können und nicht mehr Spenden für Wohnkosten, Notversorgung von Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Kleidung und so weiter akquirieren müssen“, sagt die Mitarbeiterin.

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Bislang muss das Frauenschutzhaus zehn Prozent seiner Kosten selbst finanzieren. Bisher gab es keine feste Spendenaktion dafür, weshalb die Kosten auf Wohnkosten umgerechnet wurden.

Magdeburgerinnen rufen Spendenkampagne ins Leben

Hier setzt Sally Bo Hattar an. Die junge Magdeburgerin ist selbstständige Web-Designerin und hat unter www.frauenschutzhaus-magdeburg.de die Online-Spendenkampagne „a safe place“ (zu Deutsch: „Ein sicherer Ort“) ins Leben gerufen, um Frauen, die Schutz suchen, finanziell zu unterstützen.

Ausschlaggebend für die Zusammenarbeit war dabei ein Artikel im „präsent“-Magazin, den Hattar gelesen hatte. Kristin Plumbohm, ehrenamtliche Autorin des Magazins, sprach in einem Interview mit Mitarbeiterinnen des Frauenhauses unter anderem über die finanziellen Herausforderungen, die Frauen im Frauenhaus bewältigen müssen.

Die Magdeburgerinnen Kristin Plumbohn (links) vom „präsent"-Magazin und Sally Bo Hattar haben die Spendenkampagne "a safe place" für das Frauenhaus ins Leben gerufen. Beide Frauen zeigen das Hilfezeichen, auch „Handzeichen häusliche Gewalt“ genannt, das Menschen in der Öffentlichkeit zeigen können, wenn sie sich bedroht fühlen und Hilfe benötigen.
Die Magdeburgerinnen Kristin Plumbohn (links) vom „präsent"-Magazin und Sally Bo Hattar haben die Spendenkampagne "a safe place" für das Frauenhaus ins Leben gerufen. Beide Frauen zeigen das Hilfezeichen, auch „Handzeichen häusliche Gewalt“ genannt, das Menschen in der Öffentlichkeit zeigen können, wenn sie sich bedroht fühlen und Hilfe benötigen.
Foto: Romy Bergmann

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„Für mich war es ein absolutes Unding, dass Frauen nach dem, was sie erlebt haben, auch noch ihren Schutz zahlen müssen. Schutz sollte kein Privileg sein“, erklärt Hattar ihre Motivation. Doch sie wollte keinen einmaligen Spendenaufruf starten, sondern etwas schaffen, was auch nachhaltig Frauen kostenlos Schutz bietet und sie zumindest einen Monat lang absichert.

Die Kampagne „a safe place“ ermöglicht es Unternehmen und Privatpersonen, durch Patenschaften einen Monatsplatz im Frauenhaus zu finanzieren. Eine Patenschaft beläuft sich dabei auf 620 Euro – die können sich aber auch aus mehreren Spendern zusammensetzen. Seit Mai 2023 sammelt sie so gemeinsam mit dem Frauenhaus Spenden, vorerst auf drei Patenschaften im Monat beschränkt. „Um zu schauen, wie es anläuft“, erklärt Hattar.

Nicht alle Plätze mit Spenden-Patenschaften abgedeckt

Seitdem wurden tatsächlich für jeden Monat drei Patenschaften gefunden, die einen Platz im Frauenhaus mit finanzierten.

Dennoch reiche dies noch nicht aus, um allen Frauen im Frauenhaus vollständig zu helfen, wie die Mitarbeiterin des Frauenhauses erklärt. So mussten im vergangenen Jahr mehr als 25 Frauen ihren Aufenthalt selbst oder teilweise finanzieren. „Einige der Frauen, die darunter sind, blieben über einen längeren Zeitraum, sodass drei Patenschaften pro Monat nicht für alle Frauen gänzlich ausreichten“, so die Mitarbeiterin.

Für die Zukunft wünscht sich Sally Bo Hattar, noch mehr Patenschaften im Monat für hilfesuchende Frauen zu finden, im besten Fall sogar irgendwann alle verfügbaren Plätze mit Spenden bezahlen zu können. „Damit Schutz irgendwann nicht mehr etwas ist, was man sich leisten können muss“, sagt Hattar.

Weitere Informationen zur Spendenaktion gibt es unter www.frauenschutzhaus-magdeburg.de.