Junge Artisten lernen von den "Hillmanns"
Jeder Auftritt war ein Kraftakt, aber es war auch fast jedes Mal wunderschön anzusehen: Hildegard und Manfred Bär waren früher "Die Hillmanns", ein Artistenpaar, das sich zu DDR-Zeiten einen Namen gemacht hatte.
Hillmann, das ist schnell erklärt, setzt sich aus den Anfangssilben von Hildegard und Manfred zusammen. Nicht so schnell erzählt ist die Geschichte der beiden Magdeburger. "Wir haben so unglaublich viel erlebt", sagt Manfred Bär, als er auf die verschwommenen Fotos von einst blickt. Seine Erinnerungen an Übungen, Auftritte und wichtige Griffe sind noch ganz klar. Die gibt der 70-Jährige heute an den Nachwuchs weiter. Beim "OK-Live Ensemble", einem Kultur- und Kunstverein für Kinder und Jugendliche, zeigt der sportliche Rentner den 6- bis 30-Jährigen in der Artistikgruppe alles, was er selbst mal in der Artistenschule gelernt hat: Übungen auf dem Drahtseil, Akrobatik, Perch (Kraftakrobatik) oder das Saltospringen.
Vier Jahre, ab 1960, besuchte das Paar in Berlin die Schule. Die beiden Turner spezialisierten sich auf den Doppelreck und das Flugtrapez. Sie lernten sich kennen und lieben. Die Karriere nahm beim Arbeitervarieté ihren Lauf. Das Publikum war hingerissen und die Akrobaten auch. Darum wagten sie den mutigen Schritt und wurden in sozialistischen Zeiten selbstständige Berufsartisten. Das Varieté blieb ihre Leidenschaft. Sie spezialisierten sich, zeigten asiatische Stangenakrobatik - ein chinesisches Gastspiel in Berlin hatte sie dazu inspiriert.
Das schweißtreibende Training absolvierten sie meist im damaligen Maxim-Gorki-Saal. Die Requisiten bauten sie nach. Manfred Bär, der zwei Jahre bevor er zur Artistenschule ging eine Ausbildung zum Dreher gemacht hatte, bastelte sich die transportable Stange für die Auftritte selbst. Bis zu acht Meter, wenn es die Säle erlaubten, wurde sie hochgeschraubt. Teile davon stehen heute noch in ihrem Haus. Im Keller haben sie eine Sprossenwand und "Powergeräte". Fit sind "Die Hillmanns" von einst auch noch heute. "Wenn man nichts macht, wird man träge", sagt Hildegard Bär (66). Das passt nun mal nicht zu ihnen. Nach der Wende, als viele Varietés schlossen und die Auftritte weniger wurden, tingelten sie noch ein bisschen herum. 1994 hatten "Die Hillmanns" ihren letzten Auftritt. Hildegard Bär mottete die Erinnerungen zunächst ganz ein und wagte den Schritt in eine neue Ausbildung als Immobilienkauffrau. Heute holt sie die Kisten mit den Erinnerungen gern wieder heraus. "Es war eine schöne Zeit", sagt sie. Auszeichnungen liegen unter den Fotos von einst. Die Artistenzeit, sie steckt in ihren Knochen, aber auch in ihren Köpfen. Zwei Tage in der Woche lässt Manfred Bär den Nachwuchs davon profitieren. (mbo)