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Kolumne Schleinufer bald autofrei?

Weltweit werden in Corona-Zeiten Fahrspuren zu Rad- und Fußgängerstraßen gewandelt. Wie steht es um Magdeburg?

Von Nico Esche 04.05.2020, 23:01

Seit dem 04. Mai gibt es in Magdeburg einige Lockerungsmaßnahmen im Bezug zu Corona. Die Stadt befindet sich jedoch nach wie vor im Dämmerschlaf, die Menschen versuchen weitestgehend zu vermeiden auf die Straße zu gehen, im Sinne der Eindämmung von Corona.

Aus diesem Tiefschlaf können jedoch auch Chancen erwachsen, die vorher so vielleicht noch nicht auf dem Plan standen - so zum Beispiel die Öffnung der Straßen für den Radverkehr.

Unter dem Hashtag #FaireStraßen wurden eine Petition gestartet, die in Zeiten von Corona eine Entlastung der Straßen und die Öffnung für den Radverkehr bezwecken sollen. Zudem soll es dadurch Fußgängern vereinfacht werden durch die Straßen zu flanieren, ohne sich selbst zu nahezukommen. Social Distancing, in diesem Fall “Physical Distancing”, also Raum für die Fußgänger zu schaffen, ist hier der Leitgedanke.

So sollen autofreie Nebenstraße errichtet werden, die ausschließlich von Fuß- und Radverkehr genutzt werden sollen. Provisorisch sollen Fahrspuren in Radstreifen umgewandelt und abgesichert werden. Die Erfinder der Petition erhoffen sich zudem durch eine Temporeduzierung generell von 30 innerorts, eine Entlastung der Krankenhäuser - niedrige Geschwindigkeit, weniger Unfälle, so die Annahme. Zudem sollen Straßen in Wohngebieten in Fahrradstraßen gewandelt und für Durchgangsverkehr gesperrt werden.

Wie die Forderungen, der mit knapp 3.400 Unterschriften geförderte Petition, konkret umgesetzt werden sollen, finden sich allerdings nicht.

“Mit dem Fahrrad zu fahren, ist in der derzeitigen Corona-Krise exzellent, um Ansteckungsrisiken zu vermeiden, zwingend nötige Wege zurückzulegen und sich an der frischen Luft aktiv zu betätigen”, sagt Madeleine Linke, Fraktionschefin der Grünen im Magdeburger Stadtrat. Sie und ihre Fraktion arbeiten seit geraumer Zeit an einer Verkehrswende, sie selber sieht zu Corona-Zeiten vor allem Möglichkeiten. “Damit tragen die Maßnahmen auch dazu bei, den ÖPNV und die MVB zu entlasten und in Bussen und Straßenbahnen das Abstandsgebot leichter einzuhalten.”

Sie erkennt zudem einen weiteren, sehr zeitgemäßen Vorteil mit dem Rad statt dem Auto unterwegs zu sein: “Das Fahrrad ist eins der wenigen Verkehrsmittel mit dem der geforderte Abstand von 1,5 - 2 Metereingehalten werden kann.”

Madeleine Linke und ihre Fraktion befinden sich in Gesprächen mit weiteren Stadtratsfraktionen, um zu erörtern, ob unter anderem solche oder ähnliche Maßnahmen in Magdeburg überhaupt umsetzbar seien. “Die Fahrbahnen für den MIV (Motorisierter Individualverkehr, Anm. d. Red.) sind normalerweise stark befahren und breit angelegt”, erzählt sie. “Nun, in Zeiten von Corona, sind diese Fahrspuren jedoch alles andere als ausgelastet. Die Spuren für den Rad- und Fußverkehr in der Jokobstraße oder der Ernst-Reuter-Allee sind kaum vorhanden oder extrem schmal im Vergleich.”

Ähnlich sieht es ZEIT-Redakteur Hannes Leitlein. Er spricht in einem Kommentar von leeren Berliner Straßen, die beiderseitig von Spaziergängern gesäumt seien - die Menschen ließen das Auto stehen. Zudem deutet er auf die in Berlin populär gewordenen Pop-up-Bikelanes hin, also Fahrspuren, die mittels Baustellen-Equipment fluchs zu Radspuren gewandelt werden. Er zählt zudem weitere Städte auf, die unabhängig von Corona, Fahrrad- und Fußgängern das Schlendern durch die Stadt erleichtern. Zum Beispiel in Paris, wo der Verkehr entlang der Seine für den Autoverkehr gesperrt wurde, die südkoreanische Hauptstadt Seoul riss ihre Stadtautobahn weg.

Der Frankfurter Ortsvorsteher Axel Kaufmann (CDU) widerum warnt in der FAZ davor, dass wegen Corona Straßen “durch die Hintertür autofrei gemacht werden” würden. Seiner Meinung nach würden Einkaufspassagen so “zur Rennstrecke für Radfahrer”, Fußgänger dementsprechend gefährdet.

Der ADFC Magdeburg wollte sich derweil nicht zu dem Thema äußern.

Also sehen wir in Zukunft das Schleinufer oder den Breiten Weg bald von den täglich schwappenden Blechlawinen der Pendler befreit? Die Magdeburger Tangente gesperrt? Oder gar eine verbreitete Fußgängerpromenade und Straßenbahnstrecke am Schleinufer, wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts?

Zuträglich für eine gesteigerte Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Innenstadt, wenn die Autos verbannt würden, ist deutlich zu sehen. Auch zur Eindämmung des Corona-Virus, könnten solche Maßnahmen zuträglich sein. Doch wie sollen die Pendler zu ihren Arbeitsplätzen kommen? Viele beschweren sich über zu hohe Preise des ÖPNV in Magdeburg, eine erschwingliche Alternative seien Bus und Tram nicht. Obwohl eine Monatskarte bei der MVB bereits ab knapp 40 Euro erhätlich ist.

Die Perspektive für solche Maßnahmen ist kurzfristig übersichtlich, langfristig maximal nur am Horizont zu erkennen. Der Wunsch danach jedoch steht im Raum, auch in der Autostadt Magdeburg.