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Skulpturen Kunst gestaltet Magdeburg

Kunst soll zur Diskussion anregen. Das sagt Magdeburgs Kulturbeigeordneter Matthias Puhle im Interview.

Von Karl-Heinz Kaiser 08.10.2017, 14:27

Magdeburg l Ein „Hund mit Haufen“ in Westerhüsen und eine „Erdachse“ mit „geheimen“ Funktionen, ein 30-Meter-Lindwurm als Verkehrsbeobachter, die elegante „Daphne“ alias Kaffeemühle und halbe Pferde in der City - insgesamt zwölfmal stellte die Volksstimme Metallplastiken sowohl der seltenen und seltsamen, der spektakulären, hochanerkannten oder auch umstrittenen Art vor. Zum Abschluss der Serie sprach die Volksstimme mit dem Kulturbeigeordneten über den Bestand, aktuelle Ideen, Vorhaben und Probleme in Hinblick auf Kunst im öffentlichen Raum. Die bisher erschienen Folgen gibt es hier als PDF zum Download (10 MB).

Volksstimme: Kann sich die Stadt mit ihren Kunstwerken im öffentlichen Raum eigentlich sehen lassen?

Matthias Puhle: Durchaus, meine ich. Magdeburg ist eine Stadt mit einem bemerkenswert umfangreichen Bestand an Kunstwerken im öffentlichen Raum. Dabei denke ich nicht nur an den Magdeburger Reiter, die „Erdachse“ vor dem Hauptbahnhof, den „Zeitzähler“ in Elbnähe oder an die Neon-Installation an der Hubbrücke. Zwölf der Kunstwerke hat die Volksstimme in der Sommerserie „Kurioses, Kunst und Kontroversen“ sehr interessant und anschaulich vorgestellt. Wer durch die Ottostadt geht, sieht immer wieder interessante Skulpturen, Denkmäler und Kunstwerke, darunter auch von privaten Initiativen, wie zum Beispiel aktuell die Bauzaungalerie im Breiten Weg.

Wie viele solcher prägenden Arbeiten gibt es denn aktuell?

Allein unser städtisches Kulturbüro ist für rund 200 Kunstwerke im öffentlichen Freiraum verantwortlich. Außerdem gibt es viele weitere Werke, die auf öffentlichen oder privaten Flächen stehen und das Stadtbild bereichern.

Ein Grund für die Stadt, sich zurückzulehnen?

Kunst im öffentlichen Raum und insbesondere der Neuerwerb auch architekturbezogener und baugebundener Kunst an und in öffentlichen Bauten ist ein immer wiederkehrendes Thema der Politik, der Stadtplanung, der kulturellen Institutionen. Und nicht zuletzt auch Anliegen vieler Magdeburger. Denn Kunst bedeutet Bereicherung von Freiräumen und gehört damit zum Bild einer lebendigen Stadt. Wir freuen uns über den wachsenen Bestand, haben aber keinen Grund, uns zurückzulehnen. Es kommen immer neue Werke hinzu, wie jüngst unter anderem die „Insel der Puppen“ von Alicia Paz vor dem Kunstmuseum.

Welche bedeutenden Künstler haben eigentlich in den letzten Jahrzehnten in Magdeburg ihre Spuren hinterlassen?

Dazu gehören unter anderem Heinrich Apel, Heinz Breloh, der Schotte Ian Hamilton Finlay, Wieland Förster, die deutsch-französische Künstlerin Gloria Friedmann, Wilfried Heider, Hannes Meinhard, der Italiener Maurizio Nannucci, Irmtraud Ohme, Wolfgang Roßdeutscher, Wieland Schmiedel, Wolfram Schneider, die Kanadierin Susan Turcot, Timm Ulrichs, der Holländer Auke de Vries, Thomas Virnich, Ulrich Wohlgemuth und Norbert Zagel.

Welches sind die herausragenden Kunstwerke im Stadtgebiet, haben Sie Favoriten?

Hier hat sicher jeder Kunstinteressierte seine eigene Sichtweise. Ich zähle auf jeden Fall die Hubbrückeninstallation von Maurizio Nannucci genauso dazu wie das Denkmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma von Wolfgang Roßdeutscher, die „Erdachse“ vor dem Hauptbahnhof von Timm Ulrichs und den „Zeitzähler“ von Gloria Friedmann. Meine ganz persönliche Empfehlung ist auch der umfangreiche Skulpturenpark des Klosters Unser Lieben Frauen als eine eigenständige Sammlung.

Im Skulpturenpark befindet sich aber älterer Bestand …

Natürlich. Und betrachtet man überhaupt die Kunstwerke, die das Bild Magdeburgs schon seit Jahrzehnten prägen, denke ich auch an den Faunbrunnen des Magdeburgers Heinrich Apel, der einem nicht entgeht, wenn man durch die Leiterstraße schlendert. Heinrich Apel steht im Übrigen auch in Verbindung mit einem der ältesten Kunstwerke, dem Magdeburger Reiter. Es entstand bereits im 13. Jahrhundert. Heute steht eine Kopie, die 1966 von Apel angefertigt und 2000 vergoldet wurde, auf dem Alten Markt. Das Original wird im Kulturhistorischen Museum aufbewahrt.

In der Volksstimme-Sommerserie spielte die oft kontroverse öffentliche Diskussion zu den Kunstwerken eine Rolle. Wie denken Sie darüber?

Kunstwerke sind immer streitbar, ihre Bewertung liegt im Auge des Betrachters. Aber Kunst wirkt vitalisierend auf viele Prozesse des öffentlichen Zusammenlebens. Sie ist damit wichtiges Element der Stadtgestaltung. Ich denke, für die Gesellschaft, auch für die Magdeburger, war und ist die öffentliche Diskussion über Kunst im öffentlichen Raum genauso eine Form der Kommunikation über die Gestaltung einer Stadt und des eigenen Umfeldes. Wenn solche Kunstwerke anregend oder polarisierend wirken, dann haben die Initiatoren bereits ein wesentliches Ziel erreicht.

Die Stadt hat oft knappe Kassen. Bei einigen der vorgestellten Kunstwerke waren Spenden von Bürgern und von Unternehmen hilfreich bis ausschlaggebend. Wie schätzen Sie dieses Engagement ein?

Ich möchte allen Sponsoren und Spendern danken, die regelmäßig an unsere Kunst im öffentlichen Raum denken oder uns in der Vergangenheit vielfältig unterstützt haben. So wie jüngst bei der Neon-Installation an der Hubbrücke: Nach sinnlosem Vandalismus konnten wir diese mit Hilfe von Spenden wieder zum Leuchten bringen. Allerdings wünsche ich mir noch mehr Initiative von der heimischen Wirtschaft. Wir haben interessante Kunstwerke im öffentlichen Raum. Diese könnten durch Sponsorenleistungen noch stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Vorstellbar wären für mich zum Beispiel eine enge Zusammenarbeit oder sogar Sponsoringpatenschaften, nicht nur für Kunstwerke, die in der Nähe von Unternehmen und Firmen stehen.

Welche neuen Projekte für Kunst im öffentlichen Raum stehen derzeit auf der Agenda?

Ganz vorn steht das Projekt „Nachdenken über den Skulpturenpark“. Die bereits erwähnte Anlage mit 40 Kunstwerken befindet sich seit 1989 im Umfeld des Klosters, erstreckt sich bis nördlich des Hundertwasserhauses und ans Elbufer. Jetzt sollen ganz in der Nähe des Kunstmuseums interessante Werke heutiger Kunst integriert werden, um den Skulpturenpark, ohne ihm die eigene Geschichte zu nehmen, gleichsam in die Gegenwart zu überführen.

Wie weit ist das Vorhaben gediehen?

Sieben Projektideen wurden 2016 der Magdeburger Öffentlichkeit mit einer Ausstellung und Begleitdokumentation vorgestellt. In diesem Sommer wurden die Skulpturen von Nathan Coley und Alicia Paz eingeweiht. In der Planung ist bereits eine Klangskulptur von Robin Minard. Zudem wollen wir für „Musizierende Kinder“ gemeinsam mit dem Künstler Dieter Borchhardt einen neuen Ort finden und es wieder aufstellen. Außerdem haben sich einige der von uns im Rahmen der Kulturhauptstadtbewerbung für das Jahr 2025 initiierten Kulturbeiräte intensiv mit der kulturellen Aufwertung des Breiten Weges beschäftigt. Hier sehen wir eines der wichtigen Möglichkeiten mit hohem Potenzial für eine Verbesserung der urbanen Qualität Magdeburgs.

Das Kunstwerk „Für Daphne“ ist 25 Meter hoch, die „Erdachse“ ist zugleich ein technisches Instrument. Andere Arbeiten stehen auch schon sehr lange. Wie groß sind die Probleme bei Pflege und Erhalt?

Die Wartung und Pflege der Kunstwerke ist eine enorme Herausforderung. Restaurierungen und Sanierungen, aber nicht zuletzt auch die Beseitigung von Schäden und Verunreinigungen bedeuten hohe finanzielle Aufwendungen. Da kommen schnell 50.000 Euro zusammen. Ohne Förderprogramme sowie Sponsoren und ehrenamtliche Initiativen wäre das nicht zu stemmen.

Was sind das für Initiativen?

Nur ein wesentliches Beispiel. Wir haben rund 50 Patenschaften für etwa 70 unserer Kunstwerke. Die Kunstpaten achten auf diese, melden Schäden oder Verunreinigungen an „ihren“ Kunstwerken. Weitere Paten sind willkommen! Interessenten können sich im Kulturbüro unter Telefon 0391/540 23 58 melden.

Die bisher erschienen Folgen gibt es hier als PDF zum Daownload (10 MB).