1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Magdeburg
  6. >
  7. Worte aus der Kirche: Lothar Kreyssig: Straße, Denkmal, Friedenspreis

Worte aus der Kirche Lothar Kreyssig: Straße, Denkmal, Friedenspreis

Gedanken zum Wochenende: Mit ihren persönlichen Gedanken melden sich Christen in Magdeburg zu Wort. Diesmal Stephan Hoenen, Superintendent in Magdeburg.

04.11.2023, 08:00
Lothar Kreyssig war ein Jurist mit Zivilcourage. Als Richter prangerte er die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten an.
Lothar Kreyssig war ein Jurist mit Zivilcourage. Als Richter prangerte er die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten an. Foto: epd

Die Lothar-Kreyssig-Straße suchen Sie hier in Magdeburg? Moment, wie erkläre ich das am besten: Also zwischen Dombrunnen und Ottonianum, gesäumt von den Kastanien, entlang des Zeitstrahls – das ist sie. Das sagt Ihnen jetzt noch nicht genug? Okay. Also, wenn Sie auf den Dom zugehen von der Straßenbahnhaltestelle „Domplatz“ aus und am Dommuseum entlang. Das ist die Lothar-Kreyssig-Straße.

Das passt gut, wie ich in diesen Tagen zu seinem 125. Geburtstag gehört habe, ist doch Lothar Kreyssig an manchem Morgen vom Dom kommend zur Morgenandacht nach St. Sebastian rübergelaufen. Früh, 7 Uhr. Und wieder zurück zu seiner Arbeits- und Wirkungsstätte. Also gehen wir auf seinen Spuren und folgen zunächst der Lothar-Kreyssig-Straße, gehen dann aber weiter Richtung Elbe und lassen den Dom links liegen. Am Giebel einer Hauswand strahlt uns nun das neueste Denkmal Magdeburgs an – durch das bunte Weinlaub hindurch, das den Giebel bedeckt. Das Gebäude ist das heutige Landeskirchenamt, damals Konsistorium, wo Lothar Kreyssig als Präsident und Präses wirkte.

An seinem 125. Geburtstag zu Beginn dieser Woche wurde dort die Gedenktafel ihm zu Ehren enthüllt. Der Kirchenkreis Magdeburg verleiht alle zwei Jahre den Lothar-Kreyssig-Friedenspreis für Versöhnung mit jüdischen Menschen und osteuropäischen Nachbarn. An diesem Sonnabend ist es wieder soweit, der Friedenspreis wird hier in Magdeburg in der Johanniskirche um 11 Uhr öffentlich und feierlich vergeben, an Christoph Heubner, den Vizepräsidenten des Internationalen Auschwitzkomitees.

Wer war Lothar Kreyssig?

Doch wer war der Namensstifter des Preises. Wer war Lothar Kreyssig neben seinen Aufgaben als Jurist und in verschiedenen Ämtern der Kirche? Er wurde zu einem mutigen Bekenner des Glaubens, der bei den Nazis kritisch nachgefragt hat, wohin die Menschen mit Behinderung verbracht wurden, die ihm als Vormundschaftsrichter anvertraut wurden. Der daraufhin aus dem Justizdienst der Nazis entfernt wurde und Landwirtschaft betrieb. Der gemeinsam mit seiner Frau zwei jüdische Frauen vor Verfolgung und Vernichtung versteckt und bewahrt hat.

Was ihn mir als Vorbild vor Augen stellt, ist seine klare Haltung. Mir gefallen die Worte der Dichterin Ingeborg Bachmann, die ich persönlich mit dem Leben von Lothar Kreyssig verbinde: „Ich glaube, dass dem Menschen eine Art des Stolzes erlaubt ist – der Stolz dessen, der in der Dunkelheit nicht aufgibt und nicht aufhört nach dem Rechten zu sehen.“

In diesem Sinne dürfen wir stolz auf Lothar Kreyssig sein, der in dunklen Zeiten nicht aufgab und nie aufhörte nach dem zu suchen, was recht, richtig und gerecht ist. So entdecke ich ihn heute für mich wieder – genau wie „seine“ Straße mitten in unserer Stadt.