Serie „Otto ist Einheit“ über 35 Jahre Wiedervereinigung Magdeburg besser als München: Was ein Göttinger an der Landeshauptstadt so mag
Dietrich Lührs ist Leiter des angesehenen Domgymnasiums in Magdeburg. Das er die Schule leitet, hat was mit Lust auf Neues vor mehr als 30 Jahren zu tun.

Magdeburg - In einer Serie erzählen Menschen aus Magdeburg mit Ost- oder West-Hintergrund ihre Geschichte über Wiedervereinigung und Deutsche Einheit seit 35 Jahren. Hier Dietrich Lührs, Leiter des Domgymnasiums Magdeburg.
Das Ökumenische Domgymnasium gehört zu den ältesten freien Schulen der Stadt. Gegründet 1991 steht es fest in der Tradition der alten Magdeburger Domschule und ist damit wichtiger Bestandteil der städtischen Bildungslandschaft.
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Der heutige Direktor des Domgymnasiums und Vorstand der Domschulen Magdeburg, Dr. Dietrich Lührs, ist gebürtiger Göttinger und erst im Zuge der Wiedervereinigung hierhergezogen. „Vor 1989 kannte ich von Magdeburg nur den Dom“, erinnert sich Dr. Lührs. „In den 80er Jahren bin ich oft nach Berlin gefahren und von der Autobahn aus sah man immer die Domtürme. Dieser Anblick ist mir in Erinnerung geblieben.“ Allerdings hätte er sich damals natürlich nicht vorstellen können, jemals in Magdeburg zu leben und zu arbeiten.
Trabis als Bild für die Ewigkeit
Die erste Begegnung mit dem Osten, an die er sich noch sehr lebhaft erinnern kann, sind die Trabis: „Wir sind damals von Göttingen aus Richtung Eichsfeld gefahren und da kamen uns viele Trabis entgegen. Dieses Bild hat sich bei mir eingeprägt, denn es stand sinnbildlich für den Beginn der Wende.“ Die Wiedervereinigung war für ihn trotzdem überraschend und sehr bewegend. Vor allem hat sie sein Leben grundlegend verändert, denn im Juni 1992 bekam er das Angebot, als Lehrer nach Aschersleben zu gehen. „Ich hatte Latein und Griechisch studiert und wollte nicht an der Universität bleiben, sondern an einer Schule unterrichten“, erzählt Dr. Lührs.
Lehrer-Überschuss im Westen
Da die Lehrersituation in Westdeutschland damals allerdings eine ganz andere war als heute, war das nicht so einfach: „Es gab einen Lehrerüberhang, das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.“ Vom Anruf mit dem Jobangebot bis zur Entscheidung hatte er damals 24 Stunden Zeit. „Ich sollte nach Sachsen-Anhalt gehen, genauer gesagt nach Aschersleben. Ich musste mich über Nacht entscheiden und wusste damals nicht mal genau, wo das eigentlich liegt.“
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Er hat sich dann etwas erkundigt und spontan zugesagt: „Ich hatte einfach Lust auf was Neues und hab mich ins kalte Wasser gestürzt.“ So wurde er zum Latein- und Sozialkundelehrer im Osten. „Der erste Eindruck von Ascherleben war damals allerdings schon ein Schock,“ verrät Dr. Lührs. „Das war eine unheimliche Umstellung von einer modernen Universitätsstadt in eine baulich ziemlich verfallene Arbeiterstadt.“
Nach einem Jahr kam die Familie nach
Nach einem Jahr ist seine Frau mit den Kindern nachgezogen und sie haben sich schnell wohlgefühlt. Zudem ist er in die Kommunalpolitik gegangen und hat dadurch auch den direkten Bezug zu den Menschen bekommen. „Das war eine der interessantesten und wichtigsten Erfahrungen für mich“, sagt er heute.
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1999 kam der nächste Umbruch für die Familie Lührs. Den Familienvater zog es weiter nach Magdeburg, als Lehrer an das Domgymnasium. Die ersten Jahre ist er allerdings von Aschersleben aus gependelt: „Magdeburger bin ich erst seit 2002.“ Mittlerweile fühlt er sich hier absolut zu Hause und will auch im Ruhestand hierbleiben.
Magdeburg als Geheimtipp mit mehr Spielraum als München
Magdeburg ist für ihn ein echter Geheimtipp – zum Leben und Arbeiten. Hier kennt man sich sehr schnell untereinander und kann sich ein funktionierendes Netzwerk aufbauen. „Als Schulleiter eines privaten Gymnasiums in München hätte ich nie so viel bewegen können“, da ist er sich sicher. „Hier hat man viel mehr Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten“, die Dietrich Lührs immer genutzt hat. Heute gehören das Domgymnasium und die Domgrundschule zu den besten Schulen der Stadt und es gibt jedes Jahr deutlich mehr Anmeldungen als freie Plätze. „Diese Entwicklung erfüllt mich natürlich mit Stolz“, gesteht er und blickt zufrieden auf das Geschaffene.
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Auf dieser Grundlage macht er sich auch keine Sorgen um die Zukunft seiner Schulen und der Stadt Magdeburg. Wenn er in gut einem Jahr in den Ruhestand geht, dann will er noch mehr das Leben in seiner neuen Heimat genießen und sich wieder intensiver seinen Hobbys widmen. Auf die Frage, ob er sich noch als Wessi oder eher als Ossi sieht, sagt er nur: „Ich habe die höchste ostdeutsche Auszeichnung bekommen, die da lautet, du bist gar kein echter Wessi“, lacht er. Er fühlt sich hier wohl und freut sich über die positive Entwicklung Magdeburgs. Er ist überzeugt: „Magdeburg entwickelt sich immer weiter.“