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Gastronomie und Freizeit Nach Abriss von alter Gaststätte in Magdeburg: Leser erinnern sich

Der Abriss der ehemaligen Gaststätte am Stadion Neue Welt in Magdeburg ist abgeschlossen. Viele Jahre lang stand das Gebäude davor leer und verfiel. Es gab aber auch andere Zeiten, wie sich Leser erinnern.

Von Konstantin Kraft Aktualisiert: 11.01.2024, 09:10
So sah die Ausflugsgaststätte einmal aus. Als diese Postkarte entstand, trug das Gasthaus den Namen „Wald-, Park- und See-Etablissement ,Neue Welt’ an der Berliner Chaussee“.
So sah die Ausflugsgaststätte einmal aus. Als diese Postkarte entstand, trug das Gasthaus den Namen „Wald-, Park- und See-Etablissement ,Neue Welt’ an der Berliner Chaussee“. Foto: Heiko Schmietendorf

Magdeburg - Große Schutthaufen liegen nun dort, wo vorher ein Gebäude stand. Der Abbruchbagger hat ganze Arbeit geleistet. Bis auf einige Fundamentreste ist die ehemalige Gaststätte Döring am Stadion Neue Welt verschwunden.

Abriss der ehemaligen Gaststätte Döring am Stadion Neue Welt in Magdeburg: Ein Rückblick

Seit Jahrzehnten stand das denkmalgeschützte Haus leer und verfiel zunehmend. Es sei nicht mehr zu retten gewesen, hieß es von Eigentümerseite.

Große Schutthaufen liegen jetzt dort, wo früher das Gasthaus Döring stand.
Große Schutthaufen liegen jetzt dort, wo früher das Gasthaus Döring stand.
Foto: Konstantin Kraft

Hinzu kam, dass der Bau in den vergangenen Jahren wiederholt von Vandalismus heimgesucht wurde. Der Abbruch sei deshalb nun aus Sicherheitsgründen erfolgt. Langfristig soll das Grundstück entwickelt werden.

Gut 140 Jahre lang existierte das Gebäude an der Berliner Chaussee. Es soll in den 1880er Jahren zunächst als Wohnhaus errichtet worden sein. Zum Gasthaus machte es der Gommeraner Brauereibesitzer Ernst Döring. 1909 baute er zudem einen Veranstaltungssaal an.

Blick in den einstigen Tanzsaal. Vielfältige Veranstaltungen fanden hier statt.
Blick in den einstigen Tanzsaal. Vielfältige Veranstaltungen fanden hier statt.
Foto: Heiko Schmietendorf

Eben dieser Saal wurde im Januar 2013 durch einen Brand zerstört. Daran erinnert sich Klaus-Dieter Arendt, der damals in der Nachbarschaft wohnte. Als die Flammen in dem Holzbau wüteten, stand das Gasthaus schon Jahre leer.

Bis zur Wende war das noch anders. In dem Saal fanden vielfältige Veranstaltungen statt. Von Kultur bis Geflügelzüchtertage. „Wir haben dort Silvester gefeiert. Einmal fiel der Strom aus, da haben wir bei Kerzenlicht gefeiert“, erzählt Arendt.

Die Gaststätte lag direkt am Staditon Neue Welt.
Die Gaststätte lag direkt am Staditon Neue Welt.
Foto: Heiko Schmietendorf

An gesellige Abende im Saal erinnert sich auch Gisela Karnbach. „Wir sind da öfter tanzen gewesen. Es war immer sehr schön.“ Von 1961 bis 1964 arbeitete sie als Lehrerin in der Schule im benachbarten Quartier Friedensweiler. „Ich hatte damals eine 8. Klasse, die hatten 1964 ihre Jugendweihe in der Gaststätte.“

Ein Gedenkstein erinnert an den Tod von KZ-Häftlingen am Stadion Neue Welt.
Ein Gedenkstein erinnert an den Tod von KZ-Häftlingen am Stadion Neue Welt.
Foto: Konstantin Kraft

Schüler aus ebendieser Bildungseinrichtung hatten sich jahrelang um die Pflege eines Gedenksteins an der einstigen Gaststätte gekümmert.

Dieser erinnert noch heute an KZ-Häftlinge, die am 13. April 1945 bei einem Todesmarsch dort erschossen worden. Klaus-Dieter Arendt appelliert, dass der Gedenkort vom neuen Eigentümer des Grundstücks gepflegt wird, um diesen für die Zukunft zu bewahren.

Gasststätte am Stadion Neue Welt in Magdeburg war Sitz des Wehrkreiskommandos

Die Ausflugsgaststätte am Stadion Neue Welt hat mehrmals ihren Namen gewechselt. Sie hieß einst Waldrestaurant Neue Welt, Wald-Park-und-See-Etablissement „Neue Welt“ an der Berliner Chaussee, Sportpark und Bundesschule Neue Welt des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, wie Heiko Schmietendorf schreibt.

Zu DDR-Zeiten habe sich in dem Gebäude das Wehrkreiskommando der Nationalen Volksarmee (NVA) befunden. Mehrere männliche Leser erinnerten sich daran, dass sie dort ihre Musterung erfahren haben.

Diese Postkarte vom „Waldrestaurant Neue Welt“ stammt aus dem Jahr 1911.Foto: Ingo Kauder
Diese Postkarte vom „Waldrestaurant Neue Welt“ stammt aus dem Jahr 1911.Foto: Ingo Kauder
Foto: Ingo Kauder

Ein für viele traumatischer Termin, entschied er doch über die (berufliche) Karriere in der DDR, ob es etwa einen Studienplatz gab oder nicht. Peter Lunkeit hat die Erinnerung an die Musterung in seinem Buch „Ehrendienst?“ festgehalten.

Er schreibt: „Das Gebäude, in dem die Musterung stattfinden sollte, war so eine eher ländlich wirkende Vorstadtgaststätte mit großem Tanzsaal.“ Zunächst folgten einige ärztliche Untersuchungen wie Wiegen, Blutdruckmessen, Hör- und Sehtest.

„Wichtig für die weitere Karriere in der DDR wurde es aber in dem großen Tanzsaal und in einigen der angrenzenden Räumlichkeiten. Im Saal musste ich erst einmal warten – fast eine Stunde lang bis zum nächsten Aufruf. Überhaupt bestand die meiste Zeit nur aus Warten.“

Rund um die Tanzfläche gab es „mit Spanplatten, Fahnentuch und Bannern voller sozialistischer Kampfparolen abgeteilte Stände“. Dahinter wartete ein Oberstleutnant, der die jungen Männer von einer Militärlaufbahn überzeugen wollte.