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Magdeburger Lokalanzeiger schaut Maschen-Liebhabern über die Schulter Magdeburg im Strickfieber: Alte Masche, neuer Trend

Magdeburg strickt: Interessierte treffen sich bei Stricktreffs. Neben
Studentinnen und Großmüttern fertigen dort auch immer mehr Männer ihre
Sachen selbst.

Von Marie Zahout 30.12.2013, 01:06

Magdeburg l Die Strick-Begeisterten nennt Dagmar Ehses die "DaWanda-Generation" - in Anspielung auf die gleichnamige Internetplattform, bei der Nutzer ihre selbst gestalteten Produkte verkaufen. Ehses profitiert von diesem neuen Lebensgefühl, betreibt die 48-Jährige doch das Fachgeschäft "Maschinistin" für Naturgarne und Strickaccessoires in Magdeburg-Buckau.

Einmal im Monat findet dort ein kostenloser Stricktreff statt. Dann kommen alle Strickbegeisterten zusammen - egal ob männlich oder weiblich, jung oder alt, Anfänger oder Profi. Und wer sich einmal bis dorthin gewagt habe, der bringe auch sein allererstes Stück zu Ende, wie Ehses sagt. Eine Gruppe Frauen hat sich in der "Maschinistin" einen Platz auf einer Bank und zwischen bunten Wollknäueln gesichert. Gegenseitig bringen sie sich das Stricken bei. Für Material und Arbeitsgeräte sorgt beim Stricktreff jeder selbst. Es sei die Lust an etwas Selbstgemachten, was sie zum Stricken verführe.

Spätestens seit sich prominente Frauen wie TV-Moderatorin Sarah Kuttner öffentlich zu ihrem Hobby des Handarbeitens bekennen, haben Wolle und Nadel ihr angestaubtes Image verloren. Aber auch "alte Hasen" kramen ihre Strickvorlagen wieder hervor und lassen sich in modernen Wollläden inspirieren. Kristina Hölger hat das Stricken noch von ihrer Großmutter gelernt. Nun sitzt die 55-Jährige in der "Maschinistin" und spinnt Wolle aus Haaren vom Angorakaninchen. Das Spinnrad hat sie selbst mitgebracht. Die Tierhaare hat sie von einem befreundeten Kaninchenzüchter. Fast jeder von den Interessierten, die zum Stricktreff gekommen sind, trägt auch etwas Selbstgemachtes. Bei den einen ist es ein Pullover, bei den anderen ein Schal.

Auch Frank Bernhardt trägt einen Pullover mit Zopfmuster und einen Schal. Beides hat er in Handarbeit hergestellt. Bernhardt (55 Jahre), Künstlerischer Leiter im Puppentheater, strickt seit seinem 16. Lebensjahr. Wurden strickende Männer bis vor einigen Jahren noch belächelt, erntet Bernhardt heute eher Lob seiner Kollegen.

Ein Pullunder war sein erstes Werk - denn Ärmel konnte er noch nicht. "Damals habe ich die ganze Familie bestrickt", sagt er. Gelernt hat Bernhardt das Handwerk in der Schule. Doch mit der Wende kam auch die Lust auf Konsum. "Alles Selbstgemachte erschien irgendwie hausbacken", sagt er.

Vor einigen Jahren sei der Wunsch nach Individualität dann zurückgekommen: "Wenn ich Stapel gleicher Pullover in einem Kaufhaus sehe, schüttelt es mich." Auch die Qualität von Selbstgestricktem lobt er. Mit kratzenden und unförmigen Pullis aus den Anfängen der Strickbewegung haben die heutigen Schnitte und Garne nicht mehr viel gemein.

In Dagmar Ehses Laden liegen derzeit Garne für die aktuelle Wintermode. Trend sei in diesem Jahr die Übergröße. Also Pullover im Stil der 80er-Jahre und auch die Schulterpolster feiern ein Comeback, wie Dagmar Ehses erklärt. Auch Frank Bernhardt hat schon ein neues Projekt: ein Pullover, der von Ärmel zu Ärmel gestrickt werden soll. Obwohl er eigentlich auf Strickvorlagen verzichtet, ist er bei diesem komplizierten Kleidungsstück froh über eine geerbte Anleitung von seiner Großmutter.

Der Stricktreff ist kostenlos und findet jeden ersten Mittwoch im Monat ab 18 Uhr im Geschäft "Maschinistin" an der Klosterbergestr. 20 statt.