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Protest und Gedenken Magdeburger erheben ihre Stimme gegen Hass, Krieg und Rassismus

Eingebettet in ein Lichtermeer sangen Hunderte Menschen auf dem Alten Markt Friedenslieder. Sie gedachten so der Bombardierung der Elbestadt sowie der Opfer von Krieg, Ausgrenzung und rassistischer Gewalt.

Von Karolin Aertel 16.01.2024, 19:25
Im warmen Licht Hunderter Kerzen und Laternen wurden in Gedenken an die Zerstörung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg Friedenslieder gesungen.
Im warmen Licht Hunderter Kerzen und Laternen wurden in Gedenken an die Zerstörung Magdeburgs im Zweiten Weltkrieg Friedenslieder gesungen. Foto: Uli Lücke

Magdeburg. - Wir werden es überwinden, werden Hand in Hand gehen, wir sind nicht allein, wir werden in Frieden leben, frei sein – Schwarz und Weiß vereint. Zeilen (übersetzt aus dem Engl.) des Protestsongs „We shall overcome“, den, eingebettet in ein Lichtermeer, den gestern Hunderte Menschen auf dem Alten Markt sangen. Mit diesem und anderen Friedensliedern wurde der Opfer von Krieg, Hass, Ausgrenzung und Rassismus gedacht. Zugleich bildete dies den Auftakt für tagelange Friedensappelle und Aktionen, die für eine demokratische Gesellschaft, Solidarität und Toleranz stehen. Mehr als 50 Veranstaltungen befassen sich bis Ende Januar mit diesen Themen. Der Höhepunkt des Aktionsgeschehens findet am 20. Januar 2024 statt.

Bisher keine Anmeldung aus dem rechten Spektrum

Anlass ist ein alljährlicher Aufmarsch von Rechtsextremen in Magdeburg. Mit einem sogenannten „Trauermarsch“ erinnerten sie in den vergangenen Jahren an die Zerstörung der Stadt zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Ob es auch in diesem Jahr wieder zu einem Aufmarsch der rechten Szene kommt, ist noch ungewiss. Derzeit liegen der Polizei keine Anmeldungen dazu vor, teilte eine Sprecherin der Polizeiinspektion Magdeburg dazu mit (Stand Dienstagabend). Dies bedeute allerdings nicht, dass es nicht noch im Laufe der Woche dazu kommen könnte.

So oder so stellen sich Magdeburger seit Jahren mit etlichen Kundgebungen, Mahnwachen und Friedenswanderungen gegen den Aufmarsch der rechten Szene. Mit Erfolg. Der sogenannte „Trauermarsch“ schrumpfte von gut 1.500 Teilnehmenden im Jahr 2013 auf eine stationäre Kundgebung mit wenigen Teilnehmenden im Jahr 2023. „An diesen Erfolg gilt es anzuknüpfen, um den rechten Umtrieben im Januar endgültig Einhalt zu gebieten“, appelliert Jan Renners vom Bündnis Solidarisches Magdeburg.

Möglichen Aufmarsch von verhindern

Und so wappnet sich die Stadt mit zahlreichen Protestaktionen. Insbesondere an den Bahnhöfen und populären Plätzen finden Veranstaltungen statt, um einen möglichen Aufmarsch der rechten Szene zu blockieren. Zudem veranstalten die Schulen des Netzwerkes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ einen Aktionstag auf dem Alten Markt. In der Zeit von 11 bis 15.30 Uhr gestalten Schulchöre, -bands und Tanzgruppen am Sonnabend ein abwechslungsreiches Programm.

Migranten beteiligen sich mit hoher Motivation

Die Aktionen in ganz Magdeburg werden dieser Tage aktiv auch von Migranten getragen, verdeutlicht Birgit Bursee. Inzwischen seien mehr als die Hälfte der Menschen, die in der Freiwilligenagentur Magdeburg ein Engagement suchen, Menschen mit Migrationshintergrund. „Das ist eine große Gruppe, die sich sehr aktiv und bewusst für die Gestaltung der Stadt einsetzt und die eine hohe Motivation mitbringt“, sagt sie im Rahmen eines Vorgespräches zu den Aktionswochen.

Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben angesichts der politischen Entwicklungen dieser Tage jedoch Angst. Sie fürchten tatsächlich, „deportiert“ zu werden, weiß Monika Peisker, die als Verantwortliche für Migrationsarbeit im evangelischen Kirchenkreis mit den Sorgen der ausländischen Mitbürger konfrontiert wird.

Wenn der zu erwartende Rechtsruck passiert, möchten wir uns das alle nicht ausmalen.

Falko Jentsch, Vorstandsmitglied im CSD Magdeburg

Ängste in der queeren Community

Die Angst vor dem Rechtsruck beschäftigt jedoch nicht nur Migranten. Auch die queere Community ist in Sorge – insbesondere mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen. „Zum einen hinsichtlich der Kommunalwahl, die uns direkt betrifft und etwas Gefährliches bringen kann“, verdeutlicht CSD-Vorstandsmitglied Falko Jentsch. „Zum anderen hinsichtlich der Europawahl. Das Europaparlament ist in seiner jetzigen Form für uns immer noch eine Bastion, die viele Rückschritte in den Nachbarländern zurückgehalten hat. Wenn da der zu erwartende Rechtsruck passiert, möchten wir uns das alle nicht ausmalen. Diese Angst merken wir bei uns, in der äußerlich doch bunt und fröhlich erscheinenden Community.“

Daher engagiert sich insbesondere auch die queere Community bei den Aktionstagen und wird unter anderem die Kreuzung Ernst-Reuter-Allee/Breiter Weg in Regenbogenfarben tauchen. Denn Magdeburg soll bunt statt braun sein.

Eine Übersicht zu allen Veranstaltungen, Kundgebungen und Friedensmärschen der Aktionswochen „Eine Stadt für alle“ ist auf der Internetseite der Initiative „Weltoffenes Magdeburg“ veröffentlicht.