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Medizintechnik Hasomed baut virtuelle Welt für Therapie

Ein Medizintechnik-Spezialist aus Magdeburg möchte die Behandlung bei neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall und Demenz verbessern.

Von Martin Rieß 11.04.2018, 01:01

Magdeburg l Zwiebeln schneiden, Basilikum, Salz und Pfeffer in die Tomatensoße geben – einfache Aufgaben in der heimischen Küche. Doch hier steigt kein würziger Duft in die Nase. Denn es handelt sich um eine virtuelle Küche. Und der Akteur ist ein Patient.

Tatsächlich hat er statt eines Küchenmessers einen Controller in der Hand und er trägt eine Brille, die mit seinem Smartphone verbunden ist und ihm das „Eintauchen“ in eine virtuelle Welt ermöglicht. In diesem Fall ist es eine Küche, in der er virtuell Spaghetti mit Tomatensoße zubereitet. So soll erfasst werden, wie gut er in der Lage ist, komplexe Aufgaben zu lösen, in denen viele einzelne Arbeitsschritte parallel ablaufen müssen.

Hinter dem Szenario steckt unter anderem der Magdeburger Medizintechnik-Hersteller Hasomed mit Sitz in der Paul-Ecke-Straße. Es geht um die geistige Leistungsfähigkeit von Patienten. Sie ist bei neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfall oder Demenz häufig gemindert. Mehr als zehn Experten aus Wissenschaft, medizinischer Praxis und Wirtschaft arbeiten in dem Projekt zur virtuellen Realität (VR) zusammen.

Mit VReha soll es möglich sein, dass Betroffene in computeranimierten 3-D-Welten Aufgaben lösen und beobachten. Dadurch, so das Ziel der Entwickler, lassen sich Störungen beispielsweise präziser erfassen. „Bei Erkrankungen wie einem Schlaganfall werden solche Aufgaben von den Betroffenen häufig anders gelöst als von Menschen ohne Hirnschädigungen. Schlaganfallpatienten leiden etwa unter Konzentrations- und Gedächtnisproblemen und verwechseln so beispielsweise die Reihenfolge der Zwischenschritte einer komplexen Aufgabe“, erklärt Dr. Michael Gaebler vom Max-Planck-Institut in Leipzig. „Wir wollen daher Menschen beobachten, wie sie sich z. B. durch unbekannte Räume bewegen, um dabei präzise und digital ihre kognitiven Auffälligkeiten zu erfassen.“

Ziel ist es, dass kognitive Einschränkungen exakter diagnostiziert und durch Training maßgeschneidert verbessert werden können.

Forscher des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts werden sich vor allem der Hardware widmen. Sie arbeiten zum Beispiel daran, dass Studienteilnehmer in der virtuellen Küche keinen Controller mehr benötigen und nur durch natürliche Körperbewegungen und Handgesten das Nudelgericht zubereiten können.

„Die bereits im Markt etablierten computergestützten Programme zur kognitiven Therapie stoßen zunehmend an Grenzen“, so Bert Vehmeier, Entwicklungsleiter bei Hasomed. Aspekte wie Alltagstransfer von trainierten Leistungen, Motivation und Akzeptanz der Trainierenden gewinnen ihm zufolge zum Erreichen des therapeutischen Zieles an Bedeutung. „Wir beteiligen uns daher an vielen Forschungsprojekten, um diese Grenzen zu überwinden. Wir erhoffen uns damit, neue Lösungen zu schaffen, die sich dann über kurz oder lang auch in unseren Produkten, wie z.B. RehaCom, wiederfinden“, sagt er.

In diesem Projekt führt Hasomed das Konsortium und arbeitet an einer Plattform, mit der es möglich sein wird, die Ergebnisse der Trainingsverfahren ortsunabhängig zu erfassen und bewerten zu können. „Die Diagnostik mit Hilfe virtueller Realitäten hat althergebrachten Methoden gegenüber, bei denen noch mit Bleistift, Papier und Stoppuhr gearbeitet wird, nicht nur den Vorteil, dass Auffälligkeiten präziser und sofort digital gemessen werden können“, erklärt Dr. Angelika Thöne-Otto von der Tagesklinik für Kognitive Neurologie am Universitätsklinikum Leipzig.

Die simulierten Welten lassen sich auch innerhalb eines Trainings verändern. Das heißt, die Testpersonen betreten jedes Mal neue Räume und lösen andere Aufgaben. So ließen sich Fort- und Rückschritte besser erfassen und das Training an den individuellen Leistungsstand genauer anpassen, erläutert die Wissenschaftlerin.

Das Projekt profitiert dabei nicht zuletzt von einer rasanten technischen Entwicklung. In den vergangenen Jahren wurden bezahlbare Virtual-Reality-Brillen entwickelt. Ärzte, Psychologen und Neurowissenschaftler sehen großes Potenzial. Doch nicht nur das: Das Ziel des Forscherteams von VReha ist es, die Anwendung solcher Methoden so weit zu vereinfachen, dass sie über das Smartphone und eine eigene App genutzt werden können, so wie es im eingangs beschriebenen Szenario der Fall ist.

VR-Technologien werden in der medizinischen und psychologischen Praxis bereits angewendet, um Stress, Schmerzen oder Traumata zu lindern. „Auf diesen Erfolgen wollen wir mit VReha aufbauen und sie auch darauf ausdehnen, kognitive Defizite zu erkennen und zu therapieren“, ergänzt Prof. Dr. Carsten Finke vom Projektpartner Charité.